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Die systemische Entzündung gilt heute als zentrales Element in der Transitperiode von Milchkühen. Während ein gewisser Grad der Entzündung als Teil der angeborenen Immunabwehr nach der Kalbung physiologisch ist (Akute Phase Reaktion), führen exzessive Entzündungsprozesse zur Entgleisung von Stoffwechsel und Immunsystem und beeinträchtigen die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Tiere. Das primäre Ziel der vorliegenden Vorstudie war es, ein geeignetes Akute Phase Protein für die Identifikation von Milchkühen (Einzeltierebene) und Milchviehbetrieben (Gruppenebene) mit überschießender systemischer Entzündung in der ersten Woche nach der Kalbung zu benennen. Dafür wurden die Konzentrationen verschiedener Akute Phase Proteine (Haptoglobin, Serum Amyloid A, Totalprotein, Albumin, Coeruloplasmin und C-reaktives Protein) in 99 Einzeltier- und 10 gepoolten Serum-, Lithium-Heparinplasma- und EDTA-Plasma-Proben von 10 Betrieben gemessen. Für das Akute Phase Protein Haptoglobin sollte anschließend eine Empfehlung für ein geeignetes Probenmedium und Analyseverfahren (Nasschemie vs. ELISA) getroffen werden. In der Hauptstudie wurden die Effekte einer einmaligen Applikation des Produktes Finadyne® Transdermal (Wirkstoff: Flunixin-Meglumin) im Zeitraum 24 – 36 Stunden p.p. auf die systemische Entzündungsreaktion und den Stoffwechsel, den Verlauf des Puerperiums, die Milchleistung und die Fruchtbarkeit in einer randomisierten, prospektiven klinischen Studie mit 500 Milchkühen untersucht. Von den gemessenen Akute Phase Proteinen konnte Haptoglobin sowohl das Ausmaß der Entzündung signifikant zwischen den Betrieben unterscheiden als auch auf Einzeltierebene am besten mit der Qualität des vaginalen Ausflusses (Metricheck™ Score) und der Körpertemperatur in Verbindung bringen. Die Übereinstimmung der Einzeltierproben mit den gepoolten Proben war sehr gut, sodass die Bestimmung von Haptoglobin aus Poolproben für die Einschätzung der Entzündungsstärke auf Herden- bzw. Gruppenebene geeignet ist. Als Probenmaterial für die Bestimmung von Haptoglobin kann Serum empfohlen werden, da in Plasmaproben vermutlich falsch hohe Werte mit zudem größerer Streuung gemessen werden. Die Messung der Haptoglobinkonzentration aus Serum war mit dem Nasschemieautomaten präziser als mit dem ELISA-Testkit, was auf notwendige Verdünnungsschritte für die Durchführung des ELISA Verfahrens zurückzuführen ist. Drei Betriebe mit vergleichsweise vielen frischlaktierenden Kühen mit erhöhten Haptoglobinkonzentrationen wurden auf Basis der Vorstudie für die Teilnahme an der Hauptstudie ausgewählt. Die Behandlung mit Finadyne® Transdermal reduzierte die Serum Haptoglobinkonzentration und erhöhte die Serum Albuminkonzentration bei Erstkalbskühen gegenüber der Kontrollgruppe signifikant. Behandelte Mehrkalbskühe zeigten im Vergleich zur Kontrollgruppe lediglich geringfügig niedrigere Betahydroxybutyratgehalte im Serum. Behandelte Erstkalbskühe hatten ein geringeres Risiko für Metritiden, während bei den Mehrkalbskühen kein Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen bestand. Behandelte Tiere, unabhängig von der Laktationsgruppe, zeigten weniger Schmerzäußerungen (abgestellter Schwanz, gekrümmter Rücken) am Tag nach der Behandlung als die Kontrolltiere. Die energiekorrigierte Milchleistung von 8 Milchleistungsprüfungen nach der Kalbung war im Mittel 0,87 ± 1,35 kg höher bei behandelten Erstkalbskühen verglichen mit der Kontrollgruppe. Die behandelten Mehrkalbskühe hatten im Mittel eine 0,76 ± 1,17 kg niedrigere energiekorrigierte Milchleistung als die Kontrolltiere. Die 305 Tage Milchleistung war um 399 ± 430 kg höher bei behandelten Erstkalbskühen und um 224 ± 313 kg niedriger bei behandelten Mehrkalbskühen im Vergleich zur jeweiligen Kontrollgruppe. Es konnten keine Effekte der Behandlung auf die Fruchtbarkeit (Erstbesamungserfolg, Güstzeit, Anteil tragender Kühe innerhalb von 200 Tagen in Milch) und das Abgangsrisiko innerhalb von 60 Tagen in Milch festgestellt werden. Die Ergebnisse der vorliegenden Studien betonen die Bedeutung der systemischen Entzündung bei Milchkühen in der Transitperiode im Hinblick auf die Gesundheit und Leistungsfähigkeit in der Folgelaktation. Ein komfortabler Transitkuhbereich mit ausreichend Fress- und Liegeplätzen, ein stressfreies und hygienisches Abkalbemanagement sowie eine optimierte Rationsgestaltung und Körperkondition sollten weiterhin als Schlüsselelemente gelten, um übermäßiger peripartaler systemischer Entzündung und damit einhergehenden Transiterkrankungen vorzubeugen. Erstkalbskühe zeigen eine besonders ausgeprägte systemische Entzündung im Vergleich zu Mehrkalbskühen, was auf ein erhöhtes Stresslevel und erhöhte Inzidenzen von schweren Kalbeverläufen, Geburtsverletzungen und Metritiden zurückzuführen ist. Das Transitkuhmanagement sollte daher besonderen Fokus auf den Komfort und die Stressreduktion für Erstkalbskühe legen. Auf Grundlage der vorliegenden Ergebnisse kann die zusätzliche Behandlung von frisch abgekalbten Milchkühen mit einem NSAID, hier: Finadyne® Transdermal, für Erstkalbskühe in Betrieben mit erhöhtem Risiko für systemische Entzündung p.p. vorteilhaft sein. Für Mehrkalbskühe kann die Behandlung derzeit nicht empfohlen werden. Zukünftige Forschungsprojekte sollten die Effekte von anderen Behandlungsregimes mit Finadyne® Transdermal (beispielsweise mehrfache Anwendung) bei Milchkühen im frühen postpartalen Zeitraum untersuchen.