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Fachbereich Veterinärmedizin


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    Evaluierung der Säure-Basen-Homöostase während experimentell induzierter mykobakterieller Infektionen mit akutem und chronischem Verlauf bei Ziegen (2022)

    Art
    Hochschulschrift
    Autor
    Bassis, Stefanie (WE 2)
    Quelle
    Berlin: Mensch & Buch Verlag, 2022 — X, 146 Seiten
    Verweise
    URL (Volltext): https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/35559
    Kontakt
    Institut für Veterinär-Physiologie

    Oertzenweg 19 b
    14163 Berlin
    +49 30 838 62600
    physiologie@vetmed.fu-berlin.de

    Abstract / Zusammenfassung

    Einleitung und Aufgabenstellung: Zwei Berechnungs- und Interpretationsweisen zur Evaluierung des Säure-Basen-Haushaltes (SBH) stehen aktuell zur Verfügung: die traditionellen Berechnungen, basierend auf der Henderson-Hasselbalch-Gleichung (Blutgase; HCO3-; base excess, BE; Anionen Lücke, AG) und das Modell der starken Ionen (strong ion difference, SID; acid total, Atot; strong ion gap, SIG). Vor- und Nachteile beider Methoden werden kontrovers diskutiert. Die Auswirkungen von somatischem Wachstum bei Jungtieren, der Ernährungsphysiologie beim Wiederkäuer sowie die Effekte von Infektionskrankheiten auf den SBH wurden bislang nur unzureichend erfasst. Im internationalen Schrifttum waren vor Beginn dieser Untersuchungen keine altersabhängigen, speziesspezifischen SBH-Daten für Ziegen zu finden. Die Ziele dieser Arbeit waren, die Auswirkungen von (i) somatischem Wachstum und Fütterung auf den SBH bei Ziegen im ersten Lebensjahr sowie (ii) von krankheits-assoziierten Veränderungen im Zusammenhang mit Mykobakterien-Infektionen auf den SBH zu charakterisieren. Für beide Fragestellungen bestand ein drittes Ziel darin, (iii) die traditionellen Variablen des SBH und die Stewart-Variablen vergleichend zu betrachten, um Aussagekraft und klinische Anwendbarkeit beider Betrachtungsweisen zu evaluieren. Tiere, Material und Methoden: Basierend auf einem etablierten und standardisierten Großtiermodell fanden zwei genehmigte Tierversuchsvorhaben an insgesamt 95 Ziegen statt. Alle Tiere wurden innerhalb des ersten Lebensmonats in die Versuchseinrichtung eingestallt. Insgesamt 70 Lämmer wurden anhand oraler Inokulation einer mykobakteriellen Exposition ausgesetzt (Mycobacterium avium subsp. paratuberculosis, MAP, n=49; Mycobacterium avium subsp. hominissuis, MAH, n=21). Nichtinokulierte Kontrolltiere erhielten die übliche Milchaustauscher-Tränke (n=25). Die Dauer eines jeden Tierversuchs umfasste einen Zeitraum von bis zu 14 Monaten. Nach statistischer Evaluierung wurden die Daten beider Versuchsreihen als eine Grundgesamtheit zusammengefasst und entsprechend zwei verschiedener Fragestellungen ausgewertet (STUDIE I und II): In STUDIE I wurden die Einflüsse von somatischem Wachstum und Ernährung innerhalb des ersten Lebensjahres bei gesunden Ziegen auf den SBH evaluiert (n=25; nicht-inokulierte Kontrolltiere). In STUDIE II wurden die Effekte der Mykobakterien-Infektionen auf den SBH untersucht. In diese Auswertung konnten 48 der mit MAP inokulierten und 18 der mit MAH inokulierten Tiere eingeschlossen werden. Venöse Blutproben wurden über die gesamte Versuchsdauer hinweg im Abstand von 4 Wochen gewonnen. Heparinisiertes Vollblut diente der Blutgasanalyse (inklusive der Ermittlung von BE) sowie der Messung der Konzentrationen von Elektrolyten und Metaboliten (Glucose, L-Laktat). Im Serum wurden die Konzentrationen von anorganischem Phosphat (iP), Total Protein (TP), Globulinen und Albumin (Alb) bestimmt. Die SBH-Variablen AG, SID, Atot und SIG wurden rechnerisch ermittelt. Atot und SIG wurden sowohl auf Basis von Alb als auch von TP berechnet (Atot Alb, Atot TP, SIGAlb, SIGTP). Ergebnisse: STUDIE I Innerhalb der ersten 4–5 Lebensmonate war im Blut der gesunden Tiere ein signifikanter Abfall von Glucose, L-Laktat und iP sowie ein signifikanter Anstieg von TP, Alb und Gamma Globulinen zu beobachten. Dadurch kam es zu einem Anstieg von Atot Alb und Atot TP. Nach dem 5. Lebensmonat zeigten sich über etwa 2 Monate hinweg tendenziell erniedrigte Blut-pH-Werte, die mit signifikant niedrigeren Konzentration an HCO3- sowie von BE einhergingen. Keine altersabhängigen Trends waren bezüglich der im Blut gemessenen Elektrolyt-Konzentrationen sowie für die SBH-Variablen AG, SID und SIG feststellbar. STUDIE II 50 % (9/18) der mit MAH inokulierten Ziegen entwickelten einen akuten schweren Krankheitsverlauf (Apathie, Fieber, Durchfall) und verstarben innerhalb der ersten 10 Wochen post inoculationem oder wurden basierend auf humanen Endpunkten euthanasiert. Dabei wurden signifikant niedrigere Konzentrationen von Na+, Ca2+, Alb, und TP sowie höhere Konzentrationen von Gamma Globulinen im Blut festgestellt. Es zeigte sich eine gemischte Säure-Base-Störung mit Alkalose (BE und HCO3- nicht signifikant verändert), bei signifikant niedrigeren Werten für SID, Atot Alb, Atot TP sowie erniedrigtem SIG. Die verbleibenden 9 der MAH-exponierten Tiere und alle mit MAP inokulierten Ziegen (n=48) entwickelten einen chronischen subklinischen Krankheitsverlauf. Mit zunehmender Chronizität zeigte sich ein tendenzieller Anstieg von Gamma Globulinen und TP im Blut. Zugleich war die Konzentration von Alb deutlich vermindert, woraus niedrigere Atot Alb und höhere Atot TP Werte resultierten. Diskussion und Schlussfolgerungen: Es wurden neue, grundlegende Erkenntnisse zum SBH bei somatisch und metabolisch reifenden Wiederkäuern im ersten Lebensjahr sowie bezüglich der Effekte mykobakterieller Infektionen gewonnen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Komplexität physiologischer oder infektions-assoziierter Einflüsse auf den SBH nur anhand der zusätzlichen Betrachtung der Stewart-Variablen in ihrer Gesamtheit erfasst werden können und bestätigen die Bedeutung des Modells der starken Ionen für die korrekte Beurteilung des Säure-Basen-Status.