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Die bakterielle Kontamination des männlichen Genitaltraktes und vor allem des Seminalplasmas von Bullen ist ein bekanntes Problem in der Rinderzucht. Pathogene Bakterien, die venerische Erkrankungen verursachen, wurden in den letzten Jahren intensiv untersucht. Im Gegensatz dazu ist das Wissen über kommensale Bakterien des Genitaltraktes von Bullen bislang sehr gering. Aus diesem Grund war es das Ziel dieser Studie, kommensale Bakterien aus dem bovinen männlichen Genitaltrakt zu isolieren und deren Effekt auf endometriale Epithelzellen und bovine Spermien in vitro zu untersuchen. 57 Seminalplasmaproben von 40 verschiedenen Zuchtbullen wurden untersucht. Zusätzlich wurden bei 12 geschlachteten Mastbullen Tupferproben von Penisspitze und Präputium genommen. Bakterien wurden in speziellen Nährmedien für die Anzucht von Milchsäurebakterien inkubiert. Erhaltene Isolate wurden durch eine Sequenzierung der 16S-rDNA charakterisiert. Endometriale Epithelzellen wurden bis zur zweiten Passage kultiviert und dann in Ko-Kultur mit isolierten Bakterien verbracht. Diese Ko-Kultur fand immer in drei unterschiedlichen „multiplicities of infection“ (MOI 1, 5 und 10) statt. Jeder untersuchte Bakterienstamm wurde mit Zellen von mindestens vier verschiedenen Schlachttieren kokultiviert. Eine Untersuchung der Zellviabilität via Trypanblau-Färbung wurde alle 24 Stunden über einen Zeitraum von drei Tagen durchgeführt. Zusätzlich wurden endometriale Epithelzellen für einen Zeitraum von sechs Stunden ko-kultiviert, welche alle zwei Stunden lysiert wurden. Diese Zell-Lysate dienten der Untersuchung der Chemokin-X-Ligand (CXCL) 1/-2-, CXCL3-, CXCL5-, Interleukin (IL) 6-, IL8- und Prostaglandin-Endoperoxid-Synthase 2-(PTGS2) mRNA-Expression. Dies geschah durch eine reverse Transkription und anschließender Real-time-PCR. Bovine Spermien wurden nach der Samengewinnung für bis zu 4 Stunden mit unterschiedlichen Milchsäurebakterien in dem Verdünner Triladyl kokultiviert. Nach 2 und 4 Stunden wurde via computergestützer Vitalitätsanalyse (CASA) die progressive Motilität der Spermien ermittelt. Die bakteriologische Untersuchung des Seminalplasmas von Zuchtbullen ergab bei 27 der insgesamt 54 Proben kein Nachweis von Bakterien. In 27 Proben konnten Bakterien charakterisiert werden; darunter einige Spezies der Gattungen Staphylococcus, Streptococcus und Bacillus. Allerdings konnten in vier Proben, welche von drei verschiedenen Bullen stammten, Milchsäurebakterien isoliert werden. Drei der Isolate wurden als Lactobacillus (L.) mucosae (L. mucosae 8.1, 8.2 und 31) identifiziert und ein weiteres Isolat als Leuconostoc mesenteroides. Bei den Tupferproben des Genitaltraktes von Mastbullen konnten in allen Proben Bakterien isoliert werden. Darunter war einmal Streptococcus sp. und Corynebacterium sp., während alle anderen Isolate den Milchsäurebakterien zugerechnet werden. Ein Isolat wurde als Lactococcus garviae und alle anderen als Pediococcus spp. (n = 28) oder Weissella spp. (n = 3) identifiziert. Alle vier isolierten Milchsäurebakterien aus dem Seminalplasma wurden weiterführend untersucht, während aus den Isolaten der Mastbullen nur fünf Isolate zufällig ausgesucht und weiter untersucht wurden. Einige der Isolate führten nach Ko-Kultur zu einem Zelltod der Epithelien, während andere Isolate nach 72 Stunden keine Veränderungen an endometrialen Epithelzellen bewirkten. L. mucosae 8.2, L. mucosae 31 und Leuconostoc mesenteroides führten nicht zu Veränderungen der Zell-Viabilität, während Enterococcus faecalis, Lactococcus garviae, Pediococcus acidilactici, Pediococcus pentosaceus, Weissella thailandensis und Weissella hellenica teilweise bereits nach 24 Stunden zu einem vermehrten Zelltod und zu einer verringerten Konfluenz der endometrialen Epithelzellen führten. L. mucosae 8.2, Pediococcus acidilactici, Pediococcus pentosaceus und Weissella hellenica führten nicht zu Veränderungen der mRNA-Expression der untersuchten pro-inflammatorischen Faktoren, während L. mucosae 8.1, L. mucosae 31 und Leuconostoc mesenteroides zu einer signifikanten Erhöhung der mRNA-Expression von einigen pro-inflammatorischen Faktoren führten. Die Ko-Kultur von bovinen Spermien mit Milchsäurebakterien zeigte, dass L. buchneri, isoliert aus dem bovinen Uterus, Leuconostoc mesenteroides und L. mucosae 8.1 nicht zu Veränderungen der progressiven Motilität führten. L. mucosae 8.2 und L. mucosae 31 hingegen führten bereits nach 2 Stunden zu einer geringfügigen Verringerung der progressiven Motilität boviner Spermien um maximal 5,5 %. Nach 4 Stunden wurde nur bei L. mucosae 8.2 eine Verringerung der progressiven Motilität um 4,3 % beobachtet. Abschließend lässt sich festhalten, dass kommensale Bakterien im bovinen männlichen Genitaltrakt existieren. Es wurden nur wenige Isolate aus dem Seminalplasma isoliert, während von den Schleimhäuten des Genitaltraktes aller Bullen Milchsäurebakterien kultiviert werden konnten. Der Einfluss dieser Bakterien auf das Uterusepithel und auf bovine Spermien in vitro ist speziesspezifisch sehr unterschiedlich.