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Unspezifische klinische Veränderungen, chronische Krankheitsverläufe, verzweifelte Pferdebesitzer und fehlendes Wissen um eine Erkrankung, die sich experimentell bislang nicht reproduzieren ließ, führen zu Unsicherheit in der Borreliendiagnostik bei Pferden. Das Fehlen eines einheitlichen Krankheitsbildes oder pathognomonischer klinischer Veränderungen wie in der Humanmedizin und auch die mangelnde Standardisierung der Untersuchungsmethoden tragen ihr Übriges zur Verunsicherung bei. Ziele dieser Arbeit waren es, Einblicke in die Seroprävalenzen von Borrelia burgdorferi sensu lato (Bbsl) und Anaplasma phagocytophilum (Ap) Infektionen bei Pferden in Deutschland zu erlangen, Risikofaktoren für eine Infektion zu ermitteln und das Krankheitsbild der equinen Lyme-Borreliose (ELB) besser einzugrenzen zu können. Hierzu sollte eine kranke Fallgruppe mit klinischem ELB-Verdacht mit einer gesunden Kontrolltiergruppe verglichen werden, wobei für die Untersuchung jedes Verdachtstieres ein Kontrolltier aus demselben Stall Voraussetzung war. Im Rahmen dieser Studie wurden Blutproben von Pferden aus ganz Deutschland mittels ELISA und Immunoblot auf Bbsl- und mittels eines validierten Snap-Tests (SNAP® 4Dx Plus® ELISA) auf Ap-Antikörper untersucht. Umfangreiche Fragebögen für Pferdebesitzer betroffener Patienten und behandelnde Tierärzte dienten der Erhebung begleitender Daten zum Signalement, Krankheitsbild, medizinischer Vorgeschichte und der Erhebung von Risikofaktoren für die Erregerexposition. Insgesamt wurden 236 Pferde in die Studie eingeschlossen, davon 123 kranke Fall- bzw. Verdachtstiere und 113 gesunde Kontrolltiere. Die Probenerhebung fand von Mai 2017 bis August 2018 statt. Regionale Unterschiede in der Seroprävalenz konnten festgestellt werden: In Süddeutschland (27,3 %) wurden häufiger als in Norddeutschland (17,5 %) Nachweise von Bbsl-Antikörpern erbracht (p=0,022). Auch die Chance für den Nachweis von Antikörpern, die auf Koinfektion mit Ap hindeuteten, ist in Süddeutschland höher (OR=3,1 (1,195-7,848)). Für die ELB charakteristische klinische Veränderungen konnten mit dem gewonnenen Datenmaterial nicht herausgearbeitet werden. Die Tierärzteschaft zeigte sich gespalten, was ihre Einschätzung der klinischen Relevanz der ELB beim Pferd generell betrifft: 51,4 % der Tierärzte gaben an eine klinisch manifeste Lyme-Borreliose Erkrankung beim Pferd in der Praxis gesehen zu haben, während der Rest (48,6 %) die Existenz ausschloss oder selbst noch keine Fälle gesehen hatte. Der serologische Nachweis infektionsspezifischer Antikörper mittels Zweistufentest und ergänzendem C6-Peptid-Schnelltest liefert einen wichtigen Hinweis auf Bbsl- und Ap-Infektionen, kann und darf jedoch eine eingehende Diagnostik nicht ersetzen. Serologische Befunde müssen stets im Kontext mit den beobachteten klinischen Veränderungen sowie vorberichtlicher Zeckenexposition interpretiert werden. Die Diagnosestellung sollte zudem nur nach Ausschluss anderer Differentialdiagnosen erfolgen und kann durch die Besserung klinischer Erscheinungen spätestens innerhalb einer Woche nach eingeleiteter erregerspezifischer Antibiose gestützt werden. Ohne konkreten Verdacht muss derzeit von einer unspezifischen Testung auf Antikörper gegen Bbsl oder Ap abgeraten werden. Vorhandene Prophylaxemaßnahmen sollten nach Risikoabwägung sinnvoll eingesetzt werden.