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Seit 2006 sind antimikrobielle Fütterungszusatzstoffe in der Europäischen Union (EU) verboten. Um das Auftreten der verlustreichen Post-weaning Diarrhea (PWD) in der Ferkelaufzucht zu reduzieren, welche vor allem durch enterotoxische E. coli (ETEC) hervorgerufen wird, werden bislang verschiedene Strategien angewendet. Hierzu zählt die zum Teil exzessive Fütterung von Zinkoxid, welches nach Magenpassage als zweiwertiges Kation vorliegt (Zn2+). Gene, die Resistenzen gegen kationische Spurenelemente vermitteln, sind häufig mit antimikrobiellen Resistenzgenen co-lokalisiert. Daher wurde in früheren Studien die Hypothese aufgestellt, dass Zink-Fütterung eine der Ursachen für die Ausbreitung resistenter Bakterien darstellt. Bis heute sind die Effekte der zinkreichen Fütterung auf die intestinale Bakterienpopulation beim Schwein, v.a. auf die E. coli-Population, nicht vollständig geklärt. Vor diesem Hintergrund wurden in dieser Arbeit die phänotypischen und genotypischen Charakteristika einer re-präsentativen Auswahl von E. coli-Isolaten zur Aufklärung des Einflusses von Zink als Futterzusatzstoff auf die intestinale E. coli-Population beim Schwein untersucht. Insgesamt wurden 179 E. coli-Isolate aus einer Zinkfütterungsstudie mit Absatzferkeln betrachtet. 99 Isolate wurden aus der Zinkfütterungsgruppe (high-zinc fed group [HZG]) und 80 Isolate aus der Kontrollgruppe (control group [CG]) des letzten Beprobungstages (52. Tag) zufällig ausgewählt. Alle Isolate wurden auf Zinktoleranz, antimikrobielle und Schwermetall-Empfindlichkeiten geprüft. Dazu wurden minimale Hemmkonzentrationen (MHK) durch ein Mikrodilutionsverfahren ermittelt. Darüber hinaus wurden Ganzgenomanalysen zur Detektion von antimikrobiellen Resistenz-, Schwermetalltoleranz- und Biozidresistenzgenen sowie Viru-lenz-assoziierten und Bakteriozin-assoziierten Genen über eine in-house BLAST-basierte Pipeline (Treffer bei ≥ 90% Sequenzähnlichkeit) durchgeführt. Auf Grundlage eines Maximum Common Genome Alignements aller Isolate wurde ein phylogenetischer Baum erstellt. Um genetische Unterschiede der Abstammungslinie zu identifizieren, wurde eine Bayesian Analysis of Population Structure angewandt. In dieser Studie wurden drei verschiedene Zinkchlorid- (ZnCl2) MHK-Werte bei E. coli ermittelt: (1) 128 µg/ml (HZG: 2%, CG: 6%), (2) 256 µg/ml (HZG: 64%, CG: 91%) und (3) 512 µg/ml (HZG: 34%, CG: 3%; p < 0,001). Die enge Verteilung der ZnCl2-MHK-Werte lässt auf eine natürlich vorkommende E. coli-Population schließen. Zwischen höheren ZnCl2 MHK-Werten und Isolaten der Zinkfütterungsgruppe sowie niedrigen ZnCl2 MHK-Werten mit Isolaten der Kontrollgruppe bestand eine statistisch signifikante Assoziation (lineares gemischtes Regressionsmodell, p = 0,005). Dieses Ergebnis kann auf einen Selektionsvorteil ver-schiedener kommensaler E. coli-Populationen in Anwesenheit hoher Zinkmengen im Schweinefutter hinweisen. Die Zinkchlorid-Toleranzwerte in dieser Studie zeigen jedoch keinen statistischen Zusammenhang zum Auftreten eines Antibiotikaresistenz-Phänotyps. Isolate der höheren ZnCl2 MHKs von 512 µg/ml wiesen zum Teil (n=19/36) zwei neue F (engl. Fertility) -Plasmide auf, die neben diversen antimikrobiellen Resistenzgenen (aadA1, dfrA1, sul1, sul3 und tetA) auch Schwermetalltoleranzgene (merRTPCDAB und arsRP) sowie Biozidresistenzgene (qacL und unterbrochenes qacE [qacEΔ1]) beinhalteten. Zink-resistenzgene, die für andere Spezies bereits beschrieben sind, wurden auf den Plasmiden nicht lokalisiert. Die bisher publizierte Literatur hatte verschiedene Gene als verantwortlich für eine Zinkresistenz gesehen, einschließlich zitB und zntA, die für Zink-Exporter codieren, und pit, welches für einen unspezifischen anorganischen Phosphat-Transporter codiert. Ganzgenom-Untersuchungsdaten von Genen, die an der Zinkhomöostase beteiligt sind, offenbaren ein vollständiges Vorhandensein nahezu aller bislang genannten Gene und Faktoren in den E. coli-Isolaten dieser Studie, ein Zinkresistenzgen wurde nicht identifiziert. Die phylogenetischen Analysen zeigten keine Assoziation zwischen den ermittelten Zinkchlorid-Toleranzwerten und der phylogenetischen E. coli-Populationsstruktur in der Studie. Die Bayesian Analysis of Population Structure-Cluster spiegelten ausschließlich die Sequenz- resp. Serotypen wider. Das Ergebnis weist darauf hin, dass eine Zinktoleranz keine Eigenschaft eines bestimmten phylogenetischen Hintergrundes ist. Insgesamt traten weniger Virulenz-assoziierte Gene (41% vs. 65% in Isolaten der Kontrollgruppe, p < 0,001) und Bakteriozin-assoziierte Gene (22% vs. 35% in Isolaten der Kontrollgruppe, p = 0,002) in Isolaten der Zinkfütterungsgruppe auf. Hier zeichnet sich ein Effekt der Zinkfütterung auf das Vorkommen dieser Gene in der intestinalen E. coli-Population ab. Die Verteilung bestimmter Virulenzdeterminanten wies auf deutliche Unterschiede im Auftreten verschiedener assoziierter E. coli-Pathotypen (enterotoxische E. coli [ETEC], enteropathogene E. coli [EPEC], Shigatoxin bildende E. coli [STEC]) in beiden Fütterungs-gruppen hin (1% HZG, 14% CG). Zink scheint nicht nur die intestinale Zusammensetzung von porzinen E. coli-Populationen hinsichtlich der Phänotypen mit erhöhter Zinktoleranz zu be-günstigen, sondern auch die Populationsdichte potenziell pathogener Isolate zu verringern. Weitere Untersuchungen über die Mechanismen, die an der Entwicklung der Zinktoleranz in E. coli beteiligt sind, müssen folgen, insbesondere Forschungsarbeiten zur zinkinduzierten Stressantwort durch vergleichende Transkriptom-Analysen.