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Die Stimulation der Kalziumresorption kann der Hypokalzämie von Milchkühen in der Frühlaktation entgegenwirken. Bioaktive Pflanzenlipide (PBLC), allen voran Menthol, sind als Agonisten für nicht-selektive Kationenkanäle aus der transienten receptor potential (TRP)-Familie bekannt und wurden kürzlich im Pansen von Wiederkäuern nachgewiesen. PBLC stimulierten akut die ruminale Kalziumresorption ex vivo und zogen in vivo höhere Blutkalziumkonzentrationen bei Rindern nach sich. Das Ziel der vorliegenden Dissertation war der Nachweis der Reproduzierbarkeit der positiven mentholinduzierten Effekte vom Rind beim Modelltier Schaf und darüber hinaus die Aufklärung der Kalziumresorptionsmechanismen im Gastrointestinaltrakt. Dazu wurden 24 Schafe in eine Kontroll- (Kon-), PBLC-L- und PBLC-H-Gruppe aufgeteilt, welche 0, 80 und 160 mg/d einer Mischung mentholreicher PBLC erhielten. Nach vier Wochen wurden allen Versuchstieren Blutproben entnommen und auf spezifische In-vivo-Parameter untersucht. Das Epithel des Pansens und Jejunums wurde auf mRNA-Expressionsniveau von TRPA1, TRPV3, TRPV5-6 und TRPM6-8 sowie Claudin (Cldn)1, -2, -3, -4, -7, Occludin (Occl) und Zonula Occludens (ZO)1 und -2 analysiert. Kalzium- und Fluoresceinfluxraten und die elektrophysiologischen Eigenschaften von Pansen- und Jejunumepithelien wurden in Ussing-Kammern in An- und Abwesenheit von mukosalem Natrium sowie in Abwesenheit von Magnesium gemessen. Akute Veränderungen der Kalziumfluxraten wurden nach mukosaler Applikation von 50 μM Menthol gemessen. Die mentholreiche PBLC-Supplementierung resultierte in einem Trend zu erhöhten Kalziumblutkonzentrationen. Im Pansen stieg die Cldn7-Expression mit steigender PBLC-Dosis linear, während ZO2 quadratisch anstieg. Im Jejunum tendierten TRPA1, TRPV5, TRPV6, Cldn4 und ZO2 mit zunehmender PBLC-Dosis dazu, linear abzunehmen. Im Pansen kam es zu einer Kalziumnettoabsorption, während das Jejunum eine hohe passive Kalziumpermeabilität, aber keinen Nettotransport zeigte. Die Kalziumnettofluxraten im Pansen stiegen mit der PBLC-Fütterung quadratisch an und verringerten sich unter natriumfreier mukosaler Inkubation. Die Fluoresceinfluxraten im Pansen wurden nicht von der Fütterung beeinflusst. Im Jejunum verminderte sich der Fluoresceintransport in mukoserosale Richtung. Im Pansen stieg der Stromfluss in beiden PBLC-Fütterungsgruppen an. Die akute Mentholapplikation stimulierte die mukoserosale Kalziumfluxraten lediglich im Pansen, wobei die Stimulation beider PBLC-Gruppen höher ausfiel. Es lässt sich zusammenfassen, dass der Kalziumtransport im Pansen als aktiver und transzellulärer Prozess abläuft. Dabei ist höchstwahrscheinlich der durch Menthol stimulierbare TRPV3 maßgeblich beteiligt. Die Supplementierung mit mentholreichen PBLC erhöht die transzelluläre Kalziumresorption im Pansen und sensibilisiert diese für eine akute Stimulation durch Menthol. Im Gegensatz dazu ist sowohl ein funktioneller als auch struktureller PBLC-Effekt in den verabreichten Dosierungen im Jejunum nicht nachweisbar. Der Einsatz einer Kombination aus PBLC-Langzeitsupplementierung mit akuter Mentholgabe um den Geburtszeitraum erscheint als vielversprechende Alternative oder Ergänzung zu den gängigen Hypokalzämiepräventionsmaßnahmen. Eine abschließende Beurteilung erfordert weitere Untersuchungen an Kühen um den Geburtszeitraum.