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In Deutschland werden die Anwendung, Abgabe oder Verschreibung von Arzneimitteln durch das AMG und die TÄHAV gesetzlich geregelt. Diese Regelungen sehen vor, dass für die Behandlung von Tieren Arzneimittel angewandt werden, die für die Tierart und das Anwendungsgebiet zugelassen sind. Nur im Fall eines Therapienotstandes dürfen gemäß der so genannten Umwidmungskaskade nach § 56a des AMGs Arzneimittel umgewidmet oder hergestellt werden. Dies ist dann der Fall, wenn im Einzelfall für die Behandlung kein Arzneimittel zur Verfügung steht, welches für die betroffene Tierart oder das konkrete Anwendungsgebiet zugelassen und die arzneiliche Versorgung des Tieres ansonsten ernsthaft gefährdet ist. Im Bereich der Augenheilkunde stehen nur wenige, für die Tiermedizin zugelassene Arzneimittel zur Verfügung, was dazu führt, dass häufig auf ein Arzneimittel zurückgegriffen werden muss, das für den Menschen zugelassen ist. Seit dem 01.03.2018 ist eine überarbeitete Form der TÄHAV in Kraft, welche die Anwendung von Antibiotika, unter anderem bei der Katze, weiter reglementiert und einschränkt. Ziel dieser Dissertation war es, Daten über das Vorkommen und die Häufigkeit von Erkrankungen des Katzenauges zu gewinnen sowie die Häufigkeit der Umwidmung von Arzneimitteln bei diesen Erkrankungen darzustellen. Basierend auf einer Literaturrecherche wurden für 26 ausgewählte Erkrankungen theoretische Behandlungspläne („lege artis“) erstellt. Diese wurden anschließend mit Blick auf die Durchführbarkeit aufgrund der Verfügbarkeit von Arzneimitteln und rechtlichen Aspekten in Deutschland überprüft und diskutiert. Als klinische Datengrundlage wurden Untersuchungsdaten von 876 Katzen der Abteilung für Ophthalmologie der Klinik für kleine Haustiere der Freien Universität Berlin und der Kleintierpraxis am Aischbach in Gerlingen (Baden-Württemberg) im Zeitraum vom 01.01.2015 bis 31.12.2018 ausgewertet. Es wurden 1198 Untersuchungsergebnisse bei 925 durchgeführten ophthalmologischen Untersuchungen ermittelt. Zu den am häufigsten vorkommenden Erkrankungen zählen die Konjunktivitis, Keratitis, Uveitis, hypertensive Retinopathie und das Glaukom. 78,1 % (n=722) dieser Fälle wären therapiepflichtig gewesen. Im Studienzeitraum (01.01.2015 – 31.12.2018) standen der Tierärzteschaft acht für Katzen zugelassene ophthalmologische Tierarzneimittel für therapeutische Zwecke zur Verfügung. Um die Beispielpopulation lege artis zu therapieren, wären in 68,8 % (n=497) der Fälle Arzneimittel umgewidmet worden. Zu 96,8 % (n=481) hätte es sich dabei um die Umwidmung von humanmedizinischen Arzneimitteln gehandelt. Erkrankungen, wie ein retrobulbärer Prozess, eine Tränenfilminstabilität oder Keratokonjunktivitis siccs (KCS), Chlamydien- und / oder Mykoplasmeninfektion der Konjunktiva, eine Erosion und ein Ulkus der Hornhaut sowie eine hypertensive Retinopathie können auf Grundlage der Verfügbarkeit von Arzneimitteln und der rechtlichen Aspekte in Deutschland optimal medizinisch versorgt werden. Die Umwidmung von veterinärmedizinischen und / oder humanmedizinischen Arzneimitteln kann in diesen Fällen mit dem Therapienotstand nach § 56a des AMGs ausreichend begründet werden. Mydriatika, Virustatika und Arzneimittel für die Therapie des felinen Glaukoms mussten im Untersuchungszeitraum immer umgewidmet werden, da keine für die Veterinärmedizin zugelassenen Medikamente vorhanden waren. Für die medizinisch korrekte Versorgung von häufig auftretende Erkrankungen wie die Keratokonjunktivitis, Uveitis oder das Glaukom musste für über 60 % der Krankheitsfälle eine Umwidmung erfolgen. Dagegen hätten nur 27,9 % der Patienten mit einer hypertensiven Retinopathie mit nicht zugelassenen Arzneimitteln behandelt werden müssen. Die Ergebnisse zeigen im Blick auf Deutschland Einschränkungen in der Gestaltung der Therapie von Augenerkrankungen bei der Katze zum einen aufgrund von gesetzlichen Vorschriften und zum anderen bedingt durch die mangelnde Verfügbarkeit wirksamer Arzneimittel. Diese Lücke könnte durch eine möglichst breite Zulassung von Ophthalmologika in Bezug auf die Tierart und das Anwendungsgebiet sowie durch die Entwicklung und Erforschung neuer Wirkstoffe und Tierarzneimittel, insbesondere für die lokale Therapie des felinen Auges, geschlossen werden.