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Weißstörche (Ciconia ciconia) zählen in Deutschland mit etwa 4.000 Brutpaaren zu den gefährdeten Vogelarten. Seit dem Jahr 2005 kam es in der Ostpopulation zu wiederholten massiven Einbrüchen (regional über 30%) in der Zahl der aus den Überwinterungsgebieten zurückkehrenden Altvögel und im Bruterfolg. Gleichzeitig wurde erstmals über ungewöhn-liche Totalverluste ganzer Bruten durch Pilzinfektionen der Atemwege berichtet. Während Pilze als Infektionserreger in der Geflügelwirtschaft und in der Gefangenschaftshaltung von Wildvögeln zu größeren Verlusten führen können, war dagegen über die Bedeutung von Pilzinfektionen bei Wildvogelnestlingen bislang nichts bekannt. An Beispielen wie der Chitridiomykose der Amphibien und des White-Nose- Syndrome der Fledermäuse zeigt sich mit welcher Rasanz neu auftretende Pilze als Infektionserreger unvermittelt ganze Wildtierpopulationen in ihrer Existenz bedrohen können. Das Ziel der vorliegenden Arbeit war daher die Identifizierung von Ursachen der Nestlingssterblichkeit unter besonderer Berücksichtigung der Bedeutung von Pilzinfektionen. In einem Drei-Jahres- Zeitraum zwischen 2007 und 2009 wurden 103 verendete Weißstorchnestlinge histopathologisch untersucht und die Todes- und Erkrankungsursachen festgestellt. Dabei wies insgesamt mit 45,6% eine unerwartet hohe Zahl an Tieren eine mykotische Pneumonie auf. Bei einem großen Prozentsatz der Tiere wurden zudem Traumata als unmittelbare Todesursache identifiziert. Lediglich acht Nestlinge zeigten eine letale bakterielle oder parasitäre Infektion. Interessanterweise waren etwa 95% der Nestlinge mit mykotischer Pneumonie im ersten Drittel ihrer Nestlingszeit verendet. Anhand der Wachstumsmorphologie der aus Lungengewebe isolierten Pilze sowie mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) und nachfolgender Sequenzierung der pilzspezifischen Internal Transcribed Spacer-Region wurden in allen Fällen Schimmelpilze als Infektionserreger identifiziert. Dabei zeigte sich mit einer Infektionsrate von 60% eine herausragende Bedeutung von Aspergillus fumigatus gefolgt von verschiedenen Zygomyzeten-Spezies. Bislang gänzlich unbekannte Pilze konnten nicht identifiziert werden. In einem Fall wurde mit Thermomyces lanuginosus ein Pilz bestimmt, der bisher noch nicht als Infektionserreger für den Respirationstrakt bekannt war. Obwohl Aspergillen als Verursacher der sogenannten invasiven Aspergillose des Atmungstrakts von Menschen und Tieren bereits lange bekannt sind, stellt die Diagnostik aufgrund von falsch- positiver Ergebnisse durch Kontamination und Atemwegsbesiedlung immer noch eine große Herausforderung dar. Daher wurde zur Absicherung der hier zunächst über eine konventionelle Anzucht aus infiziertem Lungengewebe generierten Ergebnisse erstmals ein diagnostisches Verfahren etabliert, das auf der Laser Capture Microdissection-Technologie basiert. Mittels pilzspezifischer Fluoreszenzfärbung können damit einzelne histologisch verifizierte intraläsionale Pilz-strukturen durch einen UV-A-Laser steril mikrodisseziert werden und anschließend mittels PCR und nachfolgender Sequenzierung bestimmt werden. Daneben konnte mit dem Verfahren gezeigt werden, dass es sich bei aviären A. fumigatus-Infektionen offenbar um polyklonale Infektionen handelt. Basierend auf den bisherigen Untersuchungsergebnissen wurde die Hypothese aufgestellt, dass bestimmte A. fumigatus-Stämme aus Weißstorch-Nestlingen eine höhere Prävalenz und Virulenz aufweisen. Zur Überprüfung dieser Hypothese wurden mittels Multilocus Microsatellite Typing-Verfahren 61 klinische Isolate und Umweltisolate von sechs, teils über vier Jahre wiederholt betroffenen Horststandorten genotypisiert. Im Ergebnis zeigte sich eine große genetische Diversität und entgegen der ursprünglichen Hypothese keine Cluster-Bildung, die Rückschlüsse auf das Vorliegen einer höheren Prävalenz einzelner Stämme an bestimmten Horststandorten zulassen würde. Dagegen konnte das Vorkommen polyklonaler A. fumigatus-Infektionen in Vögeln auch mit diesem Verfahren und mittels Multiplex-PCR zum Nachweis beider Kreuzungstypen bestätigt werden. Nachfolgend wurde eine repräsentative Auswahl der genotypisierten Stämme in einem neuen Infektionsmodell auf der Basis embryonierter Hühnereier einer Untersuchung auf ihr Virulenzpotential unterzogen. Die Mehrheit der klinischen Stämme und Umwelt-stämme zeigte dabei in dem in-vivo-Modell eine vergleichbar große Virulenz. Zusammengefasst kann die Hypothese, dass bestimmte A. fumigatus-Stämme aus Weißstorch-Nestlingen eine höhere Prävalenz und Virulenz aufweisen, durch die eigenen Daten nicht unterstützt werden. Vielmehr deuten die Ergebnisse daraufhin, dass weitere, bisher unbekannte Faktoren zu der hohen Infektanfälligkeit der Weißstörche im ersten Drittel ihrer Nestlingszeit gegenüber diesen Pilzen beitragen. Daher werden gegenwärtig klimatologische Analysen durchgeführt, um mögliche Umweltstressoren zu identifizieren. Erste Ergebnisse lassen einen Zusammenhang zwischen einem abrupten Temperaturabfall und dem einige Tage späteren Verenden der Vögel durch Pilzinfektionen erkennen. Zukünftige Arbeiten sollten diesen Zusammenhang weiter beleuchten und zur weiteren Klärung des Einflusses von Schimmelpilzinfektionen und anderen Faktoren auf die Stabilität der Weißstorchpopulation ein langfristiges systematisches Monitoringprogramm umfassen.