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Fachbereich Veterinärmedizin


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    Publikationsdatenbank

    Aussagekraft von Versuchen zur Hämokompatibilitätsforschung von Hämofiltern (2010)

    Art
    Hochschulschrift
    Autor
    Eger, Lisa Babette (WE 2)
    Quelle
    Berlin: Mensch und Buch Verlag, 2010 — V, 116 Seiten
    ISBN: 978-3-86664-819-7
    Verweise
    URL (Volltext): https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/8059
    Kontakt
    Institut für Veterinär-Physiologie

    Oertzenweg 19 b
    14163 Berlin
    +49 30 838 62600
    physiologie@vetmed.fu-berlin.de

    Abstract / Zusammenfassung

    Die unzureichende Biokompatibilität vieler Medizinprodukte stellt ein großes Risiko für die Patienten dar. Vor dem klinischen Einsatz muss das Material in- vitro, in-vivo und in klinischen Studien unter anderem einer Biokompatibilitätstestung unterzogen werden. Unterschiedliche Versuchsaufbauten, verschiedene Spezies oder Erkrankungen können dabei einen großen Einfluss auf die Biokompatibilitätsreaktionen von Materialen haben. Inwieweit das Zusammenspiel verschiedener Biokompatibilitätsreaktionen, welche durch die verschiedenen Module des extrakorporalen Kreislaufs (Filter, Katheter, Schläuche, Pumpe, Luft- und Clotfallen) ausgelöst werden, und auch der Kontakt des Blutes mit anderen Körperkompartimenten einen Einfluss auf die Biokompatibilität haben, ist in der Literatur bisher kaum vertreten (Lucchi et al., 2006). Bedenkt man, dass neben den beschriebenen Variationen auch noch Interaktionen mit der Begleittherapie auftreten können, wird deutlich, wie schwierig sich der Versuch gestaltet, verlässliche Prognosen aus in-vitro- Studien für die Biokompatibilitätsreaktion im Patienten zu stellen. In der vorliegenden Arbeit wird anhand eines Vergleichs von in-vitro- und in-vivo- Ergebnissen einer Hämofiltration untersucht, ob es trotz eines aufeinander abgestimmten Versuchaufbaus (in-vitro und in-vivo) zu unterschiedlichen Messergebnissen bezüglich der Biokompatibilität, also zu unerwarteten Einflussgrößen durch die verschiedenen Modelle kommt und ob sich die Biokompatibilitätsprognose aus den in-vitro-Versuchen in-vivo bestätigt. Dafür wurde ein dynamisches rezirkulierendes in-vitro-Hämofiltrationsmodell verwendet, welches für zwei Stunden mit Hilfe einer Pumpe mit 2 Litern Schweineblut durchspült wurde. Das vom Schlachthof gewonnene Schweineblut wurde dabei mit einer Infusionslösung substituiert. Bei fünf verschiedenen Infusionslösungen wurden jeweils sechs Versuchsläufe durchgeführt. Im kontinuierlichen venovenösen in-vivo-Hämofiltrationskreislauf an vollnarkotisierten Schweinen wurden die gleichen Infusionen und Materialien verwendet, wie auch die entsprechenden Flussraten gewählt, soweit dies durchführbar war. Auch hier wurden pro Infusionstyp jeweils sechs Experimente an verschiedenen Schweinen durchgeführt. Ziel der Studie war es, für beide Modelle, in-vitro und in-vivo, ein Ranking für den Einfluss der verschiedenen Infusionslösungen auf die Druckverhältnissen im Hämofilter, die Gerinnungsparameter und das Blutbild zu erstellen. Diese Rankings wurden anschließend verglichen. Obwohl eine bestmögliche Konvergenz beider Modelle vorliegt, zeigen die Ergebnisse deutlich, dass die Aussagekraft von in-vitro- Studien zur Biokompatibilität stark beschränkt ist: es ergeben sich kaum Übereinstimmungen zwischen den in-vitro- und in-vivo-Ergebnissen hinsichtlich des infusionsspezifischen Einflusses. Bei den Druckverhältnissen am Filter zeigen das in-vitro- und das in-vivo-Diagramm jeweils verschiedene Messergebnisse der einzelnen Infusionsgruppen. Die HES 130-Gruppe scheint sowohl in-vitro wie auch in-vivo einen positiven Einfluss auf den TMP-Wert zu haben. In dieser Gruppe bleiben die Messergebnisse unter 17 kPa. Bei den Gerinnungsparametern ergeben sich zum Teil überraschende Ergebnisse. Obwohl die meisten Faktoren für die Gerinnungsaktivierung gut standardisiert werden können, lässt sich hinsichtlich der Gerinnungsparameter der wichtigste Unterschied zwischen den beiden Modellen nicht eliminieren: in-vitro handelt es sich um ein selbsterschöpfendes System, in dem es mit ablaufender Gerinnung zu einem Verbrauch an Gerinnungsfaktoren kommt, während in-vivo Regenerations- und Mobilisationsvorgänge aller Blutbestandteile möglich sind. Die Aussagekraft eines in-vitro-Modells hinsichtlich der Gerinnungsaktivierung ist damit auf spezifische Eigenheiten der Infusionslösungen begrenzt (fibrinogensparender Effekt von HES 130, Erythrozyten schonender Effekt von GEL). So ergeben sich wenige Parallelen zwischen den in-vitro- und in-vivo- Diagrammen zur Gerinnungsaktivierung. Überraschenderweise zeigen die Messergebnisse zu den AT III-Konzentrationen eindeutig infusionsspezifische Eigenschaften: obwohl im in-vivo-System eine Heparinzufuhr Einfluss auf die AT III-Werte nimmt, können hier die Ergebnisse von in-vitro auf in-vivo übertragen werden: die Hydroxyethylstärken haben in beiden Modellen den günstigsten Einfluss auf die AT III-Konzentrationen. HES 130 zeigt in-vitro am Versuchsende über 110 %, in-vivo über 95 % des Ausgangswertes. Konstante AT III-Werte, wie sie vor allem in der H130-Gruppe gemessen werden, sind aus klinischer Sicht wünschenswert. Bezüglich des Blutbildes bestärken sich beispielsweise in der HES 130-Gruppe die in-vitro-Ergebnisse in-vivo: neben ansteigenden Zellzahlen (Hämatokrit steigt in-vitro auf ca. 145 %, in-vivo auf ca. 120 % des Ausgangswertes, Thrombozyten liegen in-vitro bei ca. 95 %, in- vivo bei ca. 120 % des Ausgangswertes und bei den Leukozyten werden in-vitro- Werte von ca. 100 %, in-vivo von ca. 150 % des Ausgangswertes gemessen) kommt es zu einem eher geringen Hämolysegeschehen. In der NaCl-Gruppe hingegen widersprechen sich die in-vitro- und die in-vivo-Messergebnisse: kommt es in- vitro noch zu signifikant hohen Messergebnissen der Zellzahlen, ergeben sich in-vivo in dieser Infusionsgruppe sehr niedrige Werte: in-vitro steigt der Hämatokrit beispielsweise im Laufe des Versuchs auf 200 % des Ausgangswertes, in-vivo fällt er auf ca. 75 % des Ausgangswertes ab. Somit können hier weder Aussagen über spezifische Auswirkungen der Kolloide auf die Blutzellen noch über Interaktionen einer Hämofiltration auf die Blutzellen von den in-vitro- Ergebnissen auf in-vivo-Versuche übertragen werden. Der Vergleich der Messergebnisse beider Modelle zeigt, dass nur vereinzelt vergleichbare Werte zur Druckentwicklung am Filter, Gerinnungsaktivierung oder Veränderungen des Blutbildes gemessen werden. So ergibt sich beispielsweise nur für einen Gerinnungsfaktor (AT III) eine hundertprozentige Bestätigung des infusionsspezifischen Einflusses. Der Hauptanteil der gemessenen Parameter ist methodenbedingt beeinflusst. Dennoch kann dargestellt werden, dass es eine Übereinstimmung der aus den in-vitro-Daten erstellten Prognose hinsichtlich des Einflusses der Infusionslösungen auf die Gesamtbiokompatibilität der CVVH gibt. Für die Erstellung der Biokompatibilitätsprognose aus den in-vitro-Daten erweist es sich jedoch als wesentlich, bereits innerhalb des in-vitro-Systems weniger den einzelnen Parameter als Endergebnis zu betrachten, als vielmehr die Konsequenz der Parameterverläufe für die Filterfunktion (Clotting, Fouling, Clogging) als Biokompatibilitätsfaktor für die Prognose mit einzubeziehen. Insgesamt zeigt sich anhand der Ergebnisse dieser Arbeit, dass die unter in-vitro-Bedingungen fehlende Interaktion von Blutbestandteilen und anderen Körperzellen und Kompartimenten einen großen Einfluss auf die Messergebnisse hat. Bevor verlässliche Aussagen aus in-vitro-Daten für die in- vivo-Situation oder sogar für die Kliniksituation getroffen werden können, scheint es wesentlich, dass zunächst die Reaktion des gesamten Organismus anhand von Organfunktionen oder histomorphologischen Untersuchungen überprüft wird. Hierzu bedarf es einer Reihe von konsequenten in-vitro- versus in-vivo- Studien.