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Zur ventralen zervikalen Spondylodse wurde jahrzehntelang der trikortikale Beckenkammspan als Implantat der Wahl genutzt. Neben einer relativ hohen Entnahmemorbidität zeigten sich jedoch auch immer wieder biologische und biomechanische Probleme bei der Verwendung dieses Implantats. Der Einsatz von metallischen Cages führt bei Untersuchungen mittels bildgebender Verfahren häufig zu Problemen aufgrund von materialassoziierten Artefaktbildungen. Alternative Cagedesigns aus Karbon oder PEEK erlauben zwar eine ungestörte Bildgebung, sind den metallischen Cages jedoch im Hinblick auf deren biomechanische Qualitäten häufig unterlegen. Biodegradierbare Implantatmaterialien erlauben eine ungestörte Bildgebung und verbleiben als Folge der Degradation nicht als Dauerimplantate im Intervertebralraum. Langzeitergebnisse für die Verwendung von biodegradierbaren Implantatmaterialien zur ventralen zervikalen Spondylodese sind bisher kaum beschrieben. In der vorliegenden In-vivo-Langzeitstudie wird das Einheilungsverfahren eines biodegradierbaren Resorboncages im Vergleich zum autologen trikortikalen Beckenkammspan mittels bildgebender Verfahren am Tiermodell analysiert. Hierzu wurde bei insgesamt 46 weiblichen Merinoschafen eine ventrale zervikale Spondylodese im Wirbelkörpersegment C3/C4 durchgeführt. Bei 32 Tieren (Gruppe 2a, 2b, 2c, 2d; n = 8) wurde nach Diskektomie ein Resorboncage implantiert, bei den restlichen 14 Tieren (Gruppe 1a, 1b: n = 4; Gruppe 1c, 1d: n = 3) ein trikortikaler Beckenkammspan. Die Wirbelkörpersegmente wurden zusätzlich durch eine ventrale Platte und 2 Kortikalisschrauben stabilisiert. Prä-und postoperativ sowie nach 1, 2, 4, 8 und 12 Wochen wurden konventionelle Röntgenbilder der Halswirbelsäulen im lateralen und ventro-dorsalen Strahlengang angefertigt. Im weiteren Verlauf der Studie wurden diese Aufnahmen bis zur 36. Woche in vierwöchigem Abstand und danach im achtwöchigem Abstand wiederholt. Anhand dieser Röntgenbilder wurden Bandscheibenraumhöhen, Intervertebral- und Lordosewinkel, Implantatmigration und Schraubenbruch ermittelt. Die Euthanasie der Tiere erfolgte Gruppenspezifisch nach 12 Wochen (Gruppe 1a, 2a), 36 Wochen (Gruppe 1b, 2b), 52 Wochen (Gruppe 1c, 2c) und 100 Wochen (Gruppe 1d, 2d) Standzeit. Im Anschluss wurden an den isolierten Halswirbelsäulen funktionsradiologische sowie qualitative und quantitative computertomographische Untersuchungen zur Evaluierung der Wirbelkörperfusion durchgeführt. Zusätzlich wurden die Parameter Knochendichte, Kallusvolumen und Cagevolumen ermittelt. Der Resorboncage zeigt bis zur 36. Woche postoperativ die besseren distraktiven Eigenschaften als der Beckenkammspan. Im weiteren Verlauf lassen sich diesbezüglich zwischen den beiden Implantatgruppen kaum noch Unterschiede verzeichnen. Die Reduktion der Bandscheibenraumhöhen ist mit einer Sinterung des Resorbonimplantats in die angrenzenden Wirbelkörperendplatten sowie einem Kollaps des Beckenkammimplantats zu begründen. Die intraoperative angestrebte Lordosierung des Wirbelkörpersegments kann in der Gruppe der Resorbontiere über den gesamten Zeitraum als nahezu konstant betrachtet werden, während es in der Gruppe der Beckenkammtiere im Durchschnitt nach 2 Wochen zu einer Re Kyphosierung der Wirbelkörpersegmente kommt. Nach 12 Wochen Standzeit zeigte sich eine Implantatmigration nach ventral bei 78 Prozent der mit einem Resorboncage versorgten Tiere. Nach 36 Wochen war dies bei 96 Prozent und nach 52 Wochen bei 100 Prozent der Tiere der Fall. Dieser Parameter konnte in der Beckenkammgruppe aufgrund der schlechten Darstellbarkeit des Implantats nicht ausgewertet werden. Schraubenbrüche kamen in beiden Gruppen zu großen Anteilen vor, in der Gruppe der Beckenkammtiere ließen sich gebrochene Schrauben vor allem in Wirbelkörper C3 und in der Resorbongruppe vor allem in C4 erkennen. Die funktionsradiologischen Untersuchungen ergaben zwischen den Implantatgruppen zu keinem Zeitpunkt statistische Unterschiede. In beiden Gruppen konnte im Verlauf der Zeit eine zunehmende Steifigkeit des Wirbelkörpersegments dokumentiert werden. Bei der Berechnung der Kallusvolumina innerhalb und ventral des ehemaligen Bandscheibenraumes ergab sich, dass in der Resorbongruppe zu allen Zeitpunkten im Median ein größeres zentrales Kallusvolumen zu messen war. Dagegen ließ sich in der Beckenkammgruppe zu allen Zeitpunkten ein im Median größeres ventrales Kallusvolumen nachweisen. Das Cagevolumen zeigte nach 12 und 36 Wochen kaum Unterschiede zu dem initialen Cagevolumen. Nach 52 Wochen konnte eine deutliche Zunahme des Volumens dokumentiert werden. Nach 100 Wochen konnte das Cagevolumen aufgrund fortgeschrittener Degradationsvorgänge nicht mehr gemessen werden. Die Auswertungen der computertomographischen Aufnahmen zeigten, dass in der Resorbonguppe anfänglich eine sehr gute, den Fusionskriterien entsprechende Knochenneubildung im Intervertebralraum zu erkennen war. In der Beckenkammgruppe waren derartige Erfolge erst nach 36 Wochen zu erkennen und konnten auch nach 52 und 100 Wochen gemessen werden. In der Resorbongruppe lagen die Fusionsraten nach 52 Wochen bei 100 Prozent, während nach 100 Wochen dies nur bei 50 Prozent der Fälle beobachtet werden konnte. Nach 100 Wochen Standzeit konnten bei 50 Prozent der Resorbontiere hochgradige ossäre Defekte in den Wirbelkörpern sowie ein prolabiertes, massiv aufgequollenes und fragmentiertes Implantat festgestellt werden. Die vorliegende Studie zeigt, dass der anfänglich vielversprechende Resorboncage nicht als Implantat zur ventralen zervikalen Spondylodese verwendet werden kann.