Königsweg 65
14163 Berlin
+49 30 838 62261
klauentierklinik@vetmed.fu-berlin.de
Ziel der vorliegenden Studie war es, die Wirksamkeit der peroralen Applikation eines handelsüblichen Ergänzungsfuttermittels in flüssiger Form (Milki®-Kuhtrank) für Rinder auf die postoperative Rekonvaleszenz von Milchkühen, die aufgrund einer linksseitigen Labmagenverlagerung mittels der „Roll & Toggle“-Methode nach GRYMER und STERNER behandelt wurden, zu prüfen. Zu diesem Zweck wurden insgesamt 53 Milchkühe, die außer einer linksseitigen Labmagenverlagerung keine schwerwiegenden Begleiterkrankungen aufwiesen, zufällig einer Versuchsgruppe oder einer Kontrollgruppe zugeordnet. Die Reposition des verlagerten Labmagens erfolgte in beiden Gruppen mithilfe der „Roll & Toggle“-Methode (GRYMER u. STERNER 1982a). Alle Tiere der Studie erhielten im Anschluss an die Labmagenoperation eine intravenöse Infusion von 500 ml einer 40 %igen Glukoselösung. Zusätzlich wurde den Patienten der Versuchsgruppe nach erfolgter Infusion der Glukoselösung der Kuhtrank zur freiwilligen Aufnahme angeboten. Den Tieren, die den Trank nicht oder nur unvollständig aufnahmen, wurde der Trank mittels Nasenschlundsonde verabreicht. Die Tiere der Studie wurden unmittelbar vor der Operation sowie am ersten, am fünften und am zehnten Tag p.op. klinisch untersucht. An diesen Tagen erfolgten ebenfalls die Entnahme von Blutproben sowie die Gewinnung einer Harnprobe zur Untersuchung ausgewählter Parameter des Wasser- und Elektrolythaushaltes sowie des Energiehaushaltes und der Leberfunktion. Während des gesamten Beobachtungszeitraumes wurden die Tagesmilchleistung und die Futteraufnahme erfasst. 1.) Akzeptanzrate und Applikation des Kuhtrankes Insgesamt nahmen 4 Tiere (15,4 %) die Gesamtmenge des Trankes und 5 Tiere (19,2 %) eine Teilmenge des Trankes selbstständig auf. Den verbleibenden 17 Tieren (65,4 %), welche die Aufnahme des Trankes verweigerten, wurde dieser Trank per Nasenschlundsonde verabreicht. 2.) Postoperative Komplikationen Ein Einfluss der Verabreichung des Kuhtrankes auf die Entstehung von postoperativen Komplikationen (Wundkomplikation, Peritonitis, Rezidiv, Abgang des Tieres) konnte bei den untersuchten Tieren nicht festgestellt werden. 3.) Zusätzliche therapeutische Maßnahmen a. Anwendung einer systemischen Antibiose Die Tiere der Studie wurden parenteral mit einem Antibiotikum behandelt, wenn es im Verlauf der Studie unabhängig von der Ursache zu einem Anstieg der Körperinnentemperatur auf ≥ 39,5°C kam, ebenso bei Wundkomplikationen oder begründetem Peritonitisverdacht. Hinsichtlich der Anzahl der systemischen Antibiotikagaben waren im Vergleich der Behandlungsgruppen keine statistisch nachweisbaren Unterschiede zu verzeichnen. b. Zusätzlich erforderliche Glukoseinfusion Alle Tiere, bei denen an einem oder an mehreren Untersuchungstagen während der Beobachtungszeit mithilfe des „Precision® Xceed™“ ein Blut-BHB-Wert von ≥ 1,4mmol/l festgestellt wurde, erhielten eine Infusion mit 500 ml einer 40 %igen Glukoselösung. Tiere der Versuchsgruppe benötigten innerhalb des Beobachtungszeitraumes eine signifikant höhere Anzahl an Glukoseinfusionen als Tiere der Kontrollgruppe. Es ist jedoch zu beachten, dass die absolute Anzahl der Infusionen beider Gruppen miteinander verglichen wurde und somit kein Bezug zu einem Ausgangswert besteht. Die Tiere der Versuchsgruppe wiesen zu Beginn der Studie deutlich niedrigere Serumglukosekonzentrationen und deutlich höhere BHB Konzentrationen im Serum auf als die Tiere der Kontrollgruppe. Anhand des stärkeren Energiedefizits der Tiere der Versuchsgruppe wird die höhere Anzahl an Glukoseinfusionen dieser Gruppe verständlich. 4.) Postoperative Entwicklung der klinischen Parameter a. Klinische Parameter Die Befunde der klinischen Untersuchung (Herz-, Atemfrequenz, Körperinnentemperatur, Frequenz der Pansenkontraktionen und Pansenfüllung) lassen keine statistisch sicherbaren Unterschiede zwischen der Versuchs- und Kontrollgruppe erkennen. b. Futteraufnahme und Tagesmilchleistung In beiden Behandlungsgruppen kam es während des Beobachtungszeitraumes zu einer signifikanten Steigerung der mittleren Tagesmilchleistung sowie der mittleren täglichen Futteraufnahme, jedoch nicht zu statistisch absicherbaren Unterschieden zwischen beiden Gruppen. 5.) Entwicklung der labordiagnostischen Parameter a. Wasserhaushalt Die Probanden beider Gruppen wiesen am Tag der Operation eine Hämokonzentration auf. Bei den Tieren der Versuchsgruppe gelang mithilfe der oralen Applikation des Kuhtrankes im Vergleich zu den Tieren der Kontrollgruppe eine schnellere Rehydratation. b. Elektrolythaushalt Die Veränderungen des Elektrolyt- und Energiehaushaltes entsprachen den Beobachtungen anderer Autoren bei Kühen mit linksseitiger Labmagenverlagerung, jedoch bestanden für einzelne Parameter Unterschiede zwischen den Probandengruppen: • In der postoperativen Entwicklung des Elektrolythaushaltes konnte bei den Tieren der Versuchsgruppe von Tag 0 zu Tag 5 ein signifikanter Abfall der mittleren Natriumkonzentration im Serum verzeichnet werden, welcher einen signifikanten Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen bedingte. Hinsichtlich der Magnesiumkonzentration im Serum war in der Versuchsgruppe ein signifikanter Abfall zu verzeichnen, der zu einem signifikanten Unterschied im Vergleich beider Behandlungsgruppen führte. Da sich sowohl die mittleren Natriumkonzentrationen als auch die mittleren Magnesiumkonzentrationen im Serum beider Gruppen während des gesamten Beobachtungszeitraumes innerhalb des Referenzbereiches befanden, ist den genannten signifikanten Unterschieden keine nennenswerte physiologische Bedeutung beizumessen. • In der Entwicklung der anderen in dieser Studie untersuchten Elektrolyte (Kalzium, Phosphat, Kalium, Chlorid) waren keine signifikanten Unterschiede im Vergleich beider Gruppen zu verzeichnen. c. Energiestoffwechsel • Hinsichtlich der Entwicklung der postoperativen Glukosekonzentration im Serum zeichnete sich für die Versuchsgruppe ein leichter Vorteil ab (signifikanter Anstieg von Tag 0 zu Tag 1), zwischen den beiden Behandlungsgruppen konnten jedoch während des gesamten Beobachtungszeitraumes keine signifikanten Unterschiede ermittelt werden. • Aufgrund eines signifikanten Abfalls der GLDH-Aktivität im Serum der Tiere der Versuchsgruppe von Tag 0 zu Tag 10 und des signifikanten Unterschiedes im Vergleich der Gruppen von Tag 0 zu Tag 10 kann angenommen werden, dass bei den Tieren der Versuchsgruppe die mittlere GLDH-Aktivität zum Ende der Studie deutlicher abgesunken ist als bei den Tieren der Kontrollgruppe. • Die Tiere der Versuchsgruppe wiesen bezüglich der mittleren GGT-Aktivität im Serum einen signifikanten Abfall von Tag 0 zu Tag 1 auf, welcher zu einem signifikanten Unterschied im Vergleich beider Gruppen führte. Während des gesamten Beobachtungszeitraumes befanden sich die mittleren GGT-Aktivitäten beider Gruppen jedoch innerhalb des Referenzbereiches, weshalb den genannten signifikanten Unterschieden keine nennenswerte physiologische Bedeutung beigemessen werden kann. • Die weiteren Parameter (Gesamtbilirubinkonzentration im Serum, AST Aktivität im Serum, NEFA Konzentration im Serum, BHB Konzentration im Serum, Ketonkörperkonzentration im Harn, mithilfe des „Precision® Xceed™“ ermittelte BHB Konzentration im Blut und Cholesterin Konzentration im Serum) lassen in ihrer Entwicklung keine relevanten Unterschiede beider Behandlungsmethoden auf den Energiestoffwechsels erkennen. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass durch einmalige Verabreichung des Kuhtrankes an Milchkühe im Anschluss an die operative Behebung einer linksseitigen Labmagenverlagerung mittels „Roll & Toggle“-Methode (GRYMER u. STERNER) im Vergleich zu unbehandelten Kontrolltieren eine beschleunigte Rehydratation sowie ein schnelleres Absinken der Aktivität des Leberenzyms GLDH erzielt werden konnte. Auf die weiteren Parameter des Energiestoffwechsels und des Elektrolythaushalts, die klinischen Parameter sowie die Futteraufnahme und Tagesmilchleistung hatte die Applikation des Kuhtrankes keine wesentlichen Effekte.