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Fachbereich Veterinärmedizin


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    Publikationsdatenbank

    Schaffleisch als Lebensmittel in den Zeiten der Prionen:
    Anwendung des Prinzips der Risikoanalyse (2011)

    Art
    Hochschulschrift
    Autor
    Begemann, Wiebke (WE 9)
    Quelle
    Berlin: Mensch und Buch Verlag, 2011 — III, 159 Seiten
    ISBN: 978-3-86664-924-8
    Verweise
    URL (Volltext): https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/2069
    Kontakt
    Institut für Fleischhygiene und -technologie

    Brümmerstr. 10
    14195 Berlin
    +49 30 838 52790
    fleischhygiene@vetmed.fu-berlin.de

    Abstract / Zusammenfassung

    Während sich bisher alle Aufmerksamkeit auf die mögliche Übertragung des BSE- Agens vom Rind auf den Menschen richtete, wurde in dieser Arbeit das Schaf als möglicher Überträger einer TSE auf den Menschen in den Vordergrund gestellt. Um die Gefahr einer Infektion mit einer Prionkrankheit durch Schaffleisch für den Menschen einzuschätzen, wurde die verfügbare Literatur nach den Vorgaben der Risikoanalyse nach dem von der FAO/WHO 1995 vorgestellten Prinzip aufgearbeitet. Die Risikoanalyse ist unterteilt in die Abschnitte Risiko- Bewertung, Risiko-Management und Risiko-Kommunikation. In der Risiko-Bewertung wurde als verursachendes Agens der transmissiblen spongiformen Encephalopathien das Prion identifiziert. Das Prion (PrPSc) ist eine strukturell veränderte und dadurch pathologische Form des cellulären Prion- Proteins (PrPC), das natürlicherweise im Körper vorkommt. Prionen können nur schwer vollständig inaktiviert werden, da sie eine sehr hohe Tenazität besitzen. Die Gefahr ist charakterisiert durch eine steigende Anzahl Scrapie- Fälle weltweit und innerhalb Deutschlands, wie Auswertungen der Statistiken des Internationalen Tierseuchenamtes (OIE) ergaben. Die Übertragung von Prionen findet vor allem durch orale Aufnahme statt, wobei sich Verletzungen und Entzündungen der Schleimhäute des Gastrointestinaltraktes als begünstigend für die Aufnahme von Prionen in das Gewebe des Darms herausstellten. Ferner zeigt sich die Gefahr darin, dass die ursprünglich als resistent oder nahezu resistent angenommenen Genotypen nachweislich auch an Scrapie erkranken können. Eine weitere Gefahr stellt die nicht vergleichbare Pathogenese der BSE beim Rind mit Scrapie oder BSE beim Schaf dar, da es beim Schaf auch zu einer Ausbreitung der Prionen ins Lymphsystem und in einige Organe kommt. Sowohl bei Scrapie als auch bei BSE finden sich Prionen im Gastrointestinaltrakt, dem Lymph- und Nervensystem, in Milz, Tonsillen, 3. Augenlid, Thymus, Retina, Zunge, Nebennieren und Plazenta. Das BSE-Agens konnte zusätzlich in Leber, Blut und Muskulatur nachgewiesen werden. Das Scrapie-Agens ist vermutlich nicht humanpathogen. Jedoch kann das Vorkommen des BSE-Agens in der Schafpopulation nicht ausgeschlossen werden und da dieses Agens für Menschen pathogen ist, stellt es eine Gefahr dar. Für Prionkrankheiten gibt es zum Zeitpunkt 2008 weder für Menschen noch für Tiere eine Therapie. Der Konsument kann durch den Verzehr potentiell infizierten Gewebes mit dem Agens in Kontakt kommen. Entsprechende Gewebe und Rezepte für deren Zubereitung sind verfügbar. Die Auswertung von Daten verschiedener Quellen zeigt einen unverminderten Konsum von Schaffleisch. Publizierter Beiträge von öffentlichen Einrichtungen zeigten in der Risiko-Charakterisierung, dass das Risiko für den Konsumenten als niedrig eingeschätzt oder nicht diskutiert wurde. Im Risiko-Management stand die Verordnung (EG) 999/2001 mit Vorschriften zur Verhütung, Kontrolle und Tilgung bestimmter transmissibler spongiformer Enzephalopathien im Vordergrund. Sie führte unter anderem das Spezifizierte Risikomaterial (SRM), regelmäßige Probennahmen, standardisierte Testverfahren, die Genotypisierung und das Verfütterungsverbot für Tiermehl ein. In Zusammenhang mit dieser Verordnung steht auch die Verordnung (EG) 854/2004 des EU- Lebensmittelhygienepakets mit aktuellen Vorschriften zur Schlachttier- und Fleischuntersuchung. Die Bewertung des Risiko-Managements führte zu dem Ergebnis, dass die durchgeführten Maßnahmen nicht ausreichen, um jegliches Risiko durch Prionen für den Konsumenten durch den Verzehr von Schaffleisch auszuschließen, obwohl das Risiko-Management bereits in allen betroffenen Bereich eingeleitet wurde. Vor allem im Bereich der Ausschlacht- und Zerlegetechnik und bei den Bestimmungen zur Durchführung der Fleischuntersuchung sind übertragungstechnisch Mängel festgestellt worden. Die Bestimmungen des SRM erfassen nicht alle potentiell infektiösen Gewebe. Im Nachweis von Scrapie sind Lücken vorhanden, die auf den Testverfahren und dem Testmaterial beruhen. Der Nachweis einer Prionkrankheit erfolgt in der Obex- Region der Medulla oblongata, welche erst spät in der Pathogenese Prionen aufweist. Die Grundlage des Zuchtprogramms, die Genotypisierung, führt nicht zu einer Herausstellung vollständig resistenter Individuen. Eine weitere Schwachstelle im Management ist die nicht auszuschließende Möglichkeit, dass auch Risikogewebe vom Schaf inklusive des SRM im Einzelhandel zu beziehen sind. Wenn ein humanpathogenes TSE-Agens in der Schafpopulation vorkommt, dann reichen die derzeitigen Maßnahmen aus den oben genannten Gründen nicht aus, um ein Risiko durch Schaffleisch für den Konsumenten auszuschliessen.