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In einer Vielzahl von Studien konnte eine hohe Adaptationsfähigkeit des embryonalen Organismus gegenüber verschiedenen Einflüssen während der Inkubation belegt werden. Die Fähigkeit zur Anpassung hat Effekte zur Folge, die temporär oder permanent die Entwicklungsbahn des Hühnerembryos beeinflussen und verändern können. Anpassungsbzw. kompensatorische Reaktionen beispielsweise auf einen hypoxischen Einfluss können zum einen im Blut- (HÜHNKE & TÖNHARDT, 2004) und in der Amnionflüssigkeit (NAU, 2010) nachgewiesen werden und zum anderen Einfluss auf physiologische Regelsysteme und Organe haben. So konnte in verschiedenen Studien ein positiver Einfluss einer nichtventilierten Inkubation und folglich einem erhöhten CO2-Gehalt in der Inkubationsluft auf die allgemeine embryonale Entwicklung beobachtet werden. Mit der vorliegenden Forschungsarbeit wurde neben der nicht- ventilierten Inkubation erstmals ein Inkubationsmedium erzeugt, dass einen gesteigerten CO2-Gehalt bei gleichbleibendem O2- Gehalt simulierte. Damit war es möglich, die eigentlichen Effekte des CO2-Gehaltes ohne einen milden Sauerstoffmangel, der während der nicht-ventilierten Inkubation entsteht, näher zu charakterisieren. Da ein Einfluss der nicht-ventilierten Inkubation auf das Aszites- Syndrom diskutiert wird, wurde besonders die Entwicklung des Herzen betrachtet. In beiden Gruppen mit erhöhten CO2-Werten kam es zu einem gesteigerten Metabolismus, der sich in einer stärkeren Zunahme von Größe und Masse in der Broiler-Linie Ross zeigte. In der nicht-ventilierten Gruppe der Broiler-Linie Ross zeigten sich zusätzlich auch Effekte am Herzen. So kam es zu einer reaktiven Hyperplasie, die vermutlich als Folge der milden Hypoxie in der sensiblen Phase des Hühnerembryos zwischen D 6 und D 12 auftrat. Anschließend schien sich eine fetale Hypertrophie vor allem in der rechten Ventrikelwand und im Septum zu entwickeln, die an D 18 beobachtet werden konnte. Sie könnte ähnlich der fetalen Hypertrophie beim Menschen eine Folge des erhöhten Blutzuckerspiegels sein. Denkbar ist auch eine physiologische Reaktion durch den im Ei entstehenden Sauerstoffmangel vor allem im letzten Inkubationsdrittel, denn das Organwachstum und damit das Zellwachstum erfolgt proportional zur Sauerstoffversorgung (ASSON-BATRES, STOCK, HARE, & METCALFE, 1989), die vor allem in den Ross-Tieren der NVG relativ schlechter ist als in den anderen Versuchsgruppen. Es ist nicht auszuschließen, dass diese Reaktion eine Prädisposition, postnatal am Aszites-Syndrom zu erkranken, nach sich ziehen kann. Die Inkubation unter erhöhten CO2-Konzentrationen aber gleichbleibenden Sauerstoffgehalten könnte somit einen Ansatz für die Verbesserung der Herzgesundheit bei schnell wachsenden Mastleistungstieren wie die Tiere der Linie Ross 308 darstellen. Die Beurteilung der postnatalen Herzentwicklung und Herzmorphologie könnte ein weiterer wichtiger Bestandteil fächerübergreifender Forschung sein, um die Inkubationsbedingungen vor allem für die Hochleistungstiere weiter zu verbessern. Es konnte außerdem gezeigt werden, dass die Anpassungsreaktionen und der Grad der Beeinflussung durch die nicht-ventilierte oder hyperkapnische Inkubation abhängig von dem genetischen Hintergrund der Broiler-Linien ist und nicht bei allen Linien als Standard durchgeführt werden kann, sondern individuell entwickelt werden muss.