zum Inhalt springen

Fachbereich Veterinärmedizin


Service-Navigation

    Publikationsdatenbank

    Analgesiemonitoring bei der Ketamin-Azaperon-Allgemeinanästhesie der Schweine unter besonderer Berücksichtigung des nozizeptiven Flexorreflexes (bzw. RIII- Reflex) (2010)

    Art
    Hochschulschrift
    Autor
    Rintisch, Ulf (WE 18)
    Quelle
    Berlin: Mensch und Buch Verlag, 2010 — [4], I, 118 Seiten
    ISBN: 978-3-86664-768-8
    Verweise
    URL (Volltext): https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/3661
    Kontakt
    Nutztierklinik

    Königsweg 65
    14163 Berlin
    +49 30 838 62261
    klauentierklinik@vetmed.fu-berlin.de

    Abstract / Zusammenfassung

    Ziel dieser klinischen Studie war es, erstmalig ein quantitatives Analgesiemonitoring mittels elektromyografischer Aufzeichnung (EMG) des Nozizeptiven Flexorreflexes (NFR) und der elektroenzephalografischen Aufzeichnung (EEG) des Bispektralindex (BIS) unter der praxisüblichen Ketamin- Azaperon-Allgemeinanästhesie zu etablieren und mittels des traditionellen schmerzspezifischen Abwehrverhaltens zu überprüfen. Bei Eignung des NFR sollte insbesondere der in der Praxis zur Feststellung der chirurgischen Toleranz verwendete Zwischenklauenreflex (ZKR) als Analgesieindikator kontrolliert werden. Darüber hinaus sollte auch erstmalig die Möglichkeit der Bewusstseinskontrolle beim Schwein mithilfe des BIS erfasst werden. Mit dem NFR und den Wirkstoffspiegeln von Ketamin, Norketamin und Azaperon im Blut sollte auch geprüft werden, ob Kortisol unter der Ketamin-Azaperon- Allgemeinanästhesie als Stress- bzw. Schmerzparameter geeignet ist. Begleitend sollten mögliche unerwünschte Nebenwirkungen dieser Allgemeinanästhesie auf die Vitalparameter von Herz, Kreislauf und Atmung, insbesondere aber auch das Auftreten eines mit Ketamin assoziierten Katalepsierisikos untersucht werden. Als Modell zur Kontrolle der somatischen und viszeralen Analgesie diente die Kastration 30 klinisch gesunder, männlicher Schweine zwischen 42 und 60 kg Körpergewicht. Als somatische und viszerale Schmerzstimuli dienten die Inzsion in die Skrotalhaut, die Tunica vaginalis und die Hoden, der Zug am Samenstrang und das Quetschen und Abtrennen desselben mit einem Emaskulator sowie die Abschlussdesinfektion der Wunde. Die Allgemeinanästhesie wurde mit einer Ausgangsdosis von 20 mg/kg Ketamin (Ursotamin®) und 2 mg/kg Azaperon (Stresnil®) intramuskulär eingeleitet. Sofort nach dem Niederlegen der Tiere wurde mit der elektromyografischen Aufzeichnung des NFR über dem Musculus deltoideus im minütlichen Abstand und exakt zum Zeitpunkt einer Manipulation bzw. einem chirurgischen Schmerzstimulus begonnen. Zur Stimulation eines NFR wurde der Nervus ulnaris distal des Karpalgelenkes elektrisch gereizt. Ein Reiz bestand aus 5 Zügen, im Abstand von je 0,5 s mit je 5 Rechteckimpulsen von je 1 ms Dauer und einem Abstand von je 4 ms. Die Stimulationsstärke war supramaximal auf 45 mA begrenzt. Als Grenzwert für die Schmerzwahrnehmung wurden 40 µV festgelegt. Dieser wurde aus dem Mittelwert des Nulllinienrauschens (15 µV) plus der sechsfachen Standardabweichung berechnet. Zur Bewusstseinskontrolle und zusätzlich zum Analgesiemonitoring wurde auch der BIS mittels EEG bestimmt, das von der Stirn abgeleitet wurde. Die Kortisol-, Ketamin-, Norketamin- und Azaperonkonzentrationen wurden im Serum von 13 venenkatheterisierten Schweinen vor, während und bis 4 Stunden nach der Operation mit der Flüssigchromatografie mit Massenspektrometrie-Kopplung (LC- MS-Methode) bestimmt. Das schmerzspezifische Abwehrverhalten wurde mittels eines standardisierten semiquantitativen Scorings auf der Basis von Abwehrbewegungen und Lautäußerungen beurteilt, wobei das Fehlen beider als Score 0 (chirurgische Toleranz) definiert ist. Der Zwischenklauenreflex wurde manuell, wie unter Praxisbedingungen, überprüft. Die Sauerstoffsättigung, die endtidale Kohlendioxidkonzentration, die Herzfrequenz, der mittlere arterielle Blutdruck und die Atemfrequenz wurden zur Überprüfung möglicher anästhesiebedingter Nebenwirkungen mit dem Standardüberwachungsequipment in der Humananästhesieologie laufend aufgezeichnet. Zur Katalepsiekontrolle wurde das EMG ebenfalls laufend auf einem weiteren Kanal aufgezeichnet. Die Ergebnisse des NFR-Monitorings zeigten, dass die Ausgangsdosierung von Ketamin und Azaperon zur Unterbrechung der Schmerzweiterleitung zum Effektor (Muskel) sowohl nach somatischen als auch viszeralen Stimuli führt. Bezogen auf die chirurgische Toleranz (Score 0) lag die Testsensitivität und -spezifität des NFR bei 93% bzw. 98%. Auch postoperativ, bis mindestens zwei Stunden nach Anästhesieeinleitung (max. Aufzeichnungszeit) konnte noch eine deutliche Schmerzreduktion anhand des NFR (74 µV) festgestellt werden, die in etwa dem Score 1 entsprach. Die konstant hohen BIS-Werte im perioperativen Zeitraum zeigten, dass sich dieser nicht zur Beurteilung des Bewusstseinszustandes und der Analgesie bei Schweinen eignet. Als Analgesieindikatoren ungeeignet erwiesen sich auch die Vitalparameter und das Kortisol. Die Sensitivität und Spezifität des ZKR unter Berücksichtigung des NFR-Grenzwertes (40 µV) betrugen 92% bzw. 89%. Das EMG zur Katalepsiekontrolle lag konstant auf dem Niveau des Nulllinienrauschens. Alle Tiere zeigten in Übereinstimmung damit auch klinisch einen schlaffen Muskeltonus. Selbst bei wiederholter Nachdosierung mit Ketamin (bis 60 mg/kg insgesamt) konnten anhand der Vitalparameter keine unerwünschten Nebenwirkungen festgestellt werden. Lediglich die Atemfrequenz lag perioperativ geringfügig über dem Referenzbereich, was auf die zentral stimulierende Wirkung von Ketamin zurückgeführt werden kann.