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CO2 als Stressor wurde bereits in einigen Studien zur Inkubation von Hühnerembryonen eingesetzt, wobei es Hinweise auf einen früheren Schlupf und eine geringere Aszitesanfälligkeit bei Bebrütung mit erhöhten CO2-Werten gibt (De Smit et al., 2008). Zur Vertiefung und weiteren Aufklärung der damit im Zusammenhang stehenden Wirkmechanismen wurden in den vorliegenden Untersuchungen zwei Mastgeflügelrassen (Ross und Isa) verglichen, die sich in ihrer Ausprägung von Aszites unterscheiden. Dazu wurde untersucht, welchen Einfluss erhöhte CO2-Werte in Kombination mit Normoxie oder erhöhter Luftfeuchtigkeit und moderater Hypoxie in den ersten zehn Tagen der Inkubation auf die embryonalen Flüssigkeiten haben. Sowohl im Blut als auch in der Amnionflüssigkeit wurden ausgewählte Gasparameter (pH, pO2, pCO2, HCO3- Hb, Hkt), Elektrolyte (K+, Na+, Ca2+,Cl-) und Metabolite (Glukose, Lactat), sowie morphologische Daten (Herz- und Körpermasse) erfasst. Bei den geprüften Gasparametern konnten signifikante Rassenunterschiede durch die NV (erhöhte CO2-Werte, Hypoxie und erhöhte relative Luftfeuchte) bis D10 mit eindeutiger Tendenz provoziert werden. Die Rasse Ross hatte hierbei niedrigere pH- und pO2-Werte im Blut sowie signifikant höhere pCO2- und HCO3--Werte in Blut und Amnionflüssigkeit als Isa. Die Hb- und Hkt-Werte waren dagegen gegenüber Isa erhöht, was auf eine angepasste Sauerstoffversorgung schließen lässt. Die Bedingungen bei NV aktivieren den Stoffwechsel von Ross stärker. Gleichzeitig wird das Kohlensäure-Bikarbonat-Puffersystem bereits pränatal beansprucht (höhere HCO3--Werte). Durch dieses embryonale Training kann die Leistungsfähigkeit des Puffersystems im adulten Tier verbessert sein. Außerdem zeigten die Gasparameter eine enge Beziehung zum Alter der Embryonen. Die verschiedenen, altersabhängigen Konzentrationen zwischen den Kompartimenten (Blut und Amnionflüssigkeit) werden durch die Blut-Amnion-Barriere aufrechterhalten. Die Elektrolytkonzentrationen zeigten ebenfalls signifikante Rassenunterschiede. Unter NV waren bei der Rasse Ross höhere Na+- und K+-Werte im Vergleich zur Kontrolle nachweisbar. Die Rasse Isa reagierte dagegen kaum. Es kann angenommen werden, dass die NV-Bedingungen zu einer frühzeitigen Konditionierung der für die Wasserregulation zuständigen Hormone führen und sich so teilweise die positiven Wirkungen hinsichtlich der Aszitesanfälligkeit erklären lassen. Bei der Rasse Ross zeigten sich unter NV-Bedingungen höhere Ca2+-Werte im Blut als bei Isa. Mittels Eischalenresorption werden Ca2+ und HCO3- gewonnen, was u.a. nötig für die Pufferung im Stoffwechsel ist. Die Bedingungen der NV führten zu einer erhöhten Korrelation der Konzentrationen von Na+ und Cl- zwischen Blut und Amnionflüssigkeit. Damit wird das Zusammenwirken dieser beiden Kompartimente belegt. Die Amnionflüssigkeit dient als Reservoir für das Blut. Die Untersuchung der Metabolite ergab unter der NV Rassenunterschiede in der Glukosekonzentrationen im Blut von Ross und Isa. Ross zeigte gegenüber Isa geringere Glukosewerte, die durch den erhöhten Stoffwechsel und den damit erhöhten Glukose-Verbrauch entstehen. Die Lactat- Werte zeigten keine Veränderungen. Auch die morphologischen Parameter zeigten Rassenunterschiede unter NV. Die Körper- und Herzmassen von NV-Ross waren gegenüber NV-Isa an den meisten Inkubationstagen erhöht, was durch den Bedarf des erhöhten Stoffwechsels erklärbar ist. Die Disproportionen nahmen bei NV- Ross insgesamt stärker zu als bei NV-Isa. Mit zunehmendem Alter der Embryonen sank der Anteil der Herzmasse an der Körpermasse. Es sind strukturelle Veränderungen am Herzen denkbar, mit der sich die Leistungsfähigkeit des Herz- Kreislaufsystems erhöht. Die Austauschmechanismen in der Blut-Amnion-Barriere wurden ebenfalls durch die NV beeinflusst (erhöhte Korrelation). Der durch NV erhöhte Stoffwechsel erklärt den von De Smit et al. (2008) beschriebenen früheren Schlupf bei Ross und auch die erhöhten Körpermassen und Disproportionen. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die NV (erhöhte CO2-Werte, Hypoxie und erhöhte relative Luftfeuchte) bis D10 fast alle geprüften Parameter stark beeinflusst hat. Dabei zeigten sich deutliche Rassen- und Altersunterschiede. Ross reagierte wesentlich sensitiver auf die NV als Isa (erniedrigte pH- und pO2-Werte bzw. erhöhte pCO2-Werte). Der Stoffwechsel von Ross wurde gesteigert. Durch die NV wurden das Puffersystem und die für die Wasserregulation zuständigen Hormone pränatal geprägt (erhöhte HCO3--, Ca2+- und K+- bzw. Na+-Werte). Dies könnte postnatal zu einem leistungsfähigeren Puffer- bzw. Hormonsystem führen und die Empfindlichkeit für Aszites senken.