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Seit 2006 gilt auch Deutschland als Verbreitungsgebiet der durch Gnitzen übertragenen Blauzungenkrankheit. Es existieren Impfstoffe gegen die Serotypen 8 und 1. Da keine Kreuzimmunität gegeben ist, aber möglicherweise weitere Serotypen auftreten können, müssen die gefährdeten Wiederkäuer vor dem Stich durch Vektoren geschützt werden. Derzeit stehen keine Repellentien zur Verfügung, welche die Übertragung der Blauzungenkrankheit durch Gnitzen sicher verhindern können. Auch die einfache Aufstallung über Nacht bringt keinen ausreichenden Schutz, da einzelne Gnitzenarten endophag sind. Ziel der Untersuchungen war es, die Wirksamkeit insektizidbehandelter Netze zum Schutz von Kälbern in Igluhaltung vor Gnitzen und anderen Lästlingsinsekten zu überprüfen. Zu diesem Zweck wurde ein Feldversuch auf einer Brandenburger Milchviehanlage, am Rande des Kremmener Luchs mit einem erwarteten hohen Gnitzenaufkommen, durchgeführt. In einem ersten Versuch wurden 3 Einheiten á 5 Kälberiglus mit einem Deltamethrinbehandelten Polyesternetz (Wirkstoffgehalt 133 mg/m2) mit der Maschenweite 2,0 x 2,0 mm vernetzt. Eine Einheit wurde komplett vernetzt, d.h. die Seitenwände und das Dach waren vollständig mit Netz verkleidet. Die beiden weiteren Einheiten waren nur teilweise vernetzt, d.h. nur die Seitenwände waren mit einem Netzzaun in der Höhe von 2 m bzw. 1,5 m versehen. Eine weitere Einheit ohne Netz diente als Kontrolle. Die Insektenfänge erfolgten mittels Biogents- Sentinel UV-Lichtfallen®, die innerhalb der Versuchseinheiten positioniert wurden. Die Gnitzenfänge erfolgten über zwei Wochen in den Nächten von Montag zu Dienstag und von Dienstag zu Mittwoch jeweils von 17 bis 9 Uhr. Wider Erwarten wurden in der komplett vernetzten Einheit die meisten Gnitzen gefangen. Das in diesem Versuch eingesetzte Netz mit der Maschenweite 2,0 x 2,0 mm erwies sich somit als nicht wirksam. In einer weiterführenden Untersuchung wurde ein Lambda- Cyhalothrin- behandeltes Polyesternetz (Wirkstoffgehalt 200 mg/m2) mit einer Maschenweite von nur 1,6 x 1,7 mm eingesetzt. Eine Versuchseinheit wurde komplett vernetzt, eine zweite bis zu einer Höhe von 2 m. Die dritte Versuchseinheit wurde nicht vernetzt und diente als Kontrolle. Die Fangzeiten wurden auf vier Nächte pro Woche verdoppelt. In den ersten beiden Wochen wurden im komplett vernetzten Bereich keine Gnitzen gefangen. In den folgenden Wochen drangen auch in diesen Bereich Gnitzen ein. Über den gesamten Versuchszeitraum ergab sich keine signifikante Korrelation zwischen den Gnitzenfängen und dem Vernetzungsgrad. Die Gnitzen waren somit in der Lage auch diesen engmaschigen Netzprototypen zu durchdringen. Es lässt sich jedoch beim derzeitigen Kenntnisstand keine Aussage über eine Änderung ihres Verhaltens nach der Kontamination treffen. Das mit Lambda- Cyhalothrin behandelte Netz mit der Maschenweite 1,6 x 1,7 mm führte allerdings zu einer signifikanten Reduktion der Befallsintensität der Kälber mit Fliegen, sowohl in der komplett als auch teilweise vernetzten Einheit. Die Vernetzung hatte einen deutlichen positiven Einfluss auf das Tierverhalten: Die Kälber in den komplett bzw. teilweise vernetzten Einheiten zeigten signifikant weniger Abwehrbewegungen. Über den gesamten Versuchszeitraum konnte sowohl bei den Schwarzbunten als auch bei den Kreuzungstieren kein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen Vernetzungsgrad und Gewichtszunahme nachgewiesen werden. Die Testung der Wirkstoffpersistenz des Lambda-Cyhalothrin- behandelten Netzes erfolgte im Labor mit Hilfe der Testinsekten Musca domestica und Culicoides nubeculosus. Diese wurden den Netzproben, welche vor der Ausbringung und weiter im vierwöchigen Abstand auf dem Versuchsbetrieb entnommen wurden, für 10 Sekunden ausgesetzt. Der T 50 (Zeitpunkt, an dem 50% der Testinsekten paralysiert sind) diente als Kriterium für die Beurteilung der biologischen Wirksamkeit. Vor allem im Gnitzenbioassay zeigte sich eine stetig steigende Paralysezeit. Demnach ließ die Wirkung des Wirkstoffes kontinuierlich nach. Zum Zweck der Netzoptimierung wurden weitere Bioassays mit Netzprototypen durchgeführt, welche sich bezüglich des Wirkstoffes (Deltamethrin, Lambda- Cyhalothrin), der Wirkstoffkonzentration (100, 200, 300 mg/m2) und der Ausrüstungsart (Emulsion, Mikroverkapselung) unterschieden. Dabei zeigte sich der Wirkstoff Lambda- Cyhalothrin in allen Konzentrationen überlegen. Der Wirkstoff Deltamethrin verursachte als Emulsion eine schnellere Paralyse der Testinsekten als in mikroverkapselter Form. Die Ergebnisse dieser Arbeit sind vielversprechend. Es sollte versucht werden die Netzeigenschaften wie Maschenweite, Wirkstoff und Wirkstoffkonzentration sowie die Art der Netzausbringung in Hinsicht auf die Zielsetzung – Schutz vor Gnitzen und Lästlingsinsekten bei erhöhtem Tierwohlbefinden – unter Einschluss der Betrachtung möglicher Umweltrisiken weiter zu optimieren.