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Fachbereich Veterinärmedizin


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    Zur Wirksamkeit unterschiedlicher Netzprototypen zum Schutz von Milchvieh und Kälbern vor Überträgern (Gnitzen, Culicoides spp.) der Blauzungenkrankheit und anderen Lästlingsinsekten (2011)

    Art
    Hochschulschrift
    Autor
    Skrock, Oona (WE 13)
    Quelle
    Mensch und Buch Verlag, 2011 — XI, 153 Seiten
    ISBN: 978-3-86387-056-0
    Verweise
    URL (Volltext): https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/6683
    Kontakt
    Institut für Parasitologie und Tropenveterinärmedizin

    Robert-von-Ostertag-Str. 7-13
    14163 Berlin
    +49 30 838 62310
    parasitologie@vetmed.fu-berlin.de

    Abstract / Zusammenfassung

    Im August 2006 kam es im Dreiländereck Niederlande, Belgien und Deutschland unerwartet zum erstmaligen Auftreten der Blauzungenkrankheit, einer ursprünglich aus Afrika kommenden Viruserkrankung der Haus- und Wildwiederkäuer, die heimische Viehbestände bedrohte. Das Ziel dieser Untersuchungen war die Wirksamkeitsprüfung insektizidbehandelter und unbehandelter Netze gegen den Eintrag von heimischen Gnitzen, Vektoren der Blauzungenkrankheit, und von anderen Lästlingsinsekten (Musciden) in offene Rinderstallungen. Die Feldversuche fanden im Sommer/Herbst 2009 auf einem Milchviehbetrieb in Lögow im Landkreis Ostprignitz-Ruppin in Brandenburg statt. In einem ersten Versuch (Juni bis August 2009) wurde das wirksamste Netz in einem einfach zu kontrollierenden Versuchsaufbau ermittelt. Hierfür wurde die Kälberhaltung in Iglus ausgewählt. Es wurden zwei Versuchsgruppen aus jeweils drei Versuchseinheiten für die Wirksamkeitsprüfung der insektizidbehandelten und unbehandelten Netze gebildet. Eine Versuchseinheit bestand aus jeweils fünf Kälberiglus, in denen die Tiere (1 Kalb pro Iglu) unmittelbar nach der Geburt für drei Wochen aufgestallt wurden. Die Versuchseinheiten wurden mit dem zu untersuchenden Netz vollständig (Seitenwände und Dach) oder teilweise (Netzzaun mit einer Höhe von 1,80m) geschützt. Eine nicht vernetzte Versuchseinheit diente als Kontrolle. Die Überprüfung der Wirksamkeit erfolgte durch Fänge von Zielinsekten, indem in der Mitte jeder Versuchseinheit eine UV-Lichtfalle (Biogents Sentinel® UV- Licht Insektenfallen) installiert wurde. Die Fallen wurden wöchentlich in drei Intervallen zwischen Sonntag und Mittwoch jeweils von 17 Uhr bis 9 Uhr des Folgetages aktiviert. Gegen Ende dieses ersten Versuchs wurde auch jeweils eine insektizidfreie Fliegenklebstofffalle (Fliegenrolle für den Stall, Eurofarm, Bützberg, Schweiz) pro Versuchseinheit ausgebracht. Die Auswirkungen der Schutzmaßnahmen auf die Produktivität (Gewichtsentwicklung) und das Wohlbefinden (Abwehrverhalten und Befallsintensität mit Musciden) der Kälber wurden bei den Untersuchungen ebenfalls berücksichtigt. Das eingesetzte insektizidbehandelte Netz war ein Polyesternetz mit einer Maschenweite von 1,6 x 1,7mm, das verkapseltes Deltamethrin mit einem Ausgangsgehalt von 115mg/m2 Netz enthielt. Bei den zwei untersuchten unbehandelten Netzen handelte es sich um schwarze Maschenware aus Polyethylen mit einer unregelmäßigen Maschenweite von 0,7 bis 1,2mm sowie um ein olivfarbenes Textilgewebe mit einer gleichmäßigen Maschenweite von weniger als 1mm. Die unbehandelten Netze zeigten keine nachhaltige Reduktion von Gnitzen und Lästlingsinsekten in den geschützten Versuchseinheiten. Allerdings konnte in der mit dem zweiten unbehandelten Netz (Maschenweite unter 1mm) geschützten Einheit (Netzzaun mit einer Höhe von 1,80m) signifikant weniger Abwehrbewegungen der Kälber festgestellt werden. Mit dem insektizidbehandelten Netz konnte in der teilvernetzten Versuchseinheit eine signifikante Reduktion (p=0,001) der Gnitzen von durchschnittlich 73,6% im Vergleich zur Kontrolle erzielt werden. Entgegen der Erwartungen wurden in der komplett vernetzten Versuchseinheit aber die meisten Gnitzen (47,7%) vom Gesamtfang aller Versuchseinheiten gefangen. Allerdings konnte in dieser Versuchseinheit ein deutlicher Effekt auf Musciden beobachtet werden, der gefangene Fliegenanteil lag nur bei 6,5% vom Gesamtfang. Des Weiteren zeigte sich hier auch ein signifikant (p<0,0001) geringerer Befall der Kälber mit Musciden. Ein signifikanter Einfluss der Vernetzung auf die ermittelte Gewichtszunahme der Kälber konnte weder beim insektizdbehandelten noch bei den unbehandelten Netzen nachgewiesen werden. In einem zweiten Versuch (August bis Oktober 2009) wurde das insektizidbehandelte Netz zum Schutz eines Milchviehstalls (Interventionsstall) eingesetzt. Der gesamte Stall wurde bis auf zwei Zufahrtswege durch einen 2,20m hohen, freistehenden Netzzaun umzäunt. Ein zweiter baugleicher und parallel ausgerichteter Stall blieb unvernetzt und diente als Kontrolle. In beiden Ställen wurde an den gleichen Positionen jeweils drei UV-Lichtfallen zum Fang von Gnitzen und zwei insektizidfreie Fliegenklebstofffallen zum Fang von Musciden aufgehängt. Mit der gewählten Vernetzung konnte über die gesamte Beobachtungszeit hinweg ein nachhaltiger Effekt auf die Gnitzen- und Fliegenfangzahlen erzielt werden. Die signifikante Reduktion der Gnitzen im Interventions- gegenüber dem Kontrollstall betrug durchschnittlich 41,9% (p=0,0391), die der Musciden durchschnittlich 77,2% (p=0,0039). Für die Erhebung der Gnitzenabundanz am Standort Lögow wurden über den gesamten Versuchszeitraum (Juni bis Oktober 2009) vier UV-Licht Insektenfallen im Umfeld der Versuchseinheiten und Milchviehstallungen in- und außerhalb des Betriebsgeländes installiert. Über die gesamte Versuchsdauer des entomologischen Monitorings von Anfang Juni bis Ende Oktober 2009 blieben die Fangzahlen in den Fallen im Außenbereich und in den Versuchseinheiten sowie später in den Stallanlagen sehr gering. Die höchsten Fangzahlen wurden zwischen Ende Juni und Mitte Juli 2009 ermittelt. Die biozide Wirksamkeit des insektizidbehandelten Netzes wurde vor der Ausbringung im Feld und im Verlauf in monatlichen Abständen mittels sensibler Testinsekten (Musca domestica) im Bioassay überprüft. Die Testbox war von innen mit der zu prüfenden Netzprobe ausgekleidet. Nach einer Expositionszeit von 10 Sekunden wurden in genau definierten Zeitabständen die Paralyseraten der Testinsekten dokumentiert. Zur Beurteilung der insektiziden Wirkung diente der T50-Wert (Zeitpunkt, zu dem 50% der Testinsekten paralysiert sind). Im Fliegen-Bioassay zeigte das insektizidbehandelte Netz eine gute und persistierende insektizide Wirksamkeit über den gesamten Versuchszeitraum von 5 Monaten. Sogar nach einem Jahr im Feld hatte sich der T50-Wert im Vergleich zum Ausgangswert (4min) lediglich etwas mehr als verdoppelt (9min). Das insektizidbehandelte Netz ließ sich gut verarbeiten und eignet sich durch seine Widerstandsfähigkeit gegenüber Witterungseinflüssen (Wind) für einen Einsatz im Feld. Die gewählte Maschenweite, die Insektizidkonzentration des untersuchten Netzes sowie die Form der freistehenden Vernetzung haben sich ebenso als wirksam erwiesen. Erneute Prüfungen dieses Netzes in Gebieten mit nachweislich höherer Gnitzenabundanz sind erforderlich, um die bisherigen Ergebnisse zu bestätigen. Gleichsam unterstreicht die bestehende Problematik von nachgewiesenen Insektizidresistenzen bei Fliegen in Brandenburg sowie die bewiesene Aqua- und Kaltblütertoxizität der Pyrethroide aber auch die Notwendigkeit der Prüfung von insektizidfreien Netzen. Weiterführende Untersuchungen sollten darauf abzielen, diese Netze auf der Grundlage der bisherigen Ergebnisse zu optimieren.