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Fachbereich Veterinärmedizin


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    Publikationsdatenbank

    Tierschutz in Tunesien:
    eine Studie zum gesellschaftlichen Bewusstsein für die Tierschutzprobleme des Landes (2011)

    Art
    Hochschulschrift
    Autor
    Fenina, Jessica (WE 11)
    Quelle
    Berlin: Mensch und Buch Verlag, 2011 — IV, 181 Seiten
    ISBN: 978-3-86387-076-8
    Verweise
    URL (Volltext): https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/9197
    Kontakt
    Institut für Tierschutz, Tierverhalten und Versuchstierkunde

    Königsweg 67
    14163 Berlin
    +49 30 838 61146
    tierschutz@vetmed.fu-berlin.de

    Abstract / Zusammenfassung

    Tunesien ist in Bezug auf die Grundfläche des Landes der kleinste der Maghreb Staaten. Der überwiegende Bevölkerungsanteil ist muslimisch (98%) und im alltäglichen Handeln stark durch die Religion geprägt. Tiere sind nach dem Koran beseelte Lebewesen, wodurch in Tunesien die Grundsätze des Respekts und der Achtung vor dem Tier gelten. Die Einschätzung der in Tunesien laufenden Tierschutzaktivitäten erfolgte nach Aufsuchen der im Land aktiven Tierschutzorganisationen (2007-2008) sowie durch die Teilnahme an Tierschutzseminaren und Kongressen in Tunesien. Um das gesellschaftlichen Bewusstsein für die Tierschutzprobleme Tunesiens mit Hilfe eines weitgehend repräsentativen Meinungsbildes der Bevölkerung zu erfassen, wurden im Rahmen der Studie 1000 Fragebögen verteilt. Die Datenauswertung der Umfrage erfolgte mit Hilfe der Analyse-Software SPSS 17.0 für Apple. Um die Antworten auf statistische Signifikanz zu überprüfen, wurde der Chi-Quadrat-Test nach Pearson durchgeführt. Vergleichbare Studien zum Thema Tierschutz in Tunesien wurden bislang nicht erstellt bzw. veröffentlicht. In der aktuellen tunesischen Gesetzgebung existiert kein eigenständiges Tierschutzgesetz sondern ausschließlich humanwirtschaftliche Aspekte mit anthropozentrischer Ausrichtung. Reglementierungen ergeben sich durch den Artikel 317 im Strafgesetzbuch (Code Pénal) der bis heute die Tiermisshandlung nur in der Öffentlichkeit verbietet. Das Aussetzen gefährlicher Tiere in den öffentlichen Verkehr ist durch Artikel 316 des tunesischen Strafgesetzbuches verboten. Tierärzte sind durch den Verhaltenskodex der Veterinärmediziner (Code de Déontologie du Médecin Vétérinaire; Dekret Nr. 2000-254 vom 31. Januar 2000) verpflichtet, die Gesundheit und das Wohlbefinden der Tiere zu schützen. Die beiden größten nationalen Tierschutzorganisationen in Tunesien sind die Association Tunisienne pour la Protection de la Nature et de l'Environment (ATPNE) und die 2007 gegründete Organisation SOS Animaux. Die Société Protectrice des Animaux (SPA) hat sich nach über 100 Jahren (1910 gegründet) im Januar 2011 aufgelöst, da ihr die finanziellen Mittel ausgingen. Die Organisationen leisten u. a. Aufklärungsarbeit in den Schulen, um sowohl eine Sensibilisierung der Kinder für die Tiere als auch für den Tierschutz zu erreichen. Eine gemeinsame Plattform der Tierschutzorganisationen für Absprachen, Zusammenarbeit und Erfahrungsaustausch existiert allerdings nicht. Die wichtigsten Befunde der Fragebogenaktion lauten: Das gesellschaftliche Bewusstsein der Tunesier für die Tierschutzprobleme des Landes weist innerhalb der Bevölkerung große Unterschiede auf. Die Vorstellung der Kastration stößt bei vielen Muslimen insbesondere in Südtunesien auf Ablehnung. Innerhalb der Tierschutz-Fragegruppe erfolgte mit 72% die größte Zustimmung zu einer gesetzliche Regelung der „Impfprophylaxe bei Hunden und Katzen“. Die staatlich organisierte Impfprophylaxe der Nutztiere finden 69,1% der befragten Tunesier wichtig. 61,6% sprechen sich für eine gesetzliche Bestrafung von Tierquälern aus. Mit zunehmendem Alter stehen die befragten Tunesier einer gesetzlichen Regelung zur Bestrafung von Tierquälern tendenziell aufgeschlossener gegenüber. Die jüngere sowie die gebildete Bevölkerungsschicht würde tendenziell eine gesetzlichen Regelung zur Betäubungspflicht für schmerzhafte Eingriffe am Wirbeltier befürworten. In meist ärmeren, traditionelleren Regionen besitzen Zug- und Lastentiere einen höheren Stellenwert. Der Artenschutz ist den Tunesiern zwar mit 85,7% überdurchschnittlich wichtig, jedoch wird der Stellenwert der Reptilien und Heimtiere von den Befragten tendenziell als gering eingestuft. Es ist auffällig, dass einzig die Frage nach einem eigenständigen Tierschutzgesetz keine signifikanten Unterschiede innerhalb der demografischen Variablen der Befragten aufweist. Annähernd zwei Drittel der Tunesier (59,7%) wünschen sich ein eigenständiges Tierschutzgesetz, daher darf vermutet werden, dass dieses in der tunesischen Gesellschaft durchsetzbar wäre. Der gegenwärtige politische Wandel (Jasminrevolution 2010/11) und der Generationenkonflikt haben jedoch gesamtgesellschaftliche Kontroversen zur Folge, so dass vermeintlich untergeordnete Probleme wie der Tierschutz vorerst ins Hintertreffen geraten könnten. Dem aktuellen Wirtschaftsabschwung folgt bei erfolgreicher Demokratisierung möglicherweise ein Aufschwung (sog. J-Kurve oder Hockey- Stick), der zu einem Umdenken auf dem Gebiet des Tierschutzes und einer Anpassung der Normen an europäische Standards führen könnte.