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Der Pansen der Wiederkäuer ist der wichtigste Produktionsort für kurzkettige Fettsäuren (short chain fatty acids, SCFA). Um ein optimales Milieu für die Mikroorganismen im Pansen zu gewährleisten, steht die Produktion der kurzkettigen Fettsäuren in engem Zusammenhang mit deren Resorption aus dem Pansenlumen durch das Pansenepithel (Bergman, 1990; Gäbel et al., 2002). Bei nicht ausreichender Pufferung des Panseninhaltes durch den Speichel verbunden mit unzureichender Adaptation des Pansenepithels kommt es zu einer Entgleisung der Homöostase des Panseninhaltes mit Azidose und ansteigender Osmolarität (Kleen et al., 2003; Krause und Oetzel, 2005). Das Pansenepithel wird geschädigt und Mikroorganismen und Toxine können in den Blutkreislauf gelangen und führen zu gesundheitlichen Schäden, die bis hin zum Tode des Tieres führen können. Die Leistungseinbußen führen zu großen wirtschaftlichen Verlusten. Der aktuelle Wissenstand über die genauen Transportmechanismen für kurzkettige Fettsäuren am Vormagenepithel der Wiederkäuer ist unvollständig. Da die protonierte Form der kurzkettigen Fettsäuren (HSCFA) lipophil ist, kann diese Form über Diffusion die Zellmembran passieren. Daneben exprimiert das Pansenepithel einen apikalen Cl-/HCO3--Austauscher, dessen physiologische Funktion angesichts der niedrigen Chloridkonzentrationen im Pansenlumen lange Zeit unklar war. Aktuelle Studien zeigen, dass über diese Anionenaustauscher auch kurzkettige Fettsäureanionen (SCFA-) im Austausch gegen HCO3- in die Zelle aufgenommen werden können. Beide Transport-mechanismen führen zu einer Ansäuerung des Zytosols mit Stimulation des apikal lokalisierten NHE (Na+/H+-Austauschers), der Natrium in die Zelle hinein- und Protonen aus der Zelle hinausschleust. Hierdurch wird der intrazelluläre pH-Wert neutral gehalten und Natrium aus dem Pansenlumen resorbiert, welches sowohl für die Reduktion der Osmolarität des Panseninhaltes als auch für die Speichelresekretion bedeutsam ist. Während Butyrat größtenteils intrazellulär verstoffwechselt wird, gelangen insbesondere Azetat und Propionat in großen Mengen über die basolaterale Membran ins Portalblut und dienen so der Versorgung des gesamten Tieres mit Energie. Der basolaterale Ausschleusungsmechanismus für die kurzkettigen Fettsäureanionen ist jedoch bisher unklar. Aktuelle Daten sprechen dafür, dass in Analogie zum apikalen Anionenaustauscher auch die basolaterale Leitfähigkeit für Chlorid wenig selektiv ist und auch Azetat als Substrat akzeptiert (Stumpff et al., 2009). Der Transport von Azetat könnte so in Analogie zum klassischen Chloridtransport über resorbierende Epithelien erfolgen, welches auch am Pansenepithel etabliert ist. Dabei erfolgt die apikale Aufnahme des Anions über einen Anionenaustauscher, während die basolaterale Abgabe über einen Kanal erfolgt (Schmidt et al., 2004). Ein entsprechender großer Anionenkanal mit Permeabilität nicht nur für Chlorid, sondern auch für das Anion des Azetats konnte bereits an isolierten Zellen des Pansenepithels nachgewiesen werden (Stumpff et al., 2009). Im Vergleich zum Pansen liegen über transportphysiologische Funktionen des Psalters nur wenige Erkenntnisse vor. Beobachtungen in vivo und in vitro belegen, dass Na+, Cl-, HCO3- und kurzkettige Fettsäuren transportiert werden. Fortschritte im Verständnis der Transport-mechanismen sind durch das Fehlen eines Zellkulturmodels behindert worden. Ziel der vorliegenden Studie war es, mit Hilfe der Patch-Clamp-Technik die Leitfähigkeit isolierter Pansen- und Psalterepithelzellen für Propionat sowie für weitere kurzkettige Fettsäuren und Halide zu untersuchen und die Wirkung entsprechender Blocker zu ermitteln. Folgende Ergebnisse wurden in dieser Studie zusammengestellt: \- Die Etablierung einer neuen Methode zur Isolierung von Psalterepithelzellen. Durch die in dieser Studie neu konzipierte Zellisolationskammer zur Isolierung von Psalterepithelzellen war es zum ersten Mal möglich, Zellen des Psalters in Kultur anzuzüchten und so Patch-Clamp-Experimente an isolierten Psalterepithelzellen durchzuführen. Die Isolierung von Pansenepithelzellen konnte durch diese neue Methode ebenfalls verbessert werden. \- Die immunhistochemische Charakterisierung des Epithels und der daraus isolierten Zellen. Es wurden durch immunhistochemische Färbungen Zytokeratine und die Tight Junction Proteine Occludin, Claudin 1, 4 und 7 am frischen Pansen- und Psalterepithel dargestellt. Diese Proteine konnten auch an isolierten und kultivierten Pansen- und Psalterepithelzellen nachgewiesen werden. Dadurch wurde der epitheliale Ursprung der kultivierten Zellen belegt. \- Der Nachweis eines für große Anionen durchlässigen Kanals an isolierten Pansen- und Psalterepithelzellen. An beiden Präparaten konnte eine Leitfähigkeit für Anionen nachgewiesen werden, die in der Reihenfolge Chlorid > Azetat > Propionat > Butyrat abnahm. Isolierte Pansenepithelzellen wiesen ebenfalls eine gewisse Leitfähigkeit für Laktat auf. Alle Anionenleitfähigkeiten ließen sich durch den Anionenkanalblocker DIDS reversibel hemmen. Die Propionatleitfähigkeit war reversibel pCMBs- und NPPB- sensitiv. Der Blocker des CFTR Glibenclamid hatte keinen Effekt. Die Halidsequenz entsprach mit F- ≈ Cl- ≈ Br- > I- am ehesten einer Eisenmann 1 Sequenz. Die durch Einzelkanalmessungen ermittelte Einzelkanalleitfähigkeit für Pansen- und Psalterepithelzellen beträgt ca. 350 pS für Chlorid, 140 pS für Azetat (Stumpff et al., 2009) und ca. 100 pS für Propionat. Zusammenfassend konnte gezeigt werden, dass isolierte Pansen- und Psalterepithelzellen einen großen Anionenkanal mit einer Leitfähigkeit für das kurzkettige Fettsäureanion Propionat exprimieren, welcher auch für andere Anionen in unterschiedlichem Maße permeabel ist. Ein Transportmodell für Fettsäuren über die Vormagenepithelien wird vorgeschlagen mit basolateraler Expression des Kanals. Die auf diesem Wege resorbierten Fettsäureanionen werden von dem von der Na+-K+-ATPase herrührenden Potential ins Blut getrieben. Die zugehörigen Protonen verbleiben im Pansenlumen und müssen dort durch den Speichel abgepuffert oder auf anderem Wege aus dem Pansen entfernt werden. Beim Versagen dieser Mechanismen kommt es zur Pansenazidose.