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Der chronisch erhöhte Blutdruck gehört zu den häufigsten pathologischen Befunden in der westlichen Welt und stellt aufgrund seiner Bedeutung für kardiovaskulär bedingte Erkrankungen ein gravierendes Problem dar. Bei der essentiellen arteriellen Hypertonie handelt es sich um ein multifaktoriell bedingtes Krankheitsbild, dem nach derzeitigem Kenntnisstand sowohl Umweltfaktoren, als auch genetische Determinanten zugrunde liegen. Im Gegensatz zu den wenigen monogenetisch bedingten Hypertonieformen sind die Effekte der einzelnen beteiligten Gene gering, und erst eine Interaktion von multiplen Genen mit blutdruckregulierenden Eigenschaften führt zu einer Manifestation der Erkrankung. Durch die Anwendung genetischer Methoden haben sich für die Analyse von Faktoren, die an der Entstehung einer Hypertonie beteiligt sind, zahlreiche neue Perspektiven eröffnet. Um einen tieferen Einblick in die Ätiologie der essentiellen Hypertonie zu gewinnen, ist es von großem Interesse, wie sich wichtige Systeme für die Blutdruckregulation bei der Entstehung von Hypertonien beeinflussen. Monogenetisch verursachte Krankheiten stellen eine einzigartige Möglichkeit dar, um den Zusammenhang zwischen Umwelteinflüssen, wie z.B. Kochsalzabusus, und genetischen Faktoren untersuchen zu können. Eine dieser monogenetischen Erkrankungen ist das Liddle`s Syndrom, das zu einer Fehlregulation des ENaC führt und deren Folge eine salzsensitive Hypertonie ist. Mäuse mit einer homozygot vorliegenden genetischen Deaktivierung der β1-Untereinheit des Ca (hoch 2+)-aktivierten Kaliumkanals (BK β1 d/d) weisen einen signifikant erhöhten mittleren arteriellen Blutdruck auf. Außerdem zeigen die BK β1-KO Mäuse einen erhöhten arteriellen Tonus in isolierten Gefäßen. Auf der Basis dieser Beobachtungen wurde geschlussfolgert, dass die arterielle Hypertonie bei BK β1- KO Mäusen eine direkte Konsequenz des erhöhten myogenen Tonus in arteriellen Widerstandsgefäßenen ist. Da die BK β1-KO Mäuse aber außerdem signifikant erhöhte Plasmaaldosteronkonzentrationen aufweisen, deren Ursache noch nicht hinlänglich geklärt ist, geht man zur Zeit davon aus, dass der Hypertonus zu einem großen Teil durch den erhöhten Plasmaaldosteronspiegel hervorgerufen wird. Das in dieser Arbeit untersuchte Mausmodell ist eine durch Kreuzung von Mäusen mit genetischer Inaktivierung der β1-Untereinheit des Ca(hoch2+)-abhängigen Kaliumkanals (BK β1 d/d) und Mäusen, bei denen durch genetische Manipulation eine Überaktivierung (gain of function) des ENaC induziert wurde (L/L), entstandene Doppelmutante. Es beruht damit auf zwei genetischen Defekten, die jeder für sich in homozygoter Ausprägung ein Modell für eine arterielle Hypertonie darstellen und phänotypisch einen Hyperaldosteronismus bzw. Pseudohyperaldosteronismus aufweisen, der durch unterschiedliche Mechanismen induziert wird. Sowohl das RAAS, als auch die renale Salz- und Wasserhomöostase werden durch die genetischen Veränderungen beeinflusst. Die einzelnen genetischen Veränderungen verursachen bei heterozygotem Auftreten im Tiermodell unter physiologischen Haltungsbedingungen keinen Bluthochdruck. Vor diesem Hintergrund war das Ziel dieser Arbeit zu klären, ob bei gleichzeitigem Auftreten der Mutationen im heterozygoten Genotyp durch Interaktionen im Phänotyp eine Hypertonie verursacht wird und die Blutdruckregulation Unterschiede aufweist. Durch die Bestimmung der Plasmakonzentrationen von Aldosteron und der wichtigsten Elektrolyte sollten Anhaltspunkte über die Aktivität des RAAS und über pathophysiologische Veränderungen der Salz- und Wasserhomöostase gewonnen werden. Schließlich wurde der Einfluss einer unterschiedlichen Salzbelastung auf den Phänotyp der doppelheterozygoten Mausmutante untersucht. Hierzu wurden in vier Versuchsserien an adulten männlichen doppelheterozygoten Mausmutanten (+/L +/d), dem entsprechenden Wildtyp (+/+ +/+), sowie teilweise an einzelheterozygyoten Mäusen (+/L +/+ und +/+ +/d) die folgenden Untersuchungen durchgeführt: 1\. Messung des mittleren arteriellen Blutdrucks und der Herzfrequenz an wachen und ungestressten Mäusen über einen chronischen arteriellen Katheter am 2. und 3. Postoperativen Tag. 2\. Entnahme von Blutproben über den arteriellen Katheter mit anschließender Bestimmung der Plasmakonzentration von Aldosteron, Elektrolyten und Kreatinin. 3\. Entnahme der Herzen mit Bestimmung des Herzgewichts sowie des Gewichts des linken und rechten Ventrikels. Anschließende Berechnung des Verhältnisses von Herzgewicht bzw. Gewicht des linken Ventrikels zum Körpergewicht als Index einer myokardialen Hypertrophie. 4\. Entnahme der Nieren mit Bestimmung des Gesamtnierengewichts. Anschließende Berechnung der Verhältnisses vom Gesamtnierengewicht zum Körpergewicht. 5\. Messung der hämodynamischen Parameter (MAD, Systole, Diastole), der Herzfrequenz und der Aktivität mittels radiotelemetrischen Messverfahrens; a Auswertung der Mittelwerte b Auswertung des Zirkadianen Rhythmus c Auswertung der unterschiedlichen Salzbelastung 6\. Stoffwechselbilanzierung im metabolischen Käfig unter unterschiedlicher Salzbelastung Die Ergebnisse dieser Arbeit lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1\. Die doppelheterozygoten Mäuse (+/L +/d) wiesen gegenüber den heterozygoten BK β1-KO-Mäusen (+/+ +/d) einen signifikant erhöhten MAD auf. 2\. Die Befunde der morphometrischen Untersuchungen ergaben ein erhöhtes relatives linksventrikuläres Herzgewicht der doppelheterozygoten Tiere (+/L +/d) gegenüber den Wildtypen (+/+ +/+). 3\. Die Plasmaaldosteronkonzentration der doppelheterozygoten Mäuse (+/L +/d) und der heterozygoten Liddle-Mäuse (+/L +/+) war gegenüber den Wildtypen (+/+ +/+) und den heterozygoten BK β1 -KO-Mäusen (+/+ +/d) signifikant erniedrigt. Ebenso war der Plasmaaldosteronspiegel der heterozygoten BK β1-KO-Mäuse (+/+ +/d) gegenüber den Wildtypen (+/+ +/+) tendenziell erhöht. 4\. Die Plasmakonzentrationen von Na(hoch+), K(hoch+) und Cl(hoch)- der doppelheteroygoten Mäuse (+/L +/d) unterschieden sich nicht von denen der Wildtyp Mäuse (+/+ +/+). Der Plasmaspiegel des Kreatinin lag dagegen bei den doppelheterozygoten Mäusen (+/L +/d) signifikant über dem der Wildtyp Mäuse (+/+ +/+). 5\. Die doppelheterozygoten Mäuse (+/L +/d) zeigten während der radiotelemetrischen Blutdruckmessung einen ihrer Spezies entsprechenden zirkadianen Rhythmus. 6\. Sowohl die hämodynamischen Parameter als auch die Aktivität der doppelheterozygoten Mäuse (+/L +/d) sind während der nächtlichen Aktivitätsphase signifikant höher als die der Wildtyp Mäuse (+/+ +/+). 7\. Unter der salzarmen Diät während der radiotelemetrischen Blutdruckmessung ergab ein direkter Vergleich der Tagesmittelwerte, dass der MAD der doppelheterozygoten Mäuse (+/L +/d) signifikant über dem der Wildtypen (+/+ +/+) lag. 8\. Sowohl die Werte der Herzfrequenz als auch die der Aktivität der doppelheterozygoten Mäuse (+/L +/d) während der radiotelemetrischen Blutdruckmessung lagen bei einem direkten Vergleich der Tagesmittelwerte unter allen Diäten signifikant über den Werten der Wildtypen (+/+ +/+). 9\. Die Umstellung der Salzbelastung hatte keinen signifikanten Einfluss auf die hämodynamischen Parameter beider Versuchsgruppen. 10\. Die Versuche im metabolischen Käfig konnten keine eindeutigen Ergebnisse hinsichtlich der Ein- und Ausfuhrbilanzierung liefern. Zusammenfassend konnte im Rahmen dieser Arbeit kein deutlich ausgeprägter Gen-Dosis- Effekt nachgewiesen werden. Dennoch scheint die Kombination der beiden genetischen Defekte in heterozygoter Ausprägung einen milden Effekt auf die Blutdruckregulation auszuüben.