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Fachbereich Veterinärmedizin


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    Auswirkungen des Equinen Metabolischen Syndroms auf die kardiale und autonome Funktion sowie den arteriellen Blutdruck des Pferdes (2020)

    Art
    Hochschulschrift
    Autor
    Liertz, Sarah Patricia Gisela (WE 17)
    Quelle
    Berlin: Mensch und Buch Verlag Berlin, 2020 — XXIX, 290 Seiten
    Verweise
    URL (Volltext): https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/29709
    Kontakt
    Pferdeklinik

    Oertzenweg 19 b
    14163 Berlin
    +49 30 838 62299 / 62300
    pferdeklinik@vetmed.fu-berlin.de

    Abstract / Zusammenfassung

    Bei Pferden treten verminderte Insulinsensitivität, Fettleibigkeit oder abnorme Fettverteilung und eine Prädisposition für Hufrehe gehäuft kollektiv auf und werden als Equines Metabolisches Syndrom (EMS) zusammengefasst. Die Bezeichnung lehnt sich an das Humane Metabolische Syndrom an, das ebenfalls Faktoren der Fettleibigkeit und Insulindysregulation umfasst. Des Weiteren zeichnet es sich unter anderem durch arterielle Hypertonie, kardiale und autonome Dysfunktion aus. Das Risiko für Herzerkrankungen betroffener Patienten ist amplifiziert. Ziel dieser Arbeit war es, zu ermitteln, ob auch bei Pferden mit EMS Auswirkungen auf den Blutdruck, die kardiale oder autonome Funktion nachgewiesen werden können. Zur Erfassung der Herzfunktion wurden die Geschwindigkeit und Deformation des Myokards beurteilt. Sensitive Methoden dafür sind die Gewebedoppler- und die zweidimensionale Speckle Tracking-Echokardiographie. Die Aktivität des autonomen Nervensystems beeinflusst die Variabilität der Erregungsrate am Sinusknoten des Herzens. Ein Elektrokardiogramm wurde genutzt, um die Herzfrequenzvariabilität und darüber indirekt die autonome Funktion zu analysieren. Der Blutdruck wurde nicht invasiv mit einer Schweifmanschette durch die Oszillationsmethode erfasst. In einer ersten Untersuchung konnten der Blutdruck, die kardiale und autonome Funktion von 32 an EMS erkrankten Pferden analysiert werden. Die Daten beruhten auf Untersuchungen des Patientenguts der Pferdeklinik der Freien Universität Berlin. Das Management der Probanden modulierte den Grad der Insulinresistenz. Pferde, die kontrolliert bewegt wurden wiesen niedrigere Schweregrade auf (p = 0,002). Pferde, die restriktionslos gefüttert wurden, waren mittel- oder hochgradig insulinresistent (p < 0,001). Die Gewebedoppleruntersuchungen dokumentierten eine reduzierte kardiale diastolische Funktion. In der Diastole kommt es physiologisch zunächst zu einer Relaxation des Ventrikelmyokards. Anschließend erfolgt eine Kontraktion des Atriums, wodurch der Ventrikel weiter gefüllt und passiv gedehnt wird. Bei den an EMS erkrankten Pferden war die frühdiastolische Relaxation des Myokards reduziert. Dies spricht für eine verminderte Elastizität der Ventrikelwände. Spektralgewebedopplerechokardiographisch (PW-GDE) waren die Wandbewegungsgeschwindigkeiten des linken Ventrikels während der Frühdiastole (E) im Vergleich mit gesunden Populationen geringer (IVS: p = 0,009, LW: p < 0,001). Daraus resultierte ein ebenfalls geringeres diastolisches Geschwindigkeitsverhältnis (E/A; IVS und LW: p < 0,001). Auch farbgewebedopplerechokardiographisch (C-GDE) konnte dies bestätigt werden (E; IVS: p = 0,004, LW: p = 0,010). Diese Beobachtung ist in der Humanmedizin im Zusammenhang mit dem Metabolischen Syndrom bekannt. Diese Befunde ähneln denen, die bei Pferden mit klinisch overten Myokarditiden und myodegenerativer Kardiomyopathie festgestellt wurden. Die Deformationsbeurteilung mittels Speckle Tracking-Echokardiographie (STE) lieferte keine eindeutigen Ergebnisse. Diastolisch ließ sich eine Zunahme der radialen Funktion am lateralen Segment (p = 0,003) sowie im segmentübergreifenden Durchschnitt erkennen (p = 0,022), wohingegen das anterioseptale Segment die reduzierte Funktion der GDE untermauerte (p = 0,002). Systolisch konnte in zirkumferentieller Bewegungsrichtung eine Kontraktionszunahme nachgewiesen werden (Ant und Lat: p < 0,001, Post: p = 0,001, mean: p = 0,002). Die radiale Wandverdickung hingegen war segmentweise verringert (Inf und Sept: p = 0,001), aber verlief insgesamt schneller (mean: p = 0,003). Ohne Messungen in longitudinaler Bewegungsrichtung konnte insbesondere die radiale Deformation nur unzureichend beurteilt werden, da es zu kompensatorischen Abweichungen zwischen radialer und longitudinaler Deformation kommen kann. Die kardiale Funktion wies Zusammenhänge mit der Ausprägung verschiedener Faktoren auf. Bei älteren Pferden war die gewebedopplerechokardiographische diastolische Funktion im Vergleich zu ihren jüngeren Artgenossen reduziert. Dies zeigte eine höhere spätdiastolische Spitzengeschwindigkeit (A; PW_LW: p = 0,012, C_LW: p < 0,001, C_IVS: p = 0,001) mit niedrigerem diastolischen Verhältnis (E/A; PW_LW: p = 0,001, PW_IVS: p = 0,031, C_LW und C_IVS: p < 0,001). Dieses Phänomen ist aus der Humanmedizin bekannt und wurde bei Pferden ebenfalls beschrieben. Ursache ist ein rigideres Myokard, das weniger gut relaxiert. Die Ausprägung der regionalen Adipositas hing mit den Myokardgeschwindigkeiten zusammen. Bei einem hohen Cresty Neck Score (CNS) war die myokardiale Kraftentwicklung bei der isovolämischen Kontraktion reduziert (PW_LW_IVC: p = 0,002, C_IVS_IVC: 0,023). Bei der Ausprägung von abnormen Fettdepots an mehr als zwei von vier Stellen war neben der systolischen Wandbewegung (PW_LW_S: p = 0,030, PW_LW_IVC: p = 0,038) auch die diastolische verändert. Ähnlich wie bei alten Pferden war hier die spätdiastolische Myokardgeschwindigkeit höher (PW_LW_A: p = 0,035) und das diastolische Geschwindigkeitsverhältnis reduziert (C_LW_E/A: p = 0,007). Das kann als Kompensationsmechanismus gewertet werden, der bei verminderter aktiver Relaxation des Ventrikels dennoch eine ausreichende Füllmenge gewährleistet. Obwohl das Nackenkammfett mutmaßlich den stärksten metabolischen Effekt aufweist, war dessen Einfluss auf die kardiale Funktion in der vorgestellten Studie untergeordnet. Ein stärkerer Zusammenhang konnte mit der regionalen Adipositas insgesamt hergestellt werden, was vermuten ließ, dass andere Fettdepots hier einen größeren Einfluss besaßen. Hufrehe und Insulinresistenz zeigten einen Zusammenhang mit der frühdiastolischen Deformation.Wenn die Probanden Hufrehe (p = 0,004 bis 0,047) oder eine höhergradige Insulinresistenz aufwiesen (p = 0,005 bis 0,040), erfolgte sie schneller. Dies könnte wiederum auf eine Kompensation longitudinaler Funktionseinbußen zurückzuführen sein und bedarf einer Abklärung der Deformation in dieser Bewegungsrichtung. Die Auswertung der Herzfrequenzvariabilität zeigte eine verminderte Variabilität der kompletten Intervallserie (SDNN: p < 0,001) bei anteilig reduziertem Einfluss des Parasympathikus (HF: p = 0,049) im Vergleich zu gesunden Pferden. Diese Ergebnisse deckten sich ebenfalls mit Ergebnissen humanmedizinischer Studien und wiesen auf ein erhöhtes Stresslevel durch eine Erkrankung mit EMS hin. Neuropathien waren hingegen nicht nachzuweisen. Ebenso wie bei der kardialen Funktion ließ sich ein Zusammenhang mit dem Alter darstellen. Bei alten Pferden verschob sich das autonome Verhältnis hin zu sympathischer Prädominanz (LF/HF, LF, HF je p = 0,014). Umgekehrt verhielt es sich bei generell fettleibigen Tieren, die eine verminderte Variabilität (SDNN: p = 0,001) bei stärkerem parasympathischen Einfluss belegten (LF/HF p = 0,049). Dies war auf eine Verzerrung durch das Alter zurückzuführen. Die fettleibigen Pferde waren jünger als die normal konditionierten (p = 0,046). Die Herzfrequenz (p = 0,007) und der periphere Puls (p = 0,012) der Pferde mit EMS waren höher als die gesunder Populationen. Sowohl beim Menschen als auch beim Pferd wurde dies bereits beobachtet. In der Humanmedizin ließ sich ein Zusammenhang mit einzelnen Faktoren nachweisen, der auch in der hier vorgestellten Studie herzustellen war. Die Herzfrequenz (p = 0,048) und der Puls (p = 0,007) von Probanden mit einem hohen EMS-Score waren höher. Pferde mit hochgradiger Insulinresistenz hatten höhere Herzfrequenzen (p = 0,024) ebenso wie generell fettleibige Pferde (p = 0,047). Der Puls von Tieren mit Hufrehe (p = 0,020) war ebenfalls höher. Der diastolische (DAP: p = 0,026) und mittlere arterielle Blutdruck (MAP: p = 0,047) waren bei den erkrankten Tieren höher als bei den gesunden Probanden einer Vergleichsstudie. Dies unterstützte Beobachtungen, die von arterieller Hypertension bei Tieren mit EMS, Fettleibigkeit und Hufrehe berichten. Eine saisonale Schwankung konnte bestätigt werden. Im Sommer gemessene systolische Blutdrücke waren höher (SAP: p = 0,038). Es folgte eine Interventionsphase. Alle Pferdebesitzer erhielten Informationen zu Änderungen von Haltung, Fütterung und Bewegung, die auf eine Gewichtsabnahme oder Reduktion abnormer Fettpolster hinzielten. Bei einer Kontrolluntersuchung nach drei bis sechs Monaten konnten 14 der 32 Pferde erneut untersucht werden. Durch diese Intervention konnte bei fünf Pferden die nachweisbare Insulinresistenz aufgehoben werden. Zusätzlich zu einer weiterhin verminderten frühdiastolischen Relaxation war bei der Nachkontrolluntersuchung die atriale Kontraktion kompensatorisch gesteigert. Dies zeigten sowohl die PW-GDE (A: p = 0,006, E/A: p = 0,018) als auch die C-GDE (A: p = 0,025, E/A: p = 0,005) mit schnelleren Myokardgeschwindigkeiten und infolgedessen reduzierten E/A-Relationen am Interventrikularseptum. Ursache könnte eine Progression der diastolischen Dysfunktion sein. Insbesondere der Effekt der regionalen Adipositas fiel auf. Bei einer Verbesserung war die spätdiastolische interventrikuläre Myokardgeschwindigkeit geringer (p = 0,001) und infolgedessen die E/A-Relation höher als während der Erstuntersuchung (p = 0,048). Blieb diese Verbesserung aus, war die Geschwindigkeit dagegen höher (p = 0,001) und das E/A-Verhältnis reduziert (p = 0,008). Ein Fortschreiten der diastolischen Dysfunktion in Form von höheren spätdiastolischen Geschwindigkeiten und reduzierten diastolischen Geschwindigkeitsverhältnissen war auch zu verzeichnen, wenn Verbesserungen des Managements insgesamt (A: p = 0,001, E/A: p = 0,023), der Bewegung (A: p = 0,001, E/A: p = 0,043), der Haltung (A: p = 0,002, E/A: p = 0,011) oder des EMS-Status ausblieben. Dort fanden sich veränderte Werte in Bezug auf den CNS (A: p = 0,004, E/A: p = 0,045), die Fettleibigkeit insgesamt (A: p < 0,001, E/A: p = 0,017), das Körpergewicht (A: p = 0,029, E/A: p = 0,028) und die Insulinresistenz (A: p = 0,050, E/A: p = 0,012). Die autonome Funktion und arteriellen Blutdrücke waren nicht signifikant verändert. Zusammenfassend war es möglich, eine diastolische Dysfunktion der untersuchten Pferde mit EMS nachzuweisen. Die Probanden zeigten darüber hinaus eine verminderte Herzfrequenzvariabilität mit reduziertem parasympathischen Einfluss auf den Sinusrhythmus. Es fanden sich außerdem höhere arterielle Blutdrücke. Die Befunde schritten weiter fort, wenn keine strikte Umsetzung der Intervention stattfand und der EMS-Status nicht verbessert werden konnte. Eine Optimierung von Management und EMS-Status führte allerdings nicht zu einer Korrektion der Resultate. Grund dafür könnte ein zu kurzer Untersuchungsabstand gewesen sein. Zukünftige Studien könnten untersuchen, ob ein längeres Untersuchungsintervall und eine kontrollierte, strikte Einhaltung der Interventionsmaßnahmen möglicherweise doch zu echokardiographisch sichtbaren Verbesserung der Herzfunktion führen können wie in der Humanmedizin bereits beschrieben.