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Im Verlauf einer Frakturheilung können vielfältige Störungen auftreten, woraus im schlimmsten Fall eine atrophe Pseudarthrose resultieren kann. Diese Heilungsstörung sind gekennzeichnet durch eine reduzierte regenerative Kapazität ohne erkennbare Heilungstendenzen in Form von intramembranösen oder enchondralen Ossifikationen angrenzend an die Fraktur. Die Unkenntnis über die genauen Mechanismen, die der Entwicklung einer atrophen Pseudarthrose zugrunde liegen, erschwert die Suche nach einem erfolgreichen therapeutischen Ansatz. Bisher konnte kein Konsens über die optimale Therapiestrategie erreicht werden. Der derzeitige therapeutische „Goldstandard“ umfasst ein aufwändiges chirurgisches Debridement mit einhergehender Optimierung der biomechanischen Situation mittels eines geeigneten Osteosynthesesystems, z.B. eines Ring- Fixateurs nach Ilizarov sowie der Bereitstellung von osteogen reaktionsfähigem Substrat über den Transfer von autologem Spongiosagewebe. Häufig bleibt der gewünschte Erfolg aus und erfordert Wiederholungsbehandlungen. Neben den hohen volkswirtschaftlichen Kosten bedeutet dies eine enorme physische und psychische Belastung für den Patienten. Aufgrund dessen ist die medizinische Forschung bestrebt, ein optimales Therapiemodell zu entwickeln. Dies setzt jedoch voraus, die einer atrophen Pseudarthrose zugrundeliegenden, komplexen Mechanismen zu ergründen. Aufgrund der Fallvariabilität in der Klinik am Menschen sind atrophe Pseudarthrosen nur schwer zu untersuchen, weshalb Tiermodelle angewandt werden müssen. Zu Projektbeginn waren in der Literatur jedoch keine geeigneten Tiermodelle mit dem Ziel der Entwicklung einer atrophen Pseudarthrose beschrieben. Somit war es Ziel dieser Studie, ein leicht reproduzierbares und standardisiertes Modell der atrophen Pseudarthrose zu etablieren, welches die klinische Situation realistisch darstellt und für die Grundlagenforschung und therapeutische Fragestellungen herangezogen werden kann. Realisiert wurde dieses Vorhaben anhand eines in vivo-Modells an 32 Ratten, welche randomisiert in zwei Gruppen eingeteilt wurden. Sämtliche Tiere erhielten eine standardisierte Osteotomie an der Diaphysenmitte des Femurs. Während der sich anschließenden achtwöchigen Standzeit ließ sich in der Kontrollgruppe der physiologische Heilungsverlauf verfolgen. Die Versuchsgruppe sollte vergleichend die Entwicklung einer atrophe Pseudarthrose liefern. Als wichtigste Schritte zur Induktion der atrophen Pseudarthrose galten die thermische Zerstörung des Periosts 2 mm und die Kürettage des Knochenmarks 4 mm proximal und distal um den Osteotomiespalt, um jegliches biologisches Potential für die Knochenheilung auszuschalten. Die biomechanische Versorgung der Osteotomie erfolgte durch einen Fixateur externe. Dieser ermöglicht einen freien Zugang zum Osteotomiebereich um Analysen oder Therapieetablierungen durchzuführen, ohne dass es im Spalt zu Wechselwirkungen zwischen Implantat und Gewebe kommt. Zur Auswertung kamen radiologische Verlaufskontrollen die während der Standzeit angefertigt wurden sowie im Anschluss an die Standzeit die histologische, histomorphometrische und immunhistologische Auswertung der post mortem entnommenen, osteotomierten Femora. Das gesamte Untersuchungsmaterial der Kontrollgruppe verwies auf einen sich teilweise in der Endphase befindenden, physiologischen Heilungsverlauf. Bei der Versuchsgruppe war hingegen eine deutliche Heilungsbeeinträchtigung festzustellen. So demonstrierten zwölf von 16 Tieren der Versuchsgruppe eindeutig das Erscheinungsbild einer reaktionsunfähigen, atrophen Pseudarthrose. Die übrigen Tiere der Versuchsgruppe zeigten in und am Osteotomiespalt lokale Bereiche mit möglichen Heilungstendenzen. Das Periost hatte sich meist nicht vollständig rekonstruiert und den Osteotomiespalt nicht überwachsen. Offensichtlich muss zur Knochenheilung nicht erst die Phase der periostalen Rekonstruktion durchlaufen werden, da die Heilung auch von endostaler Seite aus möglich ist. Das in der Studie angestrebte Ziel der Etablierung einer atrophen Pseudarthrose wurde erreicht. Die vorgenommenen Manipulationen reichten aus, um die Heilung massiv zu beeinträchtigen. Insgesamt weist das Modell eine gute Zuverlässigkeit und Reproduzierbarkeit auf. Sämtliche Gesamtergebnisse dieser Studie bestätigen sich ebenfalls in der zugehörigen Veröffentlichung von Kaspar und Mitarbeitern (2008) unter Mitbeteiligung der Autorin. Dieses Modell kann für nachfolgende Untersuchungen im Rahmen der Therapieetablierung bei atrophen Pseudarthrosen angewendet werden und wurde hierzu bereits erfolgreich von einigen Autoren eingesetz.