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Ziel dieser Orientierungsstudie war es, erstmalig eine Betäubung von Schlachtschweinen unter Herbeiführung von Anoxie durch den Einsatz eines mit Stickstoff-gefüllten, hochexpansiven Schaumes im offenen System durchzuführen und so einen Beitrag zur Erforschung einer tierschutzgerechten Alternativbetäubung von Schlachtschweinen zu liefern. Dabei sollte die Methode insbesondere hinsichtlich möglicher Belastungen für das Tier aufgrund des verwendeten Gases oder des als Trägermedium verwendeten Schaums untersucht sowie auf ihre Praxistauglichkeit auf dem Schlachthof getestet werden. Die Wirksamkeit dieser Methode sollte anhand der Dauer und Effektivität der Einleitung einer gesicherten Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit beurteilt werden. Bei Tauglichkeit des Betäubungsverfahren sollte das maximale "stun-to- stick"-Intervall bestimmt und Schlüsselparameter entsprechend der EU VO (EG) Nr. 1099/2009 für die Überprüfung einer tierschutzgerechten Betäubung genannt werden. Zur Untersuchung der Qualität der Betäubungsmethode wurden 40 Schlachtschweine der Genetik DanZucht mittels Sensoren zur Kontrolle verschiedener tierbasierter Parameter ausgestattet (EEG, EKG, transkutane Blutgasanalyse, Respirationsmodul, Beschleunigungssensoren, Sensoren zur Messung der Körperinnentemperatur). Zur Betäubung der Tiere wurde ein mit Stickstoff-gefüllter, hochexpansiver Schaum (3 % HTF-1000 in Wasser) mit einem gewünschten Restsauerstoffgehalt von < 1 % verwendet. Die Betäubungsdauer ab dem Zeitpunkt der Bedeckung der Rüsselscheibe des Tieres betrug 3,5 Minuten. Nach Herausnahme des Tieres aus der Betäubungsbox erfolgten Reflexprüfungen (Cornealreflex, Pupillarreflex, Nasenscheidewandreflex). Im Falle einer eindeutig negativen Reflexprüfung erfolgte die Tötung des Tieres durch Blutentzug. Das Stichblut der Tiere wurde auf die blutgestützten Belastungsindikatoren Adrenalin und Noradrenalin, Creatinkinase und Aspartataminotransferase-Quotient, Laktat und Glukose untersucht. Hinzukommend wurde die Fleischbeschaffenheit der Schlachtkörper untersucht (pH-Wert und Leitfähigkeit jeweils 45 Minuten und 24 Stunden post mortem, Wasserbindungsvermögen, Tropfsaftverlust, Fleischfarbe), um weitere Anhaltspunkte für die Belastung des Tieres ante mortem und -unter Voraussetzung der Wirksamkeit des Verfahrens- Aussagen über die Güte der Fleischqualität treffen zu können. Die Untersuchungen zeigten, dass die transkutan erhobenen EEG-Rohdaten aufgrund der hohen Störanfälligkeit und Artefaktbelastung nicht geeignet sind, um den Zeitpunkt der Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit zu bestimmen. Der nach visuellen Kriterien beurteilte Anoxieeintritt im EKG (80 Sekunden nach Betäubungsstart) ist nicht belastbar, da entsprechend der Aufzeichnungen des Respirationsmoduls der Atemstillstand erst nach 195 Sekunden erfolgte. Auch die hohe Nachbetäubungsrate von 22 % zeigt, dass eine Expositionsdauer von 3,5 Minuten nicht ausreichend ist, um die Herbeiführung einer gesicherten Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit zu gewährleisten. Insbesondere Tiere, die Gasping zeigten, erlangten ihr Wahrnehmungs- und Empfindungsvermögen frühzeitig zurück. Die Katecholamingehalte im Stichblut waren geringer als nach einer Kohlendioxidbetäubung und auch die Glukosewerte ließen nicht auf das Vorliegen einer massiven Stressbelastung schließen. Allerdings lag bei 28 % der Tiere entsprechend des CK/ASAT-Quotienten eine Belastungsmyopathie vor und die Laktatwerte als sensibler Belastungsparameter waren ebenfalls erhöht. Das Verhalten der Tiere kann zumindestens in Teilaspekten als aversiv gewertet werden. Fluchtversuche der Tiere, beginnend nach 14 Sekunden, Zeiträume mit kontinuierlichen und sporadischen Bewegungen über 77 Sekunden und Lautäußerungen in 67 % der Fälle mit einem Beginn nach 51 Sekunden und über einen Zeitraum von 27 Sekunden zeigten, dass die Einleitung der Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit nicht unmittelbar erfolgte. Auch das Vorhandensein von Schaumrückständen in 72 % der Schlachtlungen besitzt eine Tierschutzrelevanz. Die Ergebnisse der Fleischbewertung zeigten, dass das Fleisch von stickstoffschaumbetäubten Tieren eine vergleichbare Qaulität wie nach Kohlendioxidbetäubung besitzt oder sogar besser ist.