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Die hier vorliegende Fall-Kontroll-Studie hatte zum Ziel, das Vorkommen der wichtigsten beim Pferd parasitierenden Helminthen an einer umfangreichen klinischen Patientengruppe von insgesamt 620 Pferden zu erfassen. Auf der Grundlage dieser Datenerhebung sollte ein möglicher Zusammenhang des parasitären Infektionsstatus zum Auftreten einer Kolik anhand von koprologischen, serologischen sowie klinischen Daten eruiert werden. Die Altersstruktur aller beprobten Pferde lag im Mittel bei 12 ± 7 Jahren, wobei mehrheitlich adulte Tiere (94,7%) Bestandteil der Untersuchungen waren. Dahingegen kamen ein- bis dreijährige Pferde und Fohlen zu 4,4% resp. 1% vor. Eier von Magen-Darm-Strongyliden (MDS) waren in 50,2% aller vor mindestens 8 Wochen entwurmten Pferde bei einem 95%-Konfidenzintervall (KI) von 45,7 bis 54,9% prävalent, Spul- und Bandwurmeier in 0,5% [KI: 0; 1,2] resp. 1% [KI: 0,2 ; 2] aller untersuchten Pferde. Eine Assoziation zwischen Kolik und dem Nachweis dieser Helmintheneier wurde hierbei nicht festgestellt.
Das Risiko für einen S. vulgaris-seropositiven Befund war für Pferde mit positivem Nachweis von MDS-Eiern im Kot um das 1,4- (p = 0,035) resp. 1,7-fache (p = 0,017) höher als bei Abwesenheit derselben Eier. In der Reverse-Line-Blot-Analyse (RLB) konnte jede der durch diesen Test erfassbaren Cyathostominen-Spezies ermittelt werden, jedoch bestand auch hier kein Zusammenhang zur Kolik. Bei nur 58,5% aller Proben mit detektierten MDS-Eiern konnten Larven der kleinen Strongyliden in der RLB nachgewiesen werden. Ab einer Nachweisgrenze von 50 Eiern pro Gramm Kot lag diese Prävalenz bei 94,8%. In den serologischen S. vulgaris- und A. perfoliata-Untersuchungen konnte statistisch kein Anhalt auf unterschiedliche Antikörper-Konzentrationen zwischen Kolikern und Kontrollen erbracht werden. 10,7% [KI: 8,4 ; 13,1] aller Pferde waren seropositiv für Anti-A.perfoliata-IgG(T). Während für immerhin 4% [KI: 1,3 ; 6,7] aller angesetzten Koprokulturen und 1,1% aller in der Studie beprobten Pferde in der Real-time PCR larvale DNA von S. vulgaris nachgewiesen werden konnte, zeigten sich zudem unerwartet hohe serologische Prävalenzwerte von beachtlichen 32,3% [KI: 28,5 ; 36,4] für diese Strongylidenart. Die Ergebnisse dieses Anti-SvSXP-ELISA deuten darauf hin, dass dieser Test zumindest großes Potential für die Detektion präpatenter Infektionen bietet, wenngleich Aussagen über eine akute Infektion dabei nur mit Vorsicht und unter Einbeziehung weiterer laborparametrischer und klinischer Ergebnisse getroffen werden sollten. Ein signifikanter Zusammenhang zur Kolik konnte dabei nicht hergestellt werden. Hierbei sollte berücksichtigt werden, dass positive Befunde aufgrund der eingeschränkten Spezifität des angewandten Tests, aber auch unter Berücksichtigung möglicher Kreuzreaktionen nicht mit großer Sicherheit bestätigt werden können. In der Serumelektrophorese hatten seropositive Pferde signifikant höhere Totalprotein- und ß-Globulinwerte und einen niedrigeren A/G-Quotienten als Pferde mit negativem Nachweis von Anti-S.vulgaris-Antikörpern.
Ohne Signifikanz zu erreichen lag das Odds Ratio für einen positiven MDS-Eibefund für Pferde mit Durchfall im Vergleich zu Pferden ohne diese Symptomatik bei 1,9 (p = 0,386). Obstipationen, die im Jejunum des Pferdes lokalisiert waren, gingen im Vergleich zu Verstopfungen des Colon ascendens resp. descendens mit einer 17-fach (p = 0,053) höheren Wahrscheinlichkeit für einen Bandwurmei-positiven Befund einher. Ferner verdeutlicht diese Studie die Bedeutung von Wurmkuren im Kolikgeschehen, weshalb der Zeitpunkt der letzten Entwurmung anamnestisch nie außer Acht gelassen werden sollte. So hatten vor weniger als sieben Tage entwurmte Pferde gegenüber Pferden, die vor mehr als acht Wochen entwurmt wurden, eine 2,4-fach (p = 0,025) erhöhte Chance für eine Kolik.
Abschließend sollte betont werden, dass die Erfassung präpatenter Infektionen bis heute eine große diagnostische Herausforderung bleibt, vor allem im Hinblick auf migrierende oder in Hypobiose befindliche Strongylidenlarven. Negative Kotprobenbefunde sollten und dürfen nicht zu der Annahme einer Parasitenfreiheit führen. Ohne vergleichende Sektionsuntersuchungen bleiben der tatsächliche Infektionsstatus und folglich die wirkliche Assoziation zur Kolik ungewiss. Weitere Fall-Kontroll-Studien würden daher einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung des Zusammenhangs zwischen Kolik und einer parasitären Infektion leisten. Für den praktizierenden Tierarzt sollte die endgültige Diagnose einer Parasitose im Kolikgeschehen demnach nicht auf den Ergebnissen eines einzigen Tests basieren. Vielmehr sollte diese nach Evaluierung verdächtiger klinischer sowie umfassender labordiagnostischer Befunde gestellt werden.