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Die Dermatitis Digitalis (DD) ist eine multifaktorielle Infektionserkrankung, die weltweit vor allem an den Klauen von Milchrindern in Laufstallhaltungen auftritt. DD führt zu umschriebenen Entzündungen der Ballenhaut unmittelbar oberhalb des Kronsaums, die im akuten Stadium eine erhebliche Einschränkung des Wohlbefindens der Tiere bedingen, und sich zudem in Leistungseinbußen manifestieren. Aufgrund auffallender Ähnlichkeit im Erregerspektrum und im Verlauf zwischen der DD und der Parodontitis des Menschen, bei der es sich um eine progressiv verlaufende Entzündung des Zahnfleisches handelt, und der Tatsache, dass diese Erkrankung bevorzugt bei Patienten vorkommt, die unter "metabolischem Syndrom" (MS) leiden, wurden im vorliegenden Projekt ausgewählte Variablen des Energiestoffwechsels des Rindes bei gesunden Tieren, Tieren mit einer nicht infektiös bedingten Klauenerkrankung und mit DD untersucht. Zu diesem Zweck wurde auf fünf Milchkuhhaltungen in Brandenburg im Anschluss an eine Pilotstudie die DD-Prävalenz ermittelt und anhand einer Stichprobenuntersuchung Anhaltspunkte für eine Beteiligung des Stoffwechsels am Krankheitsgeschehen der DD untersucht, die vergleichbar mit den Beobachtungen bei der Parodontitis und MS des Menschen sind. DD in verschiedenen Stadien wurde bei insgesamt 1075 von 1587 Tieren diagnostiziert. Die Prävalenz der DD lag in den Betrieben zwischen 39,5% und 89,9 %. Der Anteil der Tiere, die an einer Hintergliedmaße DD aufwiesen, betrug insgesamt 23,2% mit einer Streuung zwischen den Betrieben von 19,1% und 32,7%. Der Anteil, der an beiden Hintergliedmaßen erkrankten Kühe, lag insgesamt bei 44,6% und schwankte innerhalb der Betriebe zwischen 18,5% und 66,7%. In den zwei mit planbefestigten Laufflächen und Tiefstreuboxen ausgestatteten Betrieben lag der Anteil der an DD erkrankten Tiere bei insgesamt 41,6%, während in den Betrieben mit gummierten Laufflächen und Hochboxen mit Gummimatten insgesamt 86,2% der Tiere DDLäsionen aufwiesen. Der Anteil an Tieren, die an beiden Hintergliedmaßen DD aufwiesen, lag entsprechend bei 21,7% bzw. 60,7%. Die Berechnung der Crude Ratios ergab, dass Tiere in Haltung mit gummierten Lauf- und Liegeflächen eine 8,67-mal höhere Chance hatten (p=0,000) an DD erkrankt zu sein, als Tiere, die auf planbefestigtem Betonboden und Tiefstreu-Liegeflächen gehalten wurden. Neben dem erhöhten Ansteckungspotential, das durch eine höhere Bewegungsaktivität der Tiere auf Gummiböden begründet ist, könnte die durch geringeren Hornabrieb auf Gummi verursachte, niedrige Ballenhöhe ursächlich sein. Geringe Ballenhöhe fördert den Kontakt des Ballens mit Flüssigkeiten auf den Laufflächen, was einen Risikofaktor für DD darstellt. Von insgesamt 300 Tieren aus drei Fallgruppen und vier Leistungsgruppen, wurden die mittleren Serumkonzentrationen (SK) an freien Fettsäuren (NEFA), ß-Hydroxybuttersäure (ß-HBS), Glukose, Triglyzeride und Cholesterin innerbetrieblich und betriebsübergreifend verglichen. Die drei Fallgruppen bestanden aus Tieren mit nicht infektiösen Klauenerkrankungen (FG1), Tieren mit akuter DD im M2-Stadium (FG2) und solchen, ohne jegliche Erkrankung der Gliedmaßen (FG3). In die unterschiedlichen Leistungsgruppen wurden die Tiere von 14-70 Tagen post partum (d p.p.), 71-150 d p.p., 151-250 d p.p. und Tiere >250 d p.p. eingeteilt. Es ergaben sich große Unterschiede im Vergleich der mittleren SK der einzelnen Parameter zwischen den Betrieben. Auch die Berechnungen im GLM zeigten hohe Signifikanz des Faktors Betrieb auf die SK aller Blutparameter. Es fanden sich signifikante Unterschiede zwischen den mittleren SK für NEFA, Triglyzeride und Cholesterin (p=0,000, p= 0,033 und p=0,000) in den verschiedenen Leistungsgruppen, die sich mit der physiologischen Anpassung des Stoffwechsels über die Laktationsperiode erklären lassen. In der vorangegangenen Pilotstudie konnte im Blut von Tieren der FG2 (DD) im Vergleich zu Tieren der FG 1 (lahm) und der FG 2 (gesund) signifikant höhere SK für NEFA festgestellt werden ( p=0,0). Außerdem sind NEFA-Werte zwischen 0,4-0,6 mmol/l in diese Studie mit einem höheren Risiko für Lahmheit und DD assoziiert (odds ratio 13,5 und 9,4). Tiere der FG2 (DD) wiesen niedrigere SK für Glukose auf (p= 0,052). Dieser Unterschied zeigte sich verstärkt in der Gruppe der Frühlaktierenden (p=0,011). Höhere SK für NEFA-Werte und niedrige SK für Glukose bei lahmen und an DD erkrankten Tieren könnten durch geringere Futteraufnahme oder geringeren Energieverbrauch als Folge der lahmheitsbedingten Bewegungsunlust hervorgerufen werden. Auch eine schmerzbedingte Stressreaktion kommt als mögliche Ursache für erhöhte SK für NEFA in Frage. Eine weitere Ursache für vermehrtes vorkommen von Lahmheit bzw. DD bei Tieren mit höheren SK für NEFA und niedrigeren SK für Glukose könnte in der Beeinflussung des Immunsystems und der Wundheilung durch eine negative Energiebilanz (NEB), und damit einhergehender Leberverfettung und Insulinresistenz liegen. Tiere mit DD neigen zu höheren SK an Cholesterin ohne statistische Signifikanz. Eine mögliche Erklärung ist die Beeinflussung des Cholesterintransports durch Entzündungszustände. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigten keine eindeutigen Hinweise auf einen Einfluss der ausgewählten Variablen des Energiestoffwechsels auf das Krankheitsgeschehen der DD. Zur genaueren Einordnung der Ergebnisse dieser Studie sind weiterführende Untersuchungen notwendig. Insgesamt ergaben sich große betriebsspezifische Unterschiede in den Blutwerten und der DD-Prävalenz, die den starken Einfluss von Managementpraktiken und Haltungsbedingungen auf den Stoffwechsel und die Tiergesundheit unterstreichen.