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Einleitung:
Die grundlegende Frage, die im Folgenden beantwortet werden soll, lautet: „Warum zeigen Bakterien Resistenzen gegenüber antimikrobiellen Wirkstoffen, die bei den Tieren, von denen die entsprechenden Bakterien stammen, gar nicht eingesetzt werden?“ Diese Frage lässt sich in den meisten Fällen über Kreuzresistenz oder Parallelresistenz bzw. Co-Lokalisation, Co-Selektion und/ oder Persistenz von Resistenzgenen erklären (1).
Kreuzresistenz, Parallelresistenz, Co-Selektion, Co-Transfer und Persistenz:
Kreuzresistenzbezeichnet die Situation, bei der ein bestimmtes Resistenzgen Unempfindlichkeit gegenüber mehreren antimikrobiellen Wirkstoffen vermittelt. In den meisten Fällen betrifft die Kreuzresistenz strukturell verwandte antimikrobielle Wirkstoffe aus der gleichen Wirkstoffklasse. So vermitteln ribosomale Schutzproteine wie Tet(M) Resistenz gegenüber allen Tetracyclinen. Inaktivierende Enzyme oder Effluxproteine können in ihren Substratspektren variieren und mitunter nur Resistenz gegenüber bestimmten Vertretern einer Wirkstoffklasse bzw. -subklasse vermitteln. Ein Beispiel hierfür sind die bei Gram-positiven und Gram-negativen Bakterien vorkommenden Chloramphenicol-Acetyltransferasen, die Resistenz gegenüber den nicht-fluorinierten Phenicolen Chloramphenicol, Azidamphenicol und Thiamphenicol, nicht aber gegenüber dem fluorinierten Florfenicol vermitteln. Im Gegensatz dazu können Phenicol-Exporter, wie FloR, FexA oder FexB, nicht-fluorinierte und fluorinierte Phenicole aus der Bakterienzelle schleusen und so Resistenz gegenüber allen Phenicolen vermitteln (2).
Je nach vorliegendem Resistenzmechanismus kann Kreuzresistenz aber auch strukturell verschiedene Substanzgruppen betreffen. Ein Beispiel hierfür ist die Methylierung ribosomaler Zielstrukturen durch die von erm-Genen kodierten Methyltransferasen. Durch Methylierung spezifischer Adeninreste in der 23S rRNA der Bakterien wird verhindert, dass Makrolide, Linkosamide und Streptogramin B-Antibiotika an ihre ribosomale Zielstruktur binden können. Die von dem Gen cfrkodierte Methyltransferase verhindert sogar die Bindung von fünf Klassen von Proteinbiosynthese-Inhibitoren (Phenicolen, Linkosamiden, Oxazolidinonen, Pleuromutilinen und Streptogramin A-Antibiotika) an ihre ribosomale Zielstruktur. Eine kombinierte Resistenz gegenüber Linkosamiden, Pleuromutilinen und Streptogramin A-Antibiotika wird durch ABC-F Proteine aus den Vga und Lsa Familien vermittelt (2).
Die Kreuzresistenz ist die Grundlage für die Bestimmung von Klassenrepräsentanten bei der antimikrobiellen Empfindlichkeitsprüfung. Dies bedeutet, dassvon den Ergebnissen des getesteten Erregers für den Klassenrepräsentanten das Resistenzverhalten gegenüber anderen antimikrobiellen Wirkstoffen aus der gleichen Klasse abgeleitet werden kann. So gilt bspw. Tetracyclin als Klassenrepräsentant für die Tetracycline, da ein tetracyclinresistentes Isolat auch resistent gegenüber Chlortetracyclin, Oxytetracyclin und Doxycyclin ist. Umgekehrt ist ein tetracyclinempfindliches Isolat immer auch empfindlich gegenüber den vorab genannten anderen Tetracyclinen. Eine Übersicht zu Kreuzresistenzen gegenüber veterinärmedizinisch genutzten antimikrobiellen Wirkstoffen wurde von Werckenthin et al. publiziert (3).
Parallelresistenzbeschreibt die Präsenz mehrerer unterschiedlicher Resistenzgene auf dem gleichen mobilen genetischen Element (MGE) oder in der chromosomalen DNA der selben Bakterienzelle. Man spricht in diesem Fall von co-lokalisierten Resistenzgenen. Beispiele hierfür sind Multiresistenz-Plasmide oder Multiresistenz vermittelnde integrative und konjugative Elemente (ICEs), wie sie bei einer Vielzahl von bakteriellen Infektionserregern von Menschen und Tieren beschrieben wurden. Die Kombinationen verschiedener Resistenzdeterminanten auf MGEs sind divers. So verfügt das von einem porzinen methicillinresistenten Staphylococcus aureus (MRSA)-Isolat stammende Plasmid pV7037 über sieben funktionell aktive Resistenzgene (4). Das von einem bovinen methicillinresistenten Staphylococcus aureus-Isolat stammende Plasmid pAFS11 trägt dagegen fünf verschiedene antimikrobielle Resistenzgene, zwei Schwermetall-Resistenzgene und ein neuartiges Biofilm-Gencluster (5). Das integrative und konjugative Element ICEPmu1aus einem bovinen Pasteurella multocida-Isolat verfügt sogar über insgesamt zwölf funktionsfähige antimikrobielle Resistenzgene (6).
Die Co-Lokalisation von Resistenzgenen auf MGEs birgt die Gefahr, dass mit dem Transfer des betreffenden Elements auch alle auf ihm befindlichen Resistenzgene übertragen werden. In solchen Fällen spricht man von Co-Transferder entsprechenden Resistenzgene. Der Selektionsdruck durch die Anwendung eines einzigen antimikrobiellen Wirkstoffs, gegen den ein Resistenzgen auf Multiresistenz-MGEs vorhanden ist, reicht dabei aus, damit Bakterien ein Multiresistenz-Plasmid, -Transposon oder -ICE nicht verlieren. Dieser Sachverhalt wird auch als Co-Selektionvon Resistenzgenen bezeichnet. Trägt ein Escherichia coli-Isolat neben dem ESBL-Gen blaCTX-M-15 auch das Trimethoprim-Resistenzgen dfrA14, das Sulfonamid-Resistenzgen sul2, die Streptomycin-Resistenzgene strAund strBsowie das Tetracyclin-Resistenzgen tet(A) (7), so können unter dem Selektionsdruck, der bspw. durch den Einsatz von Tetracyclinen bewirkt wird, Resistenzen gegenüber Penicillinen und Cephalosporinen (inklusive Cephalosporinen der dritten und vierten Generation), Streptomycin, Sulfonamiden und Trimethoprim co-selektiert werden.
Unter Berücksichtigung von Co-Lokalisation, Co-Transfer und Co-Selektion ist somit selbst bei einem Anwendungsverbot für bzw. Anwendungsverzicht auf bestimmte antimikrobielle Wirkstoffe bzw. Wirkstoffgruppen nicht immer mit einem Rückgang der Resistenzraten zu rechnen. Co-Lokalisation, Co-Transfer und Co-Selektion sind wesentliche Komponenten, die die Persistenzvon Resistenzgenen –selbst in Abwesenheit eines direkten Selektionsdrucks –ermöglichen.
Ausblick:
Kenntnisse zur Resistenzgenetik sind wichtig, um Co-Lokalisation, Co-Selektion sowie Persistenz von Resistenzgenen zu verstehen und die Erfolgsaussichten von Maßnahmen, wie Anwendungsverboten für bestimmte Wirkstoffe bei bestimmten Tierarten, realistisch einschätzen zu können.