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Puerperalstörungen stellen ein häufiges Erkrankungsbild im unmittelbaren Zeitraum nach der Geburt dar. Behandlungskonzepte sehen dabei unter anderem die Verwendung antibiotischer Arzneimittel vor. Da Antibiotikaresistenzen jedoch sowohl in der Human- als auch in der Tiermedizin ein zunehmendes Problem darstellen, wird der Einsatz von Antibiotika im veterinärmedizinischen Bereich zunehmend kontrovers diskutiert.
Die homöopathische Behandlung als Alternative zur allopathischen Therapie findet bei landwirtschaftlichen Nutztieren bereits Anwendung, jedoch fehlen wissenschaftlich fundierte Studien, die eine Wirksamkeit der Homöopathie beim Tier belegen.
Ziel dieser dreifach verblindeten, randomisierten und kontrollierten klinischen Studie war es, die Wirksamkeit einer homöopathischen Behandlung bei akuten geburtsbedingten Erkrankungen in der Puerperalphase beim Milchrind zu untersuchen.
Dazu wurden von Juni 2013 bis Mai 2014 in einem konventionell betriebenen Milchviehbetrieb in Brandenburg 663 Tiere mit akuten geburtsbedingten Puerperalstörungen in die Studie aufgenommen. Zu den relevanten Erkrankungen zählten unspezifisches Fieber, Nachgeburtsverhaltungen und Scheidenverletzungen. Ein schlechtes Allgemeinbefinden galt als Ausschlusskriterium (z. B. Festliegen, anhaltendes Fieber). Die Tiere wurden randomisiert einer Verum- und einer Placebogruppe (n = 595) zugeteilt. Zum Ende der Studie wurde zusätzlich eine Kontrollgruppe (n = 68) mitgeführt, um einen möglichen Placeboeffekt abgrenzen zu können. Je nach Erkrankung wurden verschiedene homöopathische Präparate gemäß des Behandlungsprotokolls des Betriebes verwendet. Die Placebogruppe erhielt entsprechende Placebopräparate. Bei Bedarf konnten die Tiere aller drei Gruppen zusätzlich mit allopathischen Arzneimitteln, wie Antibiotika und Antiphlogistika, behandelt werden.
Zu den erfassten Daten zählten allgemeine Parameter (Laktationszahl, Zuchtwerte und Milchleistung), erkrankungsabhängige Parameter (Anzahl der Erkrankungs- und der Fiebertage), behandlungsabhängige Parameter (Behandlungsart, Anzahl der Behandlungstage), Reproduktionsdaten und Daten zum Verbleib der Tiere in den ersten 200 Tagen der Laktation.
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Die statistische Auswertung der erhobenen Parameter erfolgte mittels Chi-Quadrat-Tests, ANOVA, nicht-parametrischen Tests, Überlebensanalyse und Cox-Regression.
Dabei zeigte sich, dass die Studientiere der drei Untersuchungsgruppen weitgehend gleiche Charakteristika aufwiesen, sodass eine Vergleichbarkeit der Gruppen gegeben war. So gab es keine Unterschiede bezüglich Rasse, Genetik und Vorlaktationsleistung der Studientiere zwischen den Gruppen. Auch die Fruchtbarkeitsparameter (Besamungsaufwand, Rastzeit, Zwischentragezeit, Zwischenkalbezeit) und der Kalbeverlauf waren zwischen den Gruppen gleich. Eine Ausnahme bildete das Erstkalbealter der Erstkalbinnen, das in der Kontrollgruppe signifikant geringer war als in den beiden Homöopathiegruppen. Bei der Laktationszahl bestand ein tendenzieller Unterschied, der jedoch nicht signifikant war.
Die drei Gruppen zeigten keine Unterschiede bezüglich der Erkrankungsdauer (p = 0,108), der Anzahl der Besamungen (p = 0,299), der Rastzeit (p = 0,197), der Milchleistung in den ersten 100 Tagen (p = 0,251) und der Abgangshäufigkeit (p = 0,805). Außerdem waren keine Unterschiede in der Häufigkeit antibiotischer (p = 0,061) und nicht-antibiotischer Begleitbehandlungen (p = 0,076) vorhanden. Die Kontrollgruppe hatte eine signifikant kürzere Behandlungsdauer als die Verum- und die Placebogruppe (p < 0,001). Dies könnte auf das homöopathische Standardbehandlungsschema von 5 Tagen in der Verum- und der Placebogruppe zurückzuführen sein.
Die Ergebnisse der Cox-Regressionsanalyse zeigten ebenfalls eine kürzere Behandlungsdauer und eine schnellere Genesung der Kontrolltiere im Vergleich zu Tieren der Verum- und Placebogruppe. Tiere, die mit allopathischen Arzneimitteln behandelt wurden, benötigten mehr Zeit zur Heilung als Tiere ohne diese Therapie. Dies lässt eine stärkere Erkrankungsintensität dieser Tiere vermuten.
In der vorliegenden Studie konnte somit kein spezifischer Therapieeffekt der eingesetzten homöopathischen Behandlung bei akuten geburtsbedingten Erkrankungen beim Milchrind nachgewiesen werden. Ein unspezifischer Therapieeffekt war ebenfalls nicht darstellbar. Damit liefert die Studie keine Hinweise auf eine Überlegenheit der angewendeten homöopathischen Therapie gegenüber einer ausschließlich allopathischen Behandlung oder einer Placebobehandlung.