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Die Enukleation des Bulbus ist in der Tiermedizin ein häufig durchgeführter chirurgischer Eingriff und kann nicht nur durch ophthalmologisch spezialisierte Einrichtungen, sondern vor allem auch durch allgemeine Tierarztpraxen erfolgen. Die Entfernung des meist schmerzhaften und/oder blinden Auges ist für das betroffene Tier kurativ. Die Entscheidung der Tierbesitzer für die medizinisch notwendige Operation ist oftmals mit Schwierigkeiten verknüpft, bei denen vor allem die äußere Erscheinung eine wichtige Rolle einnimmt. Im Laufe der Zeit wurden zur Verbesserung der Kosmetik unterschiedliche Ersatzmaterialien in Form von Prothesen und Implantaten entwickelt, welche dennoch mit bisweilen erheblichen Komplikationen und Nachteilen für das Tier assoziiert sind. Nach aktuellem Wissensstand besteht keine zufriedenstellende Methode sowohl aus medizinischer Sicht für das Tierwohlergehen und den operierenden ophthalmologisch nicht spezialisierten Tierarzt, als auch aus kosmetischer Sicht für den Tierbesitzer. Ziel dieser Dissertation war es zu untersuchen, ob durch eine einfache Variation des zweischichtigen Wundverschlusses das postoperative Einsinken der Lider über der anophthalmischen Orbita vermindert werden kann. Die Integration der orbitalen Faszie in die Subkutannaht und die resultierende Gewebestraffung und Hohlraumverkleinerung bildete die Grundlage der Modifikation. In der randomisierten verblindeten, prospektiven Studie wurden 32 Hunde und 14 Katzen in dem Zeitraum von Januar 2016 bis August 2017 eingeschlossen. Bei allen Tieren wurde aufgrund unterschiedlicher „end-stage“ Erkrankungen eine Bulbusexstirpation durchgeführt. Die Tiere wurden über 24 Wochen nach erfolgter Operation kontrolliert und die Orbita mit einer analogen Tiefenlehre vermessen. Die Hypothese, dass die modifizierte Nahttechnik zu einem geringeren postoperativen Einsinken der Lider über der Orbita und somit zu einem verbessertem kosmetischen Bild für den Tierbesitzer führt, wurde überprüft und widerlegt. Tiere, welche mit einem klassischen Wundverschluss versorgt wurden, weisen ein signifikant geringeres Einsinken im Gegensatz zu Tieren mit modifizierter Nahttechnik auf (p waagerecht=0,023, senkrecht=0,018). Weiterhin wirken sich die Schädelform, intraoperative gemessene Orbitatiefe und das Körpergewicht synergistisch auf das Einsinkniveau bei den Hunden aus. Postoperativ waren die Wundbereiche der modifizierten Nahttechnik signifikant dolenter resp. häufiger fraglich dolent bei Palpation (p=0,009), bei der klassischen Wundnaht traten signifikant mehr Sekretionen (p=0,002) und Schwellungen auf. Mit der Ausnahme eines Hundes mit Orbitaemphysem und einem vermehrten Pruritus während der resorptiven Phase des Nahtmaterials bei vier Katzen, verlief die Wundheilung bei beiden Tierarten komplikationslos. Obwohl die modifizierte Nahttechnik nicht zur Verbesserung des orbitalen Einsinkens geeignet ist, ergab die prospektive Tierhalterbefragung (Fragebogen) postoperativ in beiden Gruppen eine hohe kosmetische Zufriedenheit von ca. 70% und die in der Literatur postulierte Unzufriedenheit nach Enukleation konnte nicht bestätigt werden. Weiterhin zeigte die prospektive (n=46) und retrospektive (n=78) Befragung, dass sich mehr als dreiviertel der Besitzer sofort für den notwendigen Eingriff entschließen konnten, fast keiner zog eine augenerhaltende Eviszeration mit dem Einsetzen einer Silikonprothese anstelle einer Enukleation in Betracht. Ca. 96% der Besitzer würden sich erneut für diese Form der Operation entscheiden. Eine entscheidende Rolle bei der emotionalen und für den Tierbesitzer schwerwiegenden Entscheidung über das medizinisch notwendige Entfernen des Auges nimmt der Tierarzt ein und sorgt schlussendlich auch für die gesteigerte Zufriedenheit der Besitzer insgesamt. Zusammenfassend konnte in dieser Arbeit der Beweis erbracht werden, dass die klassische Enukleation die Anforderungen des Tierwohles, allgemeinen Tierarztes und Tierbesitzers gleichermaßen erfüllt und besonders für Katzen, sowie brachyzephale und kleinere Hunderassen bei nicht augenerhaltenden Erkrankungen die Therapie der Wahl sein sollte. Es wurde ein präemptiv multimodales peri- und postoperatives Analgesiemanagement, unter Beteiligung systemischer und lokaler Techniken, für die Enukleation entwickelt. Die lokale retro- resp. peribulbäre Injektionsanästhesie war einfach und komplikationsfrei durchführbar. Die postoperative Schmerzbeurteilung zeigte zu allen Messzeitpunkten einen Therapieerfolg von über 90% und leistete eine gute Analgesie über mindestens sechs Stunden nach erfolgter Operation. Das nachweislich effektive Schmerzmanagement mit den verwendeten Dosierungen und Techniken wird für den alltäglichen Praxisgebrauch zur Durchführung einer Bulbusexstirpation empfohlen.