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Die perinatale Kälbersterblichkeit stellt in vielen rinderhaltenden Betrieben ein bedeutendes Problem dar. Insbesondere bei primiparen Kühen mit einer generell höheren Tendenz zu Schwergeburten sind vermehrte Totgeburtenraten zu verzeichnen. Auf das Auftreten von Schwer- und Totgeburten können sich sowohl die maternale Kondition zur Kalbung als auch das Geburtsgewicht des Kalbes potentiell negativ auswirken. Innerhalb der vorliegenden Studie wurde untersucht, inwieweit eine Erhöhung der Energieund Proteindichte oberhalb der Bedarfsnormen in der antepartalen Vorbereitungsfütterung hochtragender Färsen deren körperliche Kondition zur Kalbung und das Geburtsverhalten beeinflusst. Desweiteren wurden die Auswirkungen der energie- und proteinintensiveren Färsenrationen auf das Geburtsgewicht und die Körpermaße der geborenen Kälber sowie auf deren perinatale Vitalität anhand von klinischen und ausgewählten labordiagnostischen Parametern überprüft. Die Datenerhebung zur vorliegenden Studie fand vom 01.06.2004 bis 15.02.2005 auf einem Milchviehbetrieb in Brandenburg statt. Hierzu wurden 339 hochtragende, schwarzbunte Färsen zufällig auf 8 Studiengruppen und 8 Kontrollgruppen verteilt. Die Grundration für die Gesamtheit der untersuchten Tiere enthielt eine Energiekonzentration von 6,84 MJ/kg TS bei einer kalkulierten Trockensubstanzaufnahme von 12,24 kg. Die 8 Studiengruppen erhielten täglich zusätzlich 2 kg Maisschrot (Gruppe 1), 2 kg Sojaextraktionsschrot (Gruppe 2), 100 g Harnstoff (Gruppe 3), 2 kg Triticaleschrot (Gruppe 4), 1 kg Triticaleschrot + 1 kg Sojaextraktionsschrot (Gruppe 5), 1 kg Maisschrot + 1 kg Sojaextraktionsschrot (Gruppe 6), 2 kg Triticaleschrot + 100 g Harnstoff (Gruppe 7), 2 kg Maisschrot + 100 g Harnstoff (Gruppe 8). Die Kontrollgruppentiere wurden ausschließlich mit der betriebsüblichen Grundration vorbereitet. Die in die Studiengruppen eingeteilten Färsen erhielten drei Wochen vor dem errechneten Kalbetermin die Vorbereitungsrationen, die Kontrollgruppenfärsen wurden zwei Wochen vorbereitet. Die Kondition der Färsen wurde ab 6 Wochen vor dem errechneten Geburtstermin zu definierten Zeitpunkten bestimmt. Dazu wurden die Rückenfettdicken, das Körpergewicht und die Widerristhöhe gemessen. Die letzte Messung erfolgte unmittelbar nach der Abkalbung, verbunden mit einer Blutentnahme, um ausgewählte Laborparameter hinsichtlich möglicher Unterschiede zwischen den verschiedenen Fütterungsgruppen untersuchen zu können. Die beobachteten Geburtsverläufe wurden in vier graduelle Abstufungen unterteilt: Spontangeburten ohne Assistenz, Geburten mit leichter Zughilfe, Geburten mit erheblicher Unterstützung und Einsatz des mechanischen Geburtshelfers sowie Kaiserschnitte. Die geborenen Kälber wurden unmittelbar nach der Geburt hinsichtlich ihrer Vitalität beurteilt, gewogen und vermessen. Innerhalb der ersten 5 Minuten nach der Geburt erfolgte eine klinische Untersuchung mit Erfassung der Parameter für Herz- und Atemfrequenz sowie Rektaltemperatur; desweitern erfolgte eine Blutentnahme zur Bestimmung ausgewählter Metaboliten. Eine weitere klinische Untersuchung und eine zweite Blutentnahme erfolgten 24 Stunden nach der Geburt. Die unterschiedliche Fütterungsintensität resultierte bei den Versuchsgruppenfärsen in einem signifikanten Anstieg der Rückenfettdicke vom Beginn der Vorbereitungsphase bis zur Kalbung. Dennoch beeinflusste die Kondition der Färsen den Geburtsverlauf und auch die Totgeburtenrate nicht. Die Intensität der Vorbereitungsfütterung zeigte keinen Einfluss auf die Geburtsgewichte und Körpermaße der Kälber. Die Totgeburtenrate fiel bei den Versuchsgruppentieren mit 11,1 % signifikant höher aus, insbesondere bei den rein energieintensiven Rationen wird dieses sehr deutlich. Ein hohes Ausmaß an Geburtshilfe war mit einer erhöhten Totgeburtenrate assoziiert. Insgesamt waren die totgeborenen Kälber nicht schwerer als die lebendgeborenen Kälber, allerdings waren von den Totgeburten vermehrt Bullenkälber betroffen. Mit zunehmender Vorbereitungsdauer stieg die Totgeburtenrate signifikant an. Die Schwergeburtenrate blieb von den unterschiedlichen Fütterungsintensitäten unbeeinflusst, stieg aber bei zunehmender Trächtigkeits- und Vorbereitungsdauer an. Schwergeburten sind mit einer um 40 Minuten längeren Geburtsdauer assoziiert, auch Geburten mit totgeborenen Kälbern wiesen eine deutlich längere Geburtsdauer von durchschnittlich 2 Stunden auf. Problemlose Geburten waren im Durchschnitt in einem Zeitraum von unter 1 Stunde beendet. Sowohl eine zunehmende Trächtigkeits- als auch Vorbereitungsdauer wirkten sich auf das Geburtsgewicht der Kälber im Sinne eines Anstieges aus. Dieser Zusammenhang war bei den Kälbern männlichen Geschlechtes noch ausgeprägter als bei den weiblichen Neonaten. Es konnten keine Unterschiede hinsichtlich der erhobenen klinischen Parameter der Kälber unter variierten Fütterungsintensitäten verzeichnet werden. In Bezug auf die labordiagnostischen Parameter fielen signifikant höhere Gesamtproteinspiegel bei den Kälbern der Kontrollgruppenfärsen auf, die Kälber der Studuengruppen zeigten stark erhöhte Harnstoffwerte, vor allem bei den Tieren aus den Rationen mit hoher Protein- und Harnstoffdichte. Hohe postnatale Laktatwerte zeigten diejenigen Kälber, die aus Schwergeburten hervorgingen sowie vermehrt die männlichen Kälber, da diese in höherem Maße aus Schwergeburten hervorgingen. Durch Schwergeburten entwickelte Kälber zeigten höhere Aktivitäten der Enzyme AST und CK. Die Kälber aus unproblematischen Geburten realisierten signifikant höhere Werte für GGT nach 24 Stunden im Sinne einer verbesserten Kolostrumaufnahme sowie einer verbesserten intestinalen Kolostrumabsorption. Die Laborparameter der Muttertiere aus den Studiengruppen zeigten ebenfalls deutlich erhöhte Harnstoffwerte, vor allem bei den protein- und harnstoffreichen Vorbereitungsrationen. Bedeutsam ist weiterhin, dass die Studientiere höhere Magnesiumspiegel aufwiesen, obwohl üblicherweise hohe Proteingehalte in der Ration die Magnesiumresorption hemmen. Die weiteren labordiagnostischen Parameter blieben von der Art der Fütterung unbeeinflusst. Für die Gesamtstichprobe der Färsen konnten tendenziell leicht überhöhte GLDH- Aktivitäten und unterhalb der angegebenen Referenzbereiche liegende Cholesterinserumspiegel zum Partus festgestellt werden. Bei Färsen nach Schwergeburten wurden im Serum hohe Enzymaktivitäten für die CK und AST gemessen. Färsen nach unproblematischen Partus zeigten im Serum signifikant höhere Serumcalciumspiegel als Tiere nach Schwergeburten. Bei denjenigen Färsen, die eine Totgeburt erfuhren, konnten signifikant höhere GLDHAktivitäten sowie erhöhte Harnstoffspiegel im Serum gemessen werden, außerdem fielen bei diesen Tieren niedrigere Werte für β-Hydroxybutyrat auf.