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Im Rahmen dieser Arbeit wurden 213 festliegende Milchkühe aus 24 Betrieben des eigenen Praxisbereiches einem einheitlichen Untersuchungs- und Behandlungsprogramm unterworfen. Nach einer klinischen Untersuchung und der Erhebung der Anamnese wurde eine Blutprobe entnommen. Im Anschluss an die standardisierte Infusionsbehandlung erfolgte die zweite Blutprobenentnahme. Die Probenentnahmen dienten zur Verifizierung der klinischen Diagnose und zur retrospektiven Betrachtung der Veränderung der Stoffwechselparameter. In der durchgeführten Untersuchung zum Festliegen von Milchkühen ergab sich im klinischen Bild eine nicht erwartete typische Ausprägung. Im Gegensatz zu den Beobachtungen anderer Autoren, die eine veränderte Klinik und eine veränderte Ausprägung der Stoffwechselparameter des peripartalen Festliegens postulieren, kann diese nicht bestätigt werden. Ein Viertel der Tiere (25 %) wurde im klinischen Bild des Gebärkomas vorgefunden mit entsprechend hochgradig ausgeprägter Hypocalcaemie. Auch die Tiere mit der Diagnose Gebärparese wiesen mittelgradig bis hochgradig ausgeprägte Hypocalcaemien auf. Es wurde eine standardisierte Behandlung der Milchkühe mit einer hoch dosierten intravenösen und subcutanen Applikation von Calciumborogluconatlösung in Kombination mit der Gabe von Glucoselösung, Dexamethason-21-isonicotinatlösung und Butafosfan / Cyanocobalaminlösung durchgeführt. Hierbei konnte ein Behandlungserfolg von mehr als 90 % registriert werden. Die applizierte Menge der Calciumborogluconatlösung entspricht der oberen Grenze der zugelassenen und empfohlenen Dosierung. Im internationalen Schrifttum ist keine ähnlich hohe Dosierung publiziert. Mit dieser Dosierung wird eine hochgradige Hypercalcaemie post infusionem erreicht, die offensichtlich gut toleriert wird, da die Komplikationsrate sehr gering ist. Ausgeprägte Hypophosphataemien konnten in der Mehrzahl der Fälle des Gebärparesekomplexes nachgewiesen werden. Diese Hypophosphataemien waren auch nach erfolgter Infusionsbehandlung und dem realisierten Behandlungserfolg noch nachweisbar. Hier scheint sich die Auffassung verschiedener Autoren zu bestätigen, die eine ursächliche Beteiligung der auftretenden Hypophosphataemie am Gebärparesegeschehen verneinen. Hypomagnesaemische Zustände traten bei Einzeltieren auf, ohne dass sie einem klinischen Bild und einer Diagnose zuzuordnen waren. Bei der Interpretation von Rezidiven und Therapieversagern zur konkreten Diagnosestellung waren die Ermittlung der Enzymaktivitäten von ASAT, GLDH und CK und die Bestimmung der Konzentrationen der Serummetaboliten BHB, Bilirubin, Harnstoff und Cholesterin, neben der Bestimmung der Serumelektrolyte Calcium, anorganisches Phosphat und Magnesium, von essenzieller Bedeutung. An diesem Stoffwechselparameterspektrum sollte zur Diagnosestellung festgehalten werden, wenn der Therapieerfolg nach durchgeführter Infusionstherapie ausbleibt und die sorgfältig durchgeführte klinische Allgemeinuntersuchung keine Rückschlüsse auf die Genese des Festliegens zulässt. Die Darstellung der als Laktationsparese diagnostizierten, hypocalcaemisch verursachten Paresen der Milchkuh innerhalb der Laktation erfolgte erstmalig in dieser Form. Weitere Untersuchungen zur Genese der Erkrankung sind notwendig, um Prophylaxemaßnahmen zu formulieren. Offensichtlich gibt es Milchkühe, die in der fortgeschrittenen Laktation nicht in der Lage sind, ihren Calciumstoffwechsel über körpereigene Depots zu realisieren und die auf inanitionsbedingte Defizite in der Calciumzufuhr mit Festliegen reagieren. In ihrer Bedeutung hat der Gebärparesekomplex, als peripartale Erkrankung der Milchkuh mit prädisponierender Potenz für Folgeerkrankungen, nicht an Wertigkeit verloren. Es bedarf weiterhin größter Anstrengungen und tierärztlicher Sorgfalt bei Diagnostik, Therapie und Prophylaxe der Erkrankung, um die negativen Auswirkungen auf den Gesundheitszustand des Einzeltieres zu minimieren und den wirtschaftlichen Schaden für den Betrieb so gering wie möglich zu halten.