Königsweg 65
14163 Berlin
+49 30 838 62261
klauentierklinik@vetmed.fu-berlin.de
In den ersten Wochen nach der Kalbung liegt eine hohe Erkrankungsrate der Milchkühe von 35 bis 66 % vor. Ein wichtiges Ziel in der modernen Milchviehhaltung muss daher das frühzeitige Erkennen potentieller Risikotiere sein, noch bevor sie erkranken. Bereits die Futteraufnahme vor der Kalbung steht mit Erkrankungen und Abgängen nach der Kalbung in Beziehung. Die genaue Futteraufnahme jedes Einzeltieres a.p. könnte demzufolge von den Landwirten als Indikator für Erkrankungen a.p. und p.p. genutzt werden. Derzeit wird diskutiert, ob die Bewertung der äußerlich sichtbaren Pansenfüllung über ein Notensystem als Messinstrument genutzt werden kann, um die Futteraufnahme der individuellen Kuh zu schätzen. Ziel dieser Arbeit war es, den Verlauf der Pansenfüllung innerhalb von 24 Stunden sowie bei täglich einmaliger Benotung zu analysieren. Es sollte untersucht werden, welche Ursachen einem abweichenden Pansenfüllungsverlauf zugrunde liegen, welche Einflussfaktoren auf die Pansenfüllung wirken und ob die Pansenfüllung ein geeigneter Parameter zur Schätzung der Futteraufnahme sowie zur Vorhersage von Futteraufnahme, Leistung und Tiergesundheit in der Folgelaktation ist. Dazu fand in einem Milchviehbetrieb in Sachsen-Anhalt über einen Zeitraum von Mai 2015 bis April 2016 bei 109 pluriparen Kühen der Rasse Holstein-Friesian die Datenerhebung statt. Grundlage zur Benotung der Pansenfüllung war das Schema von Zaaijer und Noordhuizen (2003). Alle Kühe wurden täglich zur selben Uhrzeit während der Transitperiode bonitiert. Zusätzlich wurden auch Tagesprofile von 21 Kühen a.p. und 10 Kühen p.p. erstellt. Die Futteraufnahme konnte tierindividuell über elektronische Wiegetröge erfasst werden. Weiterhin wurde regelmäßig die Rückenfettdicke und Lebendmasse gemessen, der BCS bestimmt und die Kühe nach einem festen Schema klinisch allgemein untersucht. Es wurden zu festgelegten Zeitpunkten Blut- und Harnproben genommen und analysiert. Tägliche Milchmengen, wöchentliche Milchinhaltsstoffe, Krankheits- und Fruchtbarkeitsdaten wurden erhoben. A.p. besteht eine geringe Variabilität der Pansenfüllungsnoten, wobei über 97 Prozent aller Noten zwischen 3,5 und 4,0 liegen. P.p. ist die tierindividuelle Variabilität der Noten sehr viel ausgeprägter. Es wirken sowohl a.p. als auch p.p. mehrere Einflussfaktoren auf die Pansenfüllung. Dabei handelt es sich um die Futteraufnahme, den BCS, die 2. Laktation und p.p. zusätzlich den Lahmheitsgrad. Ein gestörter Pansenfüllungsverlauf a.p. steht im Zusammenhang mit den Blutwerten Harnstoff, Phosphat und Magnesium sowie mit den Harnwerten Kalzium und Kalium. P.p. besteht eine Beziehung zwischen einem gestörten Pansenfüllungsverlauf und den Blutparametern Harnstoff, Bilirubin, Natrium und den Harnwerten Kreatinin und Chlorid. Es liegen sehr geringe bis geringe positive signifikante Korrelationen zwischen der Pansenfüllung und der Frischmasseaufnahme a.p. und p.p. vor. Der Laktationszeitpunkt hat einen signifikanten Einfluss auf den Zusammenhang zwischen Futteraufnahme und Pansenfüllung. In den ersten 9 Tagen p.p. reagiert die Pansenfüllung schon bei 7 kg zusätzlicher Frischmasseaufnahme mit einer halben Note. Eine Woche a.p. korreliert die Pansenfüllung mit der Futteraufnahme eine und zwei Wochen p.p. Eine Beziehung besteht auch zu verschiedenen Erkrankungen a.p. und p.p. Kein Zusammenhang besteht zwischen der Pansenfüllung a.p. und der Milchleistung oder der Fruchtbarkeit der Folgelaktation. Die Pansenfüllung ist bei hochtragenden Kühen ein stabiler Parameter, da eine Notenvergabe im Bereich kleinerer Noten aufgrund der schlechten Beurteilbarkeit der Hungergrube schwierig ist. P.p. ist das Vergeben kleinerer Noten einfacher. Der Einfluss der Faktoren Futteraufnahme, BCS und 2. Laktation auf die Pansenfüllung ist a.p. nur gering und p.p. von größerer Bedeutung. Abweichende Pansenfüllungsverläufe stehen in Beziehung mit einer verminderten Futteraufnahme. Bei auffälligen Kühen sollte bewusst auf die Futteraufnahme geachtet und Heu und Propylenglykol verabreicht werden. In den ersten 9 Tagen p.p. reagiert die Pansenfüllung sehr sensibel auf die Futteraufnahme. Daher wird das tägliche Benoten aller Kühe in der ersten Woche p.p. zur selben Uhrzeit empfohlen. Ab Tag 10 p.p. ist die Pansenfüllung nur noch mäßig zur Futteraufnahmeschätzung geeignet. Das einmalige Benoten aller Kühe an Tag 28 oder 60 p.p. und ein Vergleich der Noten auf Herdenbasis kann angewendet werden. A.p. ist die Pansenfüllung nur geeignet, um Kühe mit deutlich reduzierter Futteraufnahme zu erkennen. Daher genügt das einmalige Benoten der Kühe an Tag 14 (± 3) a.p. Die Pansenfüllung kann eine Woche a.p. als Indikator für die Futteraufnahme in den ersten beiden Wochen p.p. herangezogen werden. A.p. und p.p. ist die Pansenfüllung als Indikator für Erkrankungen geeignet, sollte aber vorsichtig interpretiert werden. Innerhalb von 24 Stunden schwanken die Pansenfüllungsnoten a.p. wenig. P.p. liegt eine größere Variabilität der Noten vor. A.p. und p.p. haben die Faktoren Futteraufnahme, BCS, 2. Laktation und p.p. zusätzlich der Lahmheitsgrad signifikanten Einfluss auf die Pansenfüllung. Weicht die Pansenfüllung vom durchschnittlichen Verlauf aller Kühe ab, weist dies auf eine verminderte Futteraufnahme hin. Zwischen der Pansenfüllung und der Futteraufnahme liegt a.p. und p.p eine Beziehung vor, wobei der Laktationszeitpunkt einen großen Einfluss auf diesen Zusammenhang hat. Unmittelbar p.p. reagiert die Pansenfüllung sehr sensibel auf die Futteraufnahme. Das tägliche Benoten der Hungergrube während der ersten Woche p.p. sowie das einmalige Benoten aller Kühe a.p. werden empfohlen.