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Einleitung und Aufgabenstellung Die Analyse flüchtiger organischer Substanzen (volatile organic compounds, VOCs) zu diagnostischen Zwecken ist ein vielversprechender Ansatz. VOCs entstehen während biochemischer Prozesse im Körper und können über den Blutkreislauf in biologische Substrate (Atemgas, Kot, Urin) gelangen. Bislang wurden die Auswirkungen physiologischer Prozesse auf die biologische Variabilität der aus dem Organismus freigesetzten VOCs nur unzureichend erfasst. Bei Nichtbeachtung können sie als Einflussgrößen die Definition krankheits-assoziierter Biomarker erschweren. Das Ziel dieser Arbeit war es, den Einfluss von Wachstum, Ernährung und Futteraufnahme auf die Freisetzung potentieller volatiler Biomarker in einem caprinen Großtiermodell zu charakterisieren. Die durchgeführten Studien sind Teil eines Projektes mit dem langfristigen Ziel der Identifizierung volatiler Biomarker für die Infektion mit Mycobacterium avium subspecies paratuberculosis. Tiere, Material und Methoden Die Untersuchungen fanden im Rahmen eines etablierten und standardisierten Großtiermodells mit klinisch gesunden Ziegen statt. In zwei Studien wurden die Einflüsse von Wachstum und Ernährung innerhalb des ersten Lebensjahres der Tiere (STUDIE I) und der allmorgendlichen Kraftfutteraufnahme (STUDIE II) überprüft. VOCs wurden wiederholt (i) im Gasraum (Headspace) über Kotproben, (ii) im exhalierten Atemgas sowie zu Vergleichszwecken (iii) in der umgebenden Raumluft analysiert. Eine automatisierte, CO2-gesteuerte Probenahmetechnik gewährleistete die standardisierte und kontrollierte Sammlung von Atemgasproben bei den spontan atmenden Ziegen. VOCs wurden mittels adaptierter Mikroextraktionstechniken (Needle Trap Mikroextraktion; NTME, Festphasenmikroextraktion; SPME) und sensitiver Analysemethoden (Gaschromatographie-Massenspektrometrie; GC-MS) identifiziert und quantifiziert. Parallel wurden im peripheren Blut die Konzentrationen von Glucose, Gesamtprotein und Albumin bestimmt (STUDIE I). Ergebnisse STUDIE I In dem standardisierten Großtiermodell traten im Verlauf des ersten Lebensjahres der Ziegen gut charakterisierte Veränderungen bezüglich der körperlichen und metabolischen Entwicklung auf. Sowohl die Konzentrationen der VOCs im Atemgas der Ziegen (n=11; Alkohole, Aldehyde, Ketone und Kohlenwasserstoffe) als auch die im Headspace über deren Kotproben gemessenen VOCs (n=18; Ketone, Kohlenwasserstoffe, Ester, Schwefelverbindungen und Furane) veränderten sich signifikant während der Studiendauer von einem Jahr. Die bedeutendsten Veränderungen traten im zeitlichen Zusammenhang mit der altersgerechten Anpassung der Fütterung und der Entwicklung der Ziegen von Milchlämmern zu rein pflanzlich ernährten Wiederkäuern auf. STUDIE II Sechs VOCs aus den Gruppen der Kohlenwasserstoffe und Alkohole wiesen signifikante Konzentrationsänderungen im Atemgas beim Vergleich der Probenahmen vor und nach der morgendlichen Kraftfutteraufnahme auf. Die Konzentrationen der VOCs aus der Gruppe der gesättigten und ungesättigten Kohlenwasserstoffe (n=5; Pentan, 3-Methylpentan, Hexan, Isopren und cis-1, 3-Pentadien) zeigten ein charakteristisches Muster. Postprandial kam es bei diesen VOCs zunächst zu einem signifikanten Konzentrationsanstieg, gefolgt von einem graduellen Konzentrationsabfall. Schlussfolgerungen Die beiden STUDIEN I und II leisten einen wertvollen Beitrag zu grundlegenden Kenntnissen des Einflusses physiologischer Prozesse auf die Freisetzung von VOCs im caprinen Tiermodell. Bedeutende Veränderungen in den VOC-Profilen von Atemgas und Kotproben konnten mit alters- und ernährungsbedingten metabolischen Veränderungen im Verlauf des ersten Lebensjahres von Ziegen assoziiert werden. Charakteristische Veränderungen im VOC-Profil des Atemgases traten mit direktem Bezug zur morgendlichen Kraftfutteraufnahme und nachfolgend ablaufenden Verdauungsprozessen auf. Die körperliche und metabolische Entwicklung im ersten Lebensjahr, die altersgemäße Anpassung des Fütterungsregimes sowie die infolge einer Futteraufnahme ablaufenden Verdauungsprozesse müssen als bedeutende Einflussfaktoren und potentielle Störgrößen bei der Planung und Auswertung von VOC-Analysen Beachtung finden. Die Ergebnisse betonen die Wichtigkeit von grundlegenden Kenntnissen über physiologische Einflussfaktoren, bevor zuverlässige volatile Biomarker zu diagnostischen Zwecken definiert werden können.