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Fachbereich Veterinärmedizin


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    Publikationsdatenbank

    Evaluierung der Pathogenität von Parachlamydia acanthamoebae durch eine experimentell induzierte, respiratorische Infektion im bovinen Wirt (2017)

    Art
    Hochschulschrift
    Autor
    Lohr, Markus (WE 2)
    Quelle
    Berlin, 2017 — IV, 92 Seiten
    Verweise
    URL (Volltext): https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/7793
    Kontakt
    Institut für Veterinär-Physiologie

    Oertzenweg 19 b
    14163 Berlin
    +49 30 838 62600
    physiologie@vetmed.fu-berlin.de

    Abstract / Zusammenfassung

    Einleitung

    Parachlamydia (P.) acanthamoebae ist ein den Chlamydien verwandtes, ebenso obligat intrazelluläres Bakterium, das seinem Entwicklungszyklus entsprechend in verschiedenen Zuständen vorliegen kann. Natürlicherweise kommt es als Amöben-assoziierter Endosymbiont vor und hat sich für Mensch und Tier als potentiell pathogen erwiesen. Als möglicher Erreger steht es im Verdacht, neben abortiven urogenitalen Infektionen bei Mensch und Wiederkäuern, an der Ätiologie atypischer Pneumonien beteiligt zu sein. Erste Anzeichen dazu gaben sero-epidemiologische Untersuchungen zur ätiologischen Ursache respiratorischer Infektionen. Durch In-vitro-Studien und Infektionsversuche im Mausmodell ergaben sich weitere Hinweise auf eine pneumopathogene Eigenschaft von P. acanthamoebae. Nicht zuletzt wegen der vermeintlichen Besiedelung vieler verschiedener Spezies und des ubiquitären Vorkommens wird auf ein zoonotisches Potential hingewiesen.

    Ziel

    Das Hauptziel der vorliegenden Arbeit war es ein respiratorisches Infektionsmodell mit P. acanthamoebae im bovinen Wirt zu etablieren. Anhand einer experimentellen Infektion des Respirationstraktes von Kälbern mit P. acanthamoebae sollte das pneumopathogene Potential dieses Bakteriums evaluiert und die gegebenenfalls induzierten pulmonalen Dysfunktion charakterisiert werden.

    Studiendesign und involvierte Tiere

    Das Versuchstierkollektiv bestand aus insgesamt 42 männlichen, 3 – 7 Wochen alten, Holstein-Frisian Kälbern. Die respiratorische Challenge erfolgte durch Inokulation von drei verschiedenen Parachlamydia-Dosen:

    • 10 hoch 8 einschlusskörperchenbildende Einheiten (EBE) hitzeinaktivierter P. acanthamoebae/Kalb (n=9)

    • 10 hoch 8 EBE vitaler P. acanthamoebae/Kalb (n=12)

    • 10 hoch 10 EBE vitaler P. acanthamoebae/Kalb (n=21)

    Im ersten Teilversuch (TV 1) wurde die Dosis-Wirkungsbeziehung der drei verschiedenen P. acanthamoebae-Inokulationsdosen in der Kälberlunge im interindividuellen Vergleich über einen Zeitraum bis 14 Tage post inoculationem (dpi) untersucht. Die Read-out-Kriterien zur Evaluierung der systemischen Wirtsantwort berücksichtigten dabei klinische und labor-diagnostische Parameter, deren tägliche Erhebung in vivo erfolgte. Eine Ex-vivo-Beprobung zur Erfassung der lokalen Entzündungsmechanismen sowie der pathologischen Veränderungen erfolgte zu den Zeitpunkten 2, 3, 4, 7, 10 und 14 dpi. Zeitgleich erfolgten Untersuchungen zum direkten Nachweis und zur Rekultivierung von P. acanthamoebae.

    In TV 2 wurden in einem ersten Abschnitt die Kenngrößen des pulmonalen Gasaustauschs der drei Tiergruppen zur interindividuellen Untersuchung bis 7 dpi erfasst (Study 1). Im zweiten Abschnitt wurden die Auswirkungen der durch 10 hoch 10 EBE P. acanthamoebae/Kalb induzierten Infektion auf die pulmonalen Funktionen bis 10 dpi untersucht (Study 2). Dazu wurden Parameter der differenzierenden Lungenfunktionsdiagnostik zu den Zeitpunkten 7 und 4 Tage vor Inokulation sowie 2, 3, 4, 7, 8 und 10 dpi intraindividuell als longitudinale Verlaufskontrolle quantifiziert. Während der beiden Teilversuche wurden zum Ausschluss von Co-Infektionen begleitende Analysen zur mikrobiologischen Beurteilung des Atmungsapparates durchgeführt.

    Material und Methoden

    Die Inokulation eines jeden Kalbes erfolgte intrabronchial mit 6 ml des insgesamt 8 ml umfassenden Inokulums, das die jeweilige Parachlamydia-Dosis in Suspension enthielt. Die verbleibenden 2 ml des Inokulums wurden zusätzlich intranasal appliziert.

    In TV 1 erfolgte die Evaluierung der systemischen Wirtsantwort anhand des klinischen Gesamtscores, der Blut-Leukozytendifferenzierung sowie der Serumkonzentration der beiden Akute-Phase-Proteine Lipopolysaccharid-bindendes Protein (LBP) und Lactoferrin. Die lokalen Entzündungsmechanismen wurden anhand inflammatorischer Marker (Zytologie und Gesamtprotein-/Eicosanoidkonzentration) in der bronchoalveolären Lavageflüssigkeit (BALF) sowie mittels pathologischer und histologischer Untersuchungen charakterisiert. Zur Quantifizierung der Erregerlast im Gewebe sowie der Erregerausscheidung kam ein direkter Erregernachweis durch quantitative real-time PCR zum Einsatz. Darüber hinaus sollte mittels Immunhistologie und amöbialer Co-Kultivierung die Kausalität von Erreger und Wirkung geklärt werden.

    In Study 1 des TV 2 wurden die Parameter der arteriellen Blutgase und Hämoximetrie zur Beurteilung herangezogen. Dazu wurde diesen Tieren über einen zuvor implantierten Verweilkatheter in der Aorta abdominalis täglich arterielles Blut entnommen und analysiert. In Study 2 des TV 2 wurden ausschließlich die mit 10 hoch 10 EBE P. acanthamoebae/Kalb inokulierten Tiere (n=9) nichtinvasiven Lungenfuntionstests (Impuls-Oszilloresistometrie, volumetrische Kapnometrie, Helium-Dilution) unterzogen.

    Ergebnisse

    Die experimentelle Parachlamydia-Infektion resultierte in einer reproduzierbaren Beziehung zwischen Erregerdosis und Wirtsreaktion, welche nur nach Inokulation mit 10 hoch 10 EBE P. acanthamoebae/Kalb und bis 5 dpi ein apparentes Ausmaß respiratorischer Symptome induzierte. Der Median des klinischen Gesamtscores der mit 10 hoch 10 EBE P. acanthamoebae/ Kalb inokulierten Tiere kulminierte 1 dpi bei 3/49 Punkten und war bis 4 dpi (im Vergleich zu den mit inaktivierten 10 hoch 8 EBE und vitalen 10 hoch 8 EBE P. acanthamoebae/Kalb inokulierten Gruppen) signifikant erhöht. Die mit einem subklinischen Krankheitsbild einhergehende Challenge mit 10 hoch 8 EBE P. acanthamoebae/Kalb mündete, ebenso wie die Inokulation mit dem inaktivierten Erreger aufgrund unspezifischer Symptome, lediglich in einem medianen klinischen Gesamtscore von 1/49 Punkten. Sowohl das Ausmaß der systemischen als auch der lokalen Entzündungsmarker korrelierten mit dem beobachteten Krankheitsverlauf. Dementsprechend zeigte dabei ausschließlich die mit 10 hoch 10 EBE P. acanthamoebae/Kalb inokulierte Versuchsgruppe von Signifikanz geprägte Erhöhungen der Serum-LBP-Konzentration sowie in der Zellzahl neutrophiler Granulozyten und der 15-Hydroxyeicosatetraenonsäure-Konzentration in BALF gegenüber den Kälbern, die mit 10 hoch 8 EBE inaktivierten und 10 hoch 8 EBE vitalen P. acanthamoebae/Kalb inokuliert worden waren. Die pathologischen und histologischen Befunde ergaben eine subakute, fibropurulenten Pneumonie mit deutlichster Ausprägung nach Inokulation von 10 hoch 10 EBE P. acanthamoebae/Kalb im Zeitraum von 2 – 4 dpi, deren Ausmaß ebenso dem klinischen Bild entsprach. Bis zum Ende des Beobachtungszeitraums traten alle entzündungsbedingten, pulmonalen Veränderungen in spontane Remission. Ein Erregernachweis war in allen mit lebensfähigen Parachlamydien infizierten Gruppen über den gesamten Untersuchungszeitraum in Atemwegs-assoziierten Gewebe möglich. Die Erregerlast nahm jedoch über die Zeit ab. Eine Erregerausscheidung konnte zu keinem Zeitpunkt nachgewiesen werden.

    Die Parameter der arteriellen Blutgase zeigten ausschließlich bei den mit 10 hoch 10 EBE P. acanthamoebae/Kalb infizierten Kälbern 1 – 2 dpi eine geringgradige Hypoxämie. Die kompensatorisch erhöhte Atemarbeit war durch eine Zunahme von Atmungsfrequenz, Atemminutenvolumen sowie spezifischer Ventilation 2 – 3 dpi gegenüber der Ausgangswerte vor Inokulation gekennzeichnet. Aufgrund der pathohistologischen Befunde ist von einer O2-Diffusionsstörung als Folge der transient verlaufenden, pulmonalen Entzündungsreaktion nach Inokulation von 10 hoch 10 EBE P. acanthamoebae/Kalb auszugehen, die zu einer temporären Reduktion des transmembranösen O2-Transfers führte.

    Schlussfolgerungen

    Die als Hauptziel deklarierte Etablierung eines respiratorischen Parachlamydia-Infektionsmodells im bovinen Wirt wurde erreicht. Die durch die Umsetzung des Versuchsvorhabens erlangten Ergebnisse leisten einen wertvollen Beitrag zur Aufklärung der Pathogenese sowie der Pathophysiologie von P. acanthamoebae in der Säugerlunge. Die daraus abschätzbare Pathogenität in der Kälberlunge ist, verglichen mit anderen chlamydialen Erregern, als gering anzusehen. Es bleibt weiterhin zu klären welche Rolle Parachlamydia als opportunistisches Pathogen bei Atemwegserkrankungen sowie im Rahmen der Infektion anderer Organsysteme zukommt.