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Die Gesundheit und das Wohlbefinden der Kälber haben einen Einfluss auf die Produktivität und Langlebigkeit der späteren Milchkühe. Des Weiteren rücken die Tiergesundheit und die Haltungsbedingungen von Nutztieren immer mehr in den Fokus des Verbrauchers, der neben der Lebensmittelsicherheit einen großen Wert auf die Tiergerechtheit in der Nutztierhaltung legt.
Aus diesem Grund war es Ziel der vorliegenden Studie, die Managementpraktiken in der Kälberaufzucht von Milchkuhhaltungen in Nordostdeutschland zu ermitteln und den Einfluss dieser auf die Kälbersterblichkeit und die Tageszunahmen bis zur zwölften Lebenswoche zu untersuchen. Zu diesem Zweck wurden 50 milchkuhhaltende Betriebe in den Bundesländern Brandenburg, Sachsen, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern, die auf freiwilliger Basis an der Studie teilnahmen, für einen Tag im Zeitraum von 2012 bis 2014 besucht. Mithilfe eines Fragebogens und Erhebungen im Betrieb wurden die Managementpraktiken und Zahlen zur Tiergesundheit sowie die Haltungsbedingungen (über eine modifizierte Version des Tiergerechtheitsindex (TGI) 94 für Kälber) ermittelt. Das Körpergewicht von Kälbern und Jungrindern wurde mittels Brustumfangsmessung bestimmt. Daraus wurden die täglichen Zunahmen bis zum Absetzen und bis zur ersten Besamung berechnet. Des Weiteren wurden Kolostrum-, Blut- und Kotproben untersucht, deren Ergebnisse wie alle anderen erhobenen Daten in zwei Risikofaktoranalysen auf Herdenebene einflossen. Der Einfluss von 16 bzw. 25 vorausgewählten Faktoren wurde mithilfe der Regressionsanalyse in einem Modell für die Kälbersterblichkeit und einem für die Tageszunahmen bis zur zwölften Lebenswoche untersucht. Die Kälbersterblichkeit betrug zwischen 0,0 und 17,7%. Den größten Einfluss auf eine erhöhte Kälbersterblichkeit (> 5%) hatte ein hoher Anteil an Kälbern mit ungenügendem Immunglobulintransfer (OR: 8,1). Die Fütterung von Heu ab der ersten Lebenswoche im Vergleich zu keiner Fütterung von Heu bis zum Absetzen war mit einer geringeren Kälbersterblichkeit assoziiert (OR: 0,2). Betriebe mit einer erhöhten Kälbersterblichkeit setzten zehnmal häufiger Halofuginon ein als Betriebe mit einer niedrigen Kälbersterblichkeit (OR: 10,0). Die medianen Tageszunahmen bis zur zwölften Lebenswoche lagen in den Betrieben zwischen 414 und 1027 Gramm und im Median bei 675 Gramm. Als Risikofaktoren für reduzierte Tageszunahmen kristallisierten sich das häufige Umstallen bis zum Absetzen (-119 g), eine Gebärpareseinzidenz unter 5% (-115 g), das Angebot von Heu vor dem Absetzen (-142 g), die Gewinnung von Erstkolostrum später als zwei Stunden nach der Kalbung (-142 g), ein häufiges Ausmisten in der Gruppenhaltung von Kälbern (-96 g), die Fütterung von weniger als drei Litern Erstkolostrum an Neugeborene (-88 g) und eine Zeitspanne von mehr als zwei Stunden pro Tag, in denen der Abkalbebereich oder der gesamte Stall unbeaufsichtigt war, (-84 g) heraus. Als protektiv erwies sich eine große aufgenommene Menge Kraftfutter zum Zeitpunkt des Absetzens (+160 g pro kg Kraftfutter). Die Ergebnisse dieser Arbeit unterstreichen die Bedeutung des Managements von Kälbern wie die Versorgung mit Erstkolostrum, die Fütterung und die Haltung auf die Tiergesundheit und das Wohlbefinden von Kälbern. Mithilfe der Erkenntnisse dieser Arbeit kann eine gezieltere Beratung von Betrieben erfolgen, die die Kälbersterblichkeit senken, Tageszunahmen erhöhen und die Tiergerechtheit verbessern wollen. Weiterführende Forschung wird benötigt, um den Einfluss einzelner Faktoren, wie zum Beispiel den protektiven Effekt einer erhöhten Gebärpareseinzidenz auf die Tageszunahmen von Kälbern verstehen zu können. Eine Harmonisierung der Diagnosen, die durch Tierärzte gestellt werden, und eine Verbesserung der Dokumentation von Krankheitsfällen könnten nach entsprechender statistisch epidemiologischer Auswertung neue Erkenntnisse liefern, die wiederum dazu beitragen würden, den Tiergesundheitsstatus zu verbessern.