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Hintergrund
Der Schlaganfall ist das häufigste neurologische Erkrankungsbild und die zweithäufigste Todesursache weltweit, wobei die zerebrale Ischämie mit etwa 80 % die häufigste Form dieser Krankheit darstellt. Zu den Folgen bei überlebenden Patienten zählt neben körperlicher Behinderung durch Lähmungserscheinungen oftmals ein Gewichtsverlust mit Abnahme der Muskelmasse. Dieser Muskelschwund ist nicht auf die gelähmte Körperseite beschränkt und trägt zusätzlich zur Verminderung der Lebensqualität der Betroffenen bei. Obgleich sowohl in human- als auch in tiermedizinischen Studien der Gewichtsverlust als negativer Faktor für den Outcome des Schlaganfalls identifiziert wurde, existieren keine Untersuchungen über die grundlegenden Ursachen oder potentielle Therapieansätze.
Ziel
Ziel dieser Arbeit war die Aufklärung von ausgewählten Aspekten der Veränderungen der Körperzusammensetzung und der zu Grunde liegenden Mechanismen nach einem ischämischen Schlaganfall im Mausmodell. Im Speziellen sollte die Entwicklung der Skelettmuskulatur hinsichtlich kataboler Prozesse untersucht werden.
Methodik
Für die Studie wurde an Mäusen auf chirurgischem Wege durch Verschluss der mittleren Zerebralarterie (MCAO) ein Schlaganfall induziert. In den nachfolgenden sieben Tagen wurden die Körperzusammensetzung, das Gewicht, die Aktivität, der neurologische Status sowie die Futter- und Wasseraufnahme der Tiere ermittelt. Als Vergleich dienten unbehandelte Mäuse sowie eine Gruppe von Tieren mit chirurgischem Eingriff ohne Induktion eines Schlaganfalls und eine Gruppe mit Schlaganfall, die antibiotisch behandelt wurde. Somit konnten die Folgen des Schlaganfalls von denen des operativen Eingriffs und postoperativer bakterieller Infektionen mit Enrofloxacinempfindlichen Erregern abgegrenzt werden. Anschließend wurden die Versuchstiere schmerzfrei getötet, die Organe sowie Muskelproben beider Hintergliedmaßen entnommen und deren Gewicht ermittelt. Als Maß für den Katabolismus im Skelettmuskel wurden die Proteasomen (Proteolyse)- und Caspase (Apoptose)-Aktivtäten ermittelt. Zusätzlich wurde der Einfluss des Gewichtsverlustes nach Schlaganfall auf die Herzfunktion untersucht. Hierzu wurde an einer separaten Tiergruppe am dritten Tag nach der Induktion des Schlaganfalls eine Echokardiografie durchgeführt, um kardiale Parameter wie die Auswurffraktion, den Ventrikeldurchmesser und die Wandstärke zu bestimmen. Auch hier diente eine operierte Gruppe ohne Schlaganfall als Vergleich.
Ergebnisse
Am dritten Versuchstag zeigten die Tiere mit Schlaganfall einen deutlichen Gewichtsverlust. Das Fett- und fettfreie Gewebe sowie die Körperflüssigkeit waren im selben Zeitraum reduziert. Die Futteraufnahme der Schlaganfall-Gruppe war am Tag 3 nicht eindeutig verringert, die Wasseraufnahme hingegen war deutlich niedriger als bei der Vergleichsgruppe. Eine Änderung der spontanen Aktivität war nicht nachweisbar. Nach sieben Tagen hatte sich das Körpergewicht tendenziell noch nicht vollständig regeneriert. Die Gewichte der Bauchhöhlenorgane, des Herzmuskels und der Muskeln beider Hintergliedmaßen war am Tag 3 nach dem Schlaganfall deutlich reduziert. Zum selben Zeitpunkt waren die Herzfrequenz und das Herzminutenvolumen verringert. Am Tag 7 war noch eine Tendenz zu geringeren Organ- und Muskelgewichten im Vergleich zu den Tieren ohne zerebrale Ischämie zu erkennen. Am Tag 7 wurde eine erhöhte Caspase-3-Aktivität in der Muskulatur der Hintergliedmaße der kontralateralen Seite der zerebralen Ischämie gefunden. Auf der ipsilateralen Körperseite zeigte sich eine ähnliche Tendenz. Die antibiotisch behandelte Gruppe zeigte keine Abweichungen von der Schlaganfall-Gruppe.
Schlussfolgerung
Der Schlaganfall führte in den ersten 3 Tagen nach seiner Induktion zu einem Gewichtsverlust, von dem sowohl das Fettgewebe, die fettfreie Masse als auch die Körperflüssigkeit betroffen waren. Die Muskelmasse als Teil des fettfreien Gewebes war hierbei nicht ausschließlich auf der gelähmten Körperseite reduziert. Eine verringerte Futteraufnahme sowie veränderte körperliche Aktivität konnten als alleinige Ursachen für diese Veränderungen ausgeschlossen werden. Die Wasseraufnahme hingegen schien einen Einfluss auf die Entwicklung der Körperflüssigkeit zu haben. Es fanden sich Hinweise für eine beidseitige erhöhte Apoptose-Rate im Skelettmuskel, die für die Reduktion der Muskelmasse ursächlich sein könnte. Der Einfluss von proteolytischen Prozessen und Dehydratation auf die Entwicklung der Muskelmasse blieb ungeklärt. Die antibiotische Behandlung hatte keinen Einfluss auf die Ergebnisse, somit können Infektionen mit Enrofloxacin-empfindlichen Bakterien als Ursache für die Veränderungen der Körperzusammensetzung ausgeschlossen werden. Infektionen anderer Genese sind aufgrund der Ergebnisse der klinischen Untersuchung der Tiere zwar als unwahrscheinlich anzusehen, jedoch kann ein Einfluss auf die Körperzusammensetzung in dieser Studie nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Der Schlaganfall hatte einen negativen Einfluss auf die Herzmuskelmasse und die Herzfunktion. Die vorliegenden Ergebnisse sprechen dafür, dass ein ischämischer Schlaganfall unabhängig von der Nahrungsaufnahme und Bewegungsintensität nach dem Insult zur Abnahme der Fett- und Muskelmasse führt und sich darüber hinaus negativ auf die Herzfunktion auswirkt. Weiterführende Studien sind erforderlich, um die genauen Mechanismen zu klären, die zu diesen Effekten führen.