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Procalcitonin (PCT) ist das Vorläuferhormon des Hormons Calcitonin und wird in der Humanmedizin als Entzündungsmarker erfolgreich eingesetzt. Neben dem Hauptanwendungsgebiet der Sepsisdiagnostik dient PCT in der Humanmedizin auch der Diagnose bzw. Verlaufskontrolle verschiedener Atemwegserkrankungen wie Asthma und COPD.
Proinflammatorische Interleukine sind an der Entstehung verschieder Atemwegserkrankungen von Mensch und Pferd beteiligt und scheinen außerdem zu einer vermehrten Bildung von Procalcitonin im Rahmen infektiöser Geschehen beizutragen.
Ziel der vorliegenden Studie war es, Procalcitonin erstmals mittels spezieller ELISA-Tests (RIEGER et al., 2014) in Blutplasma (n = 18) und bronchoalveolärer Lavage-Flüssigkeit (BALF) (n = 68) von Pferden mit verschiedenen Lungenerkrankungen zu bestimmen. Diese Ergebnisse sollten zum einen in Bezug auf übliche klinische Parameter der Lungendiagnostik betrachtet und zum anderen mit den Konzentrationen einiger proinflammatorischer Interleukine (IL-1β, IL-6, IL-17) in der BALF (n = 68) verglichen werden. Letztere wurden anhand kommerzieller ELISA-Kits der Marke USCN bestimmt.
Einige chronisch lungenkranke Patienten (n = 12) wurden zusätzlich einer zehntägigen inhalativen Therapie mit dem Glukokortikoid Budesonid (1.500 μg BID) unter staubarmen Haltungsbedingungen unterzogen. Im Anschluss an die Behandlung wurde der klinische Status der Patienten sowie die Ausprägung der verschiedenen Biomarker in der BALF erneut evaluiert.
Insgesamt wurden 68 Probanden in die vorliegende Studie aufgenommen. Davon wurden 53 Patienten zur Abklärung tiefer Atemwegserkrankungen an der Klinik für Pferde der Freien Universität Berlin vorgestellt. Die restlichen 15 Pferde waren vorberichtlich und klinisch lungengesund und dienten somit als Kontrollgruppe. Nach standardisierter Untersuchung (Vorberichterhebung, klinische Untersuchung der Atemwege, arterielle Blutgasanalyse, Lungenfunktionsuntersuchung, Thorax-Röntgen, Tracheobrochoskopie, zytologische Untersuchung der BALF) wurden die Probanden folgenden Diagnosegruppen zugeordnet: Lungengesund (n = 15), recurrent airway obstruction (RAO) oder chronisch obstruktive Bronchitis (COB) in Exazerbation (n = 21), chronisch obstruktive Bronchitis (COB) in Remission oder inflammatory airway disease (IAD) (n = 16), chronisch interstitielle Pneumopathie (CIP) (n = 12) und (sub)-akute Pneumonie (n = 4). Anhand eines modifizierten Score-Systems nach OHNESORGE et al. (1998) konnten die Patienten außerdem hinsichtlich des Schweregrads der vorliegenden Erkrankung beurteilt werden.
Lungenkranke Pferde zeigten sowohl in der BALF (p = 0,006) als auch in Blutplasma (p = 0,05) signifikant höhere PCT-Konzetrationen als die gesunden Kontrolltiere. Obwohl Pferde mit RAO bzw. COB in Exazerbation und solche mit COB in Remission oder IAD die höchsten durchschnittlichen PCT-Mengen in BALF (Kontrollgruppe: 5,5 ng/ml; RAO/COB in Exazerbation: 13,4 ng/ml; COB in Remission/IAD: 16,9 ng/ml) und Blutplasma (Kontrollgruppe: 13,9 ng/ml; RAO/COB in Exazerbation: 482,2 ng/ml; COB in Remission/IAD: 98,6 ng/ml) aufwiesen, war eine genaue Differenzierung einzelner Gruppen mittels dieses Markers nicht möglich. Nichtdestotrotz wurde eine gute Korrelation zwischen PCT-Mengen in BALF und Blutplasma gezeigt. Außerdem wurden insbesondere für PCT in Blutplasma positive Zusammenhänge mit klinischen Parametern (kinischer Score, Kalziumkonzentration im Blut, Atemfrequenz, PaO2 und bronchiale Röntgenbefunde) vorgefunden. Für die Interleukine wurden einige Tendenzen beobachtet, allerdings lagen diese nicht im statistisch signifikanten Bereich. Gute Korrelationen zeigten sich zwischen IL-1β und -6 sowie zwischen den Zytokinen und einigen klinischen Befunden. Das Interleukin-6, das bei Pferden mit RAO bzw. COB in Exazerbation den höchsten Medianwert aufwies (Kontrollgruppe: 2,5 pg/ml; RAO/COB in Exazerbation: 11 pg/ml), zeigte als einziger Marker schwache Korrelationen zur BALF-Neutrophilie und als einziges Interleukin einen Zusammenhang zum klinischen Score. Durch die bei der Durchführung des ELISA-Tests aufgetretenen Probleme erfolgte für IL-17 ausschließlich eine qualitative Beurteilung der Zytokinmengen. Des Weiteren konnten in der vorliegenden Studie keine Wechselwirkungen zwischen den proinflammatorischen Interleukinen und Procalcitonin nachgewiesen werden.
Nach inhalativer Behandlung wurde allgemein eine deutliche Verbesserung des klinischen Status beobachtet, welche in einer erheblichen Senkung des klinischen Scores Ausdruck fand (p = 0,005). Nach Inhalation wurden insgesamt leicht höhere PCT-Werte (Median: 16,5 ng/ml) als zuvor (Median: 13,8 ng/ml) gemessen, allerdings war dieser Unterschied aus statistischer Sicht nicht relevant. Bei Betrachtung der einzelnen Patienten zeigten außerdem die eine Hälfte erniedrigte Procalcitoninkonzentrationen, während bei der anderen Hälfte diese deutlich erhöht waren. Für die Interleukine 1β (p = 0,016) und 17 (p = 0,002) wurde nach Therapie ein signifikanter Anstieg der gemessenen Werte in der BALF festgestellt. Anders zeigten Pferde mit akutem RAO bzw. COB-Schub eine deutliche Senkung der IL-6-Konzentrationen in der BALF nach Therapie (p = 0,036).
Die vorliegende Studie ermöglichte erstmals eine direkte Quantifizierung der Konzentrationen von Procalcitonin in Blut und BALF lungenkranker Pferde. Des Weiteren wurden wichtige Informationen bezüglich der tatsächlichen Mengen bestimmter proinflammatorischer Interleukine in der BALF gewonnen, dessen Bestimmung bis heute fast ausschließlich auf transkriptioneller Ebene durchgeführt wurde. Bei Betrachtung dieser Ergebnisse scheint PCT in der BALF bereits etablierten Markern nicht überlegen zu sein. PCT in Blutplasma, welches die lokale Lungenentzündung gut wiederspiegelt, scheint dagegen ein versprechendes Mittel zur Diagnose tiefer Atemwegserkrankungen des Pferdes darzustellen und sollte durch weitere Untersuchungen an größeren Stichproben weiterführend evaluiert werden. Für die Interleukine konnten weder relevante Gruppenunterschiede noch eine Korrelation zu PCT aufgedeckt werden. PCT scheint auch beim Pferd, wie beim Menschen bereits bekannt, durch Steroide kaum beeinflusst zu werden. Während für IL-1β und 17 nach Glukokortikoidinhalation eine deutliche Steigerung in der BALF festgestellt wurde, zeigte IL-6 als einziges Interleukin eine partielle dennoch deutliche Senkung nach Therapie. Um die vorliegenden Ergebnisse zu bestätigen, sind allerdings weitere Untersuchungen an größeren Fallzahlen und unter Einschluss einer Placebo-Kontrollgruppe nötig.