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Fachbereich Veterinärmedizin


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    Publikationsdatenbank

    Herzfrequenzvariabilitätsmessung bei Pferden mit Kolik (2016)

    Art
    Hochschulschrift
    Autor
    Faust, Maria-Dorothee Carmen (WE 17)
    Quelle
    Berlin, 2016 — X, 143 Seiten
    Verweise
    URL (Volltext): https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/8841
    Kontakt
    Pferdeklinik

    Oertzenweg 19 b
    14163 Berlin
    +49 30 838 62299 / 62300
    pferdeklinik@vetmed.fu-berlin.de

    Abstract / Zusammenfassung

    Die Herzfrequenzvariabilität (HRV) ist ein nichtinvasiver Parameter zur Erfassung der Aktivität des autonomen Nervensystems und hat in der Humanmedizin klinische Bedeutung in verschiedenen Bereichen erlangt. So wird die HRV beispielsweise als prognostischer Parameter für die Überlebenswahrscheinlichkeit nach Myokardinfarkt und zur Evaluierung von Diabetesneuropathien eingesetzt. Anwendung findet die HRV auch in der psychoanalytischen Medizin und in der Sportmedizin zur frühzeitigen Erkennung eines Erschöpfungssyndroms. Beim Pferd wurde die HRV bisher primär genutzt, um zu beurteilen, wie viel Stress die Pferde in unterschiedlichen Haltungsformen, durch unterschiedliche Trainingsmethoden und in unterschiedlichen Situationen wie Transport oder Teilnahme an Wettkämpfen tatsächlich erleiden. Nachdem es sich beim Pferd als verlässlicher Stressparameter erwies, fand die HRV auch mehr und mehr Einzug in die Pferdemedizin um verschiedene Schmerzlevel z.B. in der Hufrehetherapie beurteilen zu können oder auch um Dysautonomien bei Nervenerkrankungen wie der Equine Grass Sickness darzustellen. Vor diesem Hintergrund war es Ziel dieser Studie herauszufinden, inwieweit sich die HRV bei Pferden mit Kolik verändert und ob sich daraus eine Prognose für die Überlebenswahrscheinlichkeit oder eine Einschätzung für den Schweregrad der Kolik und damit die weitere Therapie ergeben kann. Ergänzend dazu wurden Parameter aus dem humoralen System evaluiert und zwar das alt bewährte Stresshormon Cortisol und die bisher in diesem Kontext wenig erforschten β-Endorphine. Dazu wurden 43 Pferde, die aufgrund von Kolik in die Klinik überwiesen wurden je nach Behandlungsmethode in drei Gruppen eingeteilt (Gruppe 1 = chirurgisch behandelte Koliker, Gruppe 2 = konservativ behandelte Koliker, Gruppe 3 = euthanasierte Koliker) und, soweit möglich, zu drei verschiedenen Messzeitpunkten (Tag 1 = Tag der Einlieferung, Tag 2 = Tag nach der Einlieferung, Tag 3 = Entlassungstag) untersucht. Dabei wurden die verschiedenen HRV-Parameter erhoben und das Blut u.a. hinsichtlich der Konzentration der Stressparameter β-Endorphine und Cortisol untersucht. Die β-Endorphinkonzentration wurde mittels ELISA und die Cortisolkonzentration wurde mittels Hochleistungsflüssigkeitschromatographie bestimmt. Die HRV wurde aus 5-minütigen EKG-Sequenzen mit Hilfe der zeit- und frequenzbezogenen Analyse ermittelt. Als zeitbezogene Parameter wurden das mittlere NN-Intervall (MeanNN), seine Standardabweichung (SDNN), die absolute und relative Anzahl der Paare benachbarter NN-Intervalle, die sich um mind. 50 ms vom vorausgehenden Intervall unterscheiden (NN50, pNN50), berechnet. Als frequenzbezogene Parameter wurden die hochfrequente Komponente (high frequency, HF, Parasympathikusaktivität) und die niederfrequente Komponente (low frequency, LF, hauptsächlich Sympathikusaktivität) der Spektralanalyse berechnet, außerdem deren Ratio LF/HF. Die Pferde aus Gruppe 1 und 3 zeigten an Tag 1 signifikant niedrigere HF-Werte und signifikant höhere LF-Werte, außerdem eine signifikant größere LF/HF-Ratio als die Pferde der Gruppe 2. HF steigerte sich im Verlauf des Aufenthalts in Gruppe 1, während LF und LF/HF abnahmen. An Tag 3 gab es keinen Unterschied mehr zwischen den Gruppen hinsichtlich HF, LF und LF/HF. Signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen bei NN50 und pNN50 gab es dahingegen erst an Tag 2, als die Koliker aus Gruppe 3, die primär aus finanziellen Gründen euthanasiert wurden, nicht mehr Teil der Gruppe waren. Hierbei fiel auf, dass Pferde mit infauster Prognose aufgrund schwerwiegender Erkrankungen wie Magen- oder Milzruptur bei beiden Parametern bereits an Tag 1 0-Werte aufwiesen. Die konservativ behandelten Pferde der Gruppe 2 hatten an Tag 1 und 2 signifikant niedrigere Cortisolwerte als die Pferde der Gruppe 1 und 3. Über den Zeitverlauf nahm die Cortisolkonzentration in allen Gruppen ab. Eine positive signifikante Korrelation ergab sich zwischen allen HRV-Parametern untereinander, außerdem zwischen Cortisol, Herzfrequenz, Hämatokrit, Laktat und der LF/HF-Ratio. Hinsichtlich der β-Endorphine gab es weder signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen noch zwischen den Messzeitpunkten noch Korrelationen zu Cortisol- oder den HRV-Parametern. Die HRV als sensitiver, nichtinvasiver Parameter und die Bestimmung der Cortisolkonzentration sind im Gegensatz zur Bestimmung der β-Endorphinkonzentration dazu geeignet, Schmerz und Stress beim Pferd mit Kolik zu erfassen, eine Entscheidungshilfe bezüglich der einzuleitenden Therapie (chirurgisch vs konservativ) zu leisten und eine prognostische Aussage zu treffen. Mit einer höheren Fallzahl von aufgrund infauster Prognose euthanasierten Pferden könnte in künftigen Studien insbesondere der Frage nachgegangen werden, ob die zeitbezogenen Parameter NN50 und pNN50, also die absolute und relative Anzahl der Paare benachbarter NN-Intervalle, die sich um mind. 50 ms vom vorausgehenden Intervall unterscheiden, tatsächlich immer 0 ergeben. Ist dies der Fall, könnte solchen Pferden ein Behandlungsversuch und den Besitzern Kosten erspart bleiben.