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Fachbereich Veterinärmedizin


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    In-vitro-Fütterung von Dermacentor reticulatus und Ixodes ricinus und Entwicklung eines teilautomatisierten Fütterungssystems für Schildzecken (2016)

    Art
    Hochschulschrift
    Autor
    Böhme, Bettina (WE 13)
    Quelle
    Berlin: Mensch und Buch Verlag, 2016 — IX, 127 Seiten
    ISBN: 978-3-86387-772-9
    Verweise
    URL (Volltext): https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/7188
    Kontakt
    Institut für Parasitologie und Tropenveterinärmedizin

    Robert-von-Ostertag-Str. 7-13
    14163 Berlin
    +49 30 838 62310
    parasitologie@vetmed.fu-berlin.de

    Abstract / Zusammenfassung

    Schildzecken stellen als obligat hämatophage Parasiten weltweit eine Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Tier dar. Neben ihrem enormen Vektorpotenzial für eine Vielzahl an bakteriellen, viralen, protozoalen und anderen Pathogenen können sie ihrem Wirt durch den Saugakt auch direkte Schäden zufügen (Uilenberg, 1992). Für Untersuchungen der Biologie von Zecken, einschließlich ihrer Rolle als Vektoren für Pathogene, und das Entwickeln und Testen von Akariziden oder anderen Bekämpfungsmethoden, ist eine erhebliche Anzahl an Labortieren erforderlich, die als Wirte für die Zecken benötigt werden (Kröber et Guerin, 2007a). Mithilfe einer erfolgreichen In-vitro- Fütterung von Schildzecken ließe sich die Verwendung von Labortieren deutlich reduzieren. Zahlreiche Versuche zur In-vitro-Fütterung von diversen Ixodidenspezies wurden in den vergangenen hundert Jahren bereits durchgeführt, dennoch konnte sich aufgrund der reduzierten Zeckenfruchtbarkeit, des Arbeitsaufwandes und der langen Saugdauer der Zecken bisher keine Methode für den standardmäßigen Einsatz in der Laborzucht durchsetzen. Im Hinblick auf die Tatsache, dass Ixodes ricinus und Dermacentor reticulatus die bedeutendsten Schildzecken in Mitteleuropa darstellen (Karbowiak, 2014), sollte für die vorliegende Arbeit mit diesen beiden Spezies die In-vitro-Fütterung durchgeführt werden. Ein gut funktionierendes Fütterungssystem mit Silikonmembranen (Kröber et Guerin, 2007a) wurde dazu als Ausgangspunkt ausgewählt und für alle drei Entwicklungsstadien von I. ricinus optimiert. Insbesondere wurden die ursprünglich verwendeten Plexiglaskammern durch autoklavierbare Glaskammern ersetzt, verschiedene Fixierungsstimuli verwendet und dünnere Silikonmembranen für juvenile Zecken entwickelt. Bei den Weibchen wurden eine mittlere Fixierungsrate von 74,8 % (95/127) und eine Vollsaugrate von 40,2 % (51/127) mit einem mittleren Vollsauggewicht von 209,2 mg erzielt. Von den vollgesaugten Weibchen legten 62,7 % (32/51) Eier ab mit einem mittleren Gelegegewicht von 34,6 mg, und 23,5 % (12/51) produzierten Larven. Die Nymphen fixierten sich nach Optimierung des Systems zu 73,2 % (30/41), die Larven zu 56,0 % (28/50) an der Membran, von denen sich alle vollsaugten. Das mittlere Vollsauggewicht der Nymphen, die sich später zu Männchen, und derjenigen Nymphen, die sich später zu Weibchen häuteten, war mit 2,7 mg und 4,1 mg signifikant verschieden. Mit I. ricinus gelang es, einen Lebenszyklus vollständig per In-vitro-Fütterung über Silikonmembranen zu realisieren. Der nächste Schritt wäre die Beobachtung des Fütterungserfolges über mehrere Generationen von I. ricinus in der In-vitro-Fütterung. Anschließend wurde die Fütterungstechnik auf D. reticulatus angewandt und modifiziert, mit dem Ziel, erstmals alle Stadien dieser Spezies in vitro zu füttern. Dabei wurden mit D. reticulatus-Adulten gute Ergebnisse erzielt. Von den 357 eingesetzten Weibchen im Fütterungssystem mit Zeckenkammern aus Glas (K+G Glas) fixierten sich 179 (50,1 %), und 106 (29,7 %) saugten sich voll. Von den vollgesaugten Weibchen legten 91,5 % (97/106) Eier ab, und 66,0 % (70/106) produzierten Larven. Die mittleren Vollsaug- und Gelegegewichte beliefen sich auf 219,9 mg und 96,3 mg. Die In-vitro-Fütterung von juvenilen D. reticulatus stellte sich als schwieriger heraus. Im System K+G Glas saugten sich nur 0,07 % (20/27500) der Larven und keine Nymphe (0/920) voll, obgleich zahlreiche entscheidende Parameter, wie Zusammensetzung und Dicke der Silikonmembranen, olfaktorische und mechanische Fixierungsstimuli, Futterblut-Spezies und -Zusätze, getestet wurden. In einem anderen Fütterungssystem (FSB) (Bonnet et al., 2007), in dem Tierhäute als Membranen verwendet wurden, wurden geringfügig bessere Ergebnisse erzielt: Hier saugten sich 1,88 % (15/800) der Nymphen und 1,49 % (57/3820) der Larven voll. Eine weitere Optimierung der In-vitro-Fütterung von juvenilen D. reticulatus ist unbedingt notwendig. Nachdem die In-vitro- Fütterung für adulte D. reticulatus etabliert war, wurden mit ihnen systematisch weitere Modifizierungen im Fütterungssystem getestet, um die In- vitro-Fütterung von Ixodiden zu optimieren und die Fütterung effizienter und weniger arbeitsintensiv zu gestalten. Dies wurde als essenzielle Voraussetzung für den routinemäßigen Einsatz der In-vitro-Fütterung von Schildzecken in anderen Laboren angesehen. Es wurden die Verfütterung von gefrorenem und gammabestrahltem Blut sowie die Verfütterung von Blut ohne Antibiotikazugabe und die Verwendung verschiedener Fütterungssysteme, einschließlich wartungsärmerer Durchflusskammern, getestet. Die Verfütterung von Blut, das bei -20°C, und Blut, das bei +4°C gelagert wurde, lieferte vergleichbare Fütterungsergebnisse, aber führte beim tiefkühlgelagerten Blut zu einem gehäuften Auftreten von Schimmelbefall an den Kammern und Membranen. Der Zusatz von Antimykotika oder die Verfütterung von gefriergetrocknetem Blut wären potenzielle Alternativen, um dieses Problem zu umgehen. Bei der Verwendung von bestrahltem Blut fiel ein starkes Keimwachstum während der Verfütterung auf, das zwar die Weibchen nicht am Vollsaugen hinderte, sich jedoch negativ auf die Reproduktion, insbesondere die Eiablage, auswirkte. Die Bestrahlung von Blut in der In-vitro-Fütterung von Ixodiden wird daher als unpraktikabel eingestuft. Wurde auf die Antibiotikazugabe zum Futterblut verzichtet, wurde ebenfalls die Reproduktion – wenn auch schwächer – gehemmt, während die Vollsauggewichte etwas höher ausfielen. Beim Vergleich verschiedener Fütterungssysteme fiel das System FSB mit den mit Abstand niedrigsten Fixierungs- und Vollsaugraten und dem höchsten Vollsauggewicht von 291,1 mg auf. Die beiden neu entworfenen Durchflusssysteme aus Polystyrol und aus Glas (DFS PS und DFS Glas) lieferten gute Ergebnisse. Vor allem das DFS Glas zeichnete sich durch eine hohe Fixierungsrate, ein großes mittleres Vollsauggewicht und einen verstärkten Larvenschlupf aus. Insgesamt war dieses System in Hinblick auf den Fütterungserfolg und den reduzierten Arbeitsaufwand am vielversprechendsten, und könnte Zeckenfütterungen am Tier partiell ersetzen. Weitere Optimierungen und die Fütterung von anderen Zeckenspezies in diesem System sollten getestet werden. Ferner wurden die Hypostomlängen aller Stadien von I. ricinus und D. reticulatus ermittelt und ein linearer Zusammenhang zwischen Vollsaug- und Gelegegewicht von D. reticulatus für In- vivo- und In-vitro-Fütterung nachgewiesen. Die bevorzugten Zeitpunkte des Vollsaugens und Ablösens von der Membran waren für adulte D. reticulatus nachts und für nymphale und adulte I. ricinus tagsüber.