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Fachbereich Veterinärmedizin


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    Die DCAB der Futterration als eine bisher wenig beachtete Ursache für eine azidotische Stoffwechsellage von Jungrindern und Milchkühen (2016)

    Art
    Vortrag
    Autoren
    Staufenbiel, Rudolf (WE 18)
    Roder, Andrea (WE 18)
    Pieper, Laura (WE 16)
    Kongress
    41. Leipziger Fortbildungsveranstaltung Labordiagnostik in der Bestandsbetreuung
    Leipzig, 24.06.2016
    Quelle
    41. Leipziger Fortbildungsveranstaltung Labordiagnostik in der Bestandsbetreuung — Manfred Fürll (Hrsg.)
    Leipzig: Medizinische Tierklinik der Veterinärmedizinischen Fakultät Leipzig, 2016 — S. 43–45
    Verweise
    URL (Volltext): http://www.vetmed.uni-leipzig.de/ik/wmedizin/labor/laborfortbildung/leipziger_laborfortbildung_16.pdf
    Kontakt
    Nutztierklinik

    Königsweg 65
    14163 Berlin
    +49 30 838 62261
    klauentierklinik@vetmed.fu-berlin.de

    Abstract / Zusammenfassung

    DCAB und Säuren-Basen-Haushalt:
    Unter strong ions versteht man Kationen oder Anionen, die im Organismus auf Grund ihrer chemischen Eigenschaften (Dissoziationskonstanten Ka/b > 1) nahezu vollständig in dissoziierter Form vorliegen. Das Gesetz der Elektroneutralität fordert zu jedem Ion ein zweites passendes Ion zum Ladungsausgleich. Kombinationen von einem Kation/Anion (Salze) mit großen Dissoziationskonstanten (strong ion) mit einem Anion/Kation einer schwachen Säuren oder Base (Dissoziationskonstante < 10-4) haben einen deutlichen Effekt auf den pH-Wert wässriger Lösungen. Die für den tierischen Organismus relevanten starken Kationen sind K+ und Na+, die relevanten starken Anionen Cl- und SO42-. Die Salze von K+ und Na+ mit solchen schwachen Anionen wie HCO3 -, CO32-, H2PO4-, HPO42-, PO43- oder COOH- verschieben den pH-Wert im Blut in den alkalischen Bereich. Umgekehrt wirken Salze aus den starken Anionen Cl- oder SO42- mit einem schwachen Kation wie Ca2+, Mg2+, NH+ auf den pH-Wert im Blut in die saure Richtung. Zur Vereinfachung der Schätzung von Effekten auf den Säuren- Basen-Haushalt im Blut und darüber hinaus im gesamten Organismus betrachtet man nur die starken Ionen. Der zu erwartende Effekt eines Futtermittels oder einer Futterration auf den Säuren-Basen-Haushalt wird über die DCAB geschätzt. Es hat sich allgemein die nachfolgende Formel zur Berechnung der DCAB durchgesetzt:
    DCAB (mequ/kg TM) = (Na+ + K+) – (Cl- + S2-) DCAB (mequ/kg TM) = 42,5 Na (g/kg) + 25,6 K (g/kg) – 28,2 Cl (g/kg) – 63,22 S (g/kg) Eine positive DCAB resultiert aus einer höheren Konzentration der starken Kationen und hat einen alkalischen Effekt, umgekehrt hat ein Überwiegen der starken Anionen einen azidifizierenenden Effekt. Rinder als Pflanzenfresser verzehren natürlicherweise Futterrationen mit einer deutlich positiven DCAB im Bereich von 200 bis 350 mequ/kg TM. Damit befinden sich Rinder physiologisch immer in einer Tendenz zu einem alkalisch verschobenen Säuren-Basen-Haushalt. Daran sind sie adaptiert. Das spiegelt sich unter anderem im Referenzbereich für den Harn-pH-Wert (7,8 bis 8,4) oder im physiologisch deutlich positiven Bereich für die NSBA (100 bis 200 mmol/l) wider. (Das Futter von Fleischfressern hat natürlicherweise eine negative DCAB, der physiologische Harn-pH-Wert liegt zwischen 5,0 bis 7,0. Sie sind an einen azidotisch ausgelenkten Säuren-Basen-Haushalt angepasst).

    Aussage der NSBA im Harn:
    Der Blut-pH-Wert unterliegt einer ausgesprochen strengen homöostatischen Regulation über die Lungen- und die Nierenfunktion. Dieser Zusammenhang hat schon seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts zu dem Gedanken geführt, dass über die Messung des Säuren-Basen-Haushaltes im Harn differenziertere Aussagen zum Zustand des Säuren-Basen-Haushalts innerhalb des Organismus als über das Blut getroffen werden können. Da der Harn selbst als ein Puffersystem fungiert, wurde ergänzend zur Messung des Harn-pH-Wertes die Bestimmung der NSBA (Netto-Säuren-Basen-Ausscheidung) eingeführt. Im Unterschied zum pH-Wert erfasst die NSBA über eine doppelte Titrationsmessung die Konzentration an Säuren und Basen und deren globale Bilanz im Harn. Für die NSBA gilt: NSBA = [Na+ + K+ + Mg2+ + Ca2++ + HCO3- ] - [ Cl- + SO42- + HPO4 2- + NH4+ + Säurenanorg]
    Für Milchkühe gelten folgende Referenzbereiche für die NSBA
    physiologischer Bereich 100 bis 200 mmo/l
    geringe metabolisch-azidotische Belastung 50 bis 99 mmol/l
    mittelgradige metabolisch-azidotische Belastung 0 bis 49 mmol/l
    hochgradige metabolisch-azidotische Belastung < 0 mmol/l
    metabolisch-alkalotische Belastung > 200 mol/l

    Beziehung zwischen DCAB der Futterration und der NSBA im Harn Für die Werteausprägung der DCAB in der Futterration als auch der NSBA im Harn sind die Konzentrationen der starken Anionen und Kationen bestimmend. Dieser Zusammenhang wird beim Vergleich der Gleichungen für die DCAB und NSBA offensichtlich. Das lässt eine enge Beziehung zwischen diesen beiden Untersuchungsgrößen erwarten, die durch die Ergebnisse in Tab. 1 tatsächlich bestätigt wird. Diese Ergebnisse bewFe den relevanten Einfluss der DCAB einer Futterration auf den Säuren-Basen-Haushalt beim Rind. Als Kalkulationsbasis sollte eine Änderung der DCAB um 100 mequ/kg TM mit einer gleichgerichteten Änderung des NSBA-Wertes um 30 mmol/l Harn angesetzt werden.

    Variation der DCAB der Futtermittel und in Futterrationen
    Das Pflanzenwachstum hängt in hohem Maße von der Kaliumverfügbarkeit ab. Die Kaliumdüngung hat deshalb einen großen Einfluss auf den Ertrag. Auf der anderen Seite werden Futtermittel auf extensiv genutzten Flächen mit einer reduzierten oder vollständig ausgelassenen Düngung produziert. Neben der Düngung beeinflussen eine Reihe anderer Faktoren die DCAB eines Futtermittels (Boden, Pflanzenart, Erntezeitpunkt), was zu einer weiten Streuung der DCAB-Werte führt. Der DCAB-Wert von Anwelksilagen kann zwischen -150 bis + 550 mequ/kg TM schwanken. Bei Luzernesilagen variiert der DCAB-Wert zwischen 100 und 600 mequ/kg TM. Maissilagen haben dagegen stabilere Werte zwischen 100 und 200 mequ/kg TM. Einige Futtermittel haben eine negative DCAB (Pressschnitzelsilage 0 bis -100 mequ/kg TM, Rapsschrot -50 bis -200 mequ/kg TM). Diese Situation führt zu einer weiten Variation der an Milchkühe verfütterten TMR über den Bereich von -400 bis +600 mequ/kg TM (Abb. 1).
    Klinische Relevanz einer durch die DCAB ausgelösten Azidose (und Alkalose) Die DCAB einer Futterration beeinflusst direkt und linear den Säuren-Basen-Haushalt von Jungrindern und Milchkühen (Tab. 1). Die Tiergesundheitseffekte einer alkalischen Auslenkung des Säuren-Basen-Haushaltes sind geringer, da die Rinder daran adaptiert sind. Eine Ausnahme ist die Vorbereitungszeit, in der eine Alkalose das Auftreten der Gebärparese fördert. Die Auslenkung des Säuren-Basen-Haushaltes in den azidotischen Bereich entsprechend der Bewertung nach der gemessenen NSBA im Harn hat gravierende negative Auswirkungen auf die Tiergesundheit, wie sie für Azidosen beschrieben sind und muss deshalb vermieden werden.

    Schlussfolgerungen für die Praxis
    Die DCAB der gefütterten Ration hat über die Beeinflussung des Säuren-Basen-Haushaltes einen relevanten Einfluss auf die Gesundheit von Färsen und Milchkühen. Durch Futteranalysen muss der DCAB-Wert der eingesetzten Futtermittel bestimmt werden. Tabellenwerte sind unzuverlässig. Durch die gezielte Kombination von Futtermitteln kann eine gewünschte DCAB in der Gesamtration eingestellt werden. Dabei ist auch auf das Einhalten der Rationskonzentrationen der einzelnen starken Anionen und Kationen zu achten. Über die Messung der NSBA im Harn lässt sich der Effekt der DCAB auf den Säuren-Basen-Haushalt am Tier einschätzen. Tab. 2 enthält die empfohlenen Richtwerte für die Fütterungsgruppen. Färsenrationen orientieren sich an den Werten für frühe Trockensteher.