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Einleitung - Die subklinische Hypocalcämie des Rindes führt zu vermehrtem Auftreten von Stoffwechselstörungen und Infektionskrankheiten in der Transitperiode und wird deshalb auch als „gateway-disease“ bezeichnet. Es wird häufig beschrieben, dass eine verringerte Ohrtemperatur nach der Kalbung ein Hinweis für einen Calciummangel ist. Auf vielen Milchviehbetrieben gehört der Griff an die Ohren der Kuh zur Routineuntersuchung und dient oftmals als Entscheidungskriterium für die Supplementation von Calcium. In unserer Studie haben wir den Zusammenhang zwischen Ohrtemperatur und der Konzentration von Calcium im Serum untersucht.
Material und Methoden - In die Studie wurden 251 Kühe von sieben verschiedenen Herden einbezogen, die sich im Zeitraum von 0 bis 48 Stunden nach der Abkalbung befanden. Die Ohrtemperatur, sowie die Hauttemperatur auf den Hüfthöckern, wurden zunächst manuell und anschließend mittels Infrarotthermometer von einem Untersucher gemessen. Die Rektaltemperatur wurde mit Hilfe eines Digitalthermometers erfasst. Im Anschluss wurde eine Blutprobe an der Schwanzvene entnommen. Calcium wurde im Serum in einem kommerziellen Labor bestimmt. Unabhängig vom Auftreten klinischer Symptome, wurde eine Kuh bei einer Konzentration von Calcium im Serum von unter 2,0 mmol/L als hypocalcämisch eingeordnet. Klinisches Milchfieber wurde definiert als Hypocalcämie in Verbindung mit klinischen Symptomen (z.B. Festliegen, schwankender Gang). Tiere mit subklinischer Hypocalcämie waren frei von klinischen Symptomen. Die statistische Auswertung erfolgte mit SPSS unter Verwendung einer multiplen Regressionsanalyse (GENLINMIXED) und einer ROC-Kurven-Analyse.
Ergebnisse - Die Prävalenz von Hypocalcämie war 3,3% bei Tieren der ersten, 27,3% bei Tieren der zweiten, 32,8% bei Tieren der dritten und 69,6% bei Tieren der vierten oder höheren Laktation. Keine der Kühe in der ersten oder zweiten Laktation wiesen klinisches Milchfieber auf. 6,0% der Kühe in der dritten Laktation und 20,3% der Kühe in der vierten oder höheren Laktation litten unter klinischem Milchfieber. In dem multiplen Regressionsmodell konnte ein Zusammenhang zwischen der Ohrtemperatur und der Calciumversorgung der Kuh nachgewiesen werden. Ein Anstieg der Konzentration von Calcium im Serum um 1 mmol/L war verbunden mit 3,92 °C wärmeren Ohren (95 % CI 2,47 – 5,36; P=0,001). Zusätzlich hatte die Umgebungstemperatur einen großen Einfluss auf die Ohrtemperatur. Steigt die Umgebungstemperatur um 1 °C, so steigt auch die Ohrtemperatur um 0,78 °C (95 % CI 0,67 – 0,90; P = 0,001). Die Ohrtemperatur war bei Tieren mit klinischem Milchfieber (Median 21,8 °C; IQR 14,7 °C – 27,0 °C) niedriger als bei subklinisch hypocalcämischen Tieren (Median 27,6 °C; IQR 22,1 °C – 30,8 °C). Die Ergebnisse aus der ROC-Kurven-Analyse zeigen, dass die Ohrtemperatur zur Identifikation von subklinisch hypocalcämischen Tieren ungeeignet ist (Grenzwert 27,0°C; AUC 0,641; Sensitivität 49,3; Spezifität 73,8).
Schlussfolgerung - Obwohl ein Zusammenhang zwischen Ohrtemperatur und der Konzentration von Calcium im Serum vorhanden war, ist die Bestimmung der Ohrtemperatur im Stall als Schnelltest nicht geeignet um subklinische Hypocalcämie zu diagnostizieren.