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Fachbereich Veterinärmedizin


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    "Crowding-assoziierte" Atemwegserkrankungen beim Kalb - Ergebnisse einer Feldstudie über Auftreten, Verlauf und beteiligte Erreger in einem Aufzuchtbetrieb (2015)

    Art
    Hochschulschrift
    Autor
    Ruder, Franziska (WE 18)
    Quelle
    Berlin: Mensch und Buch Verlag, 2015 — XIV, 188 Seiten
    ISBN: 978-3-86387-660-9
    Verweise
    URL (Volltext): https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/4056
    Kontakt
    Nutztierklinik

    Königsweg 65
    14163 Berlin
    +49 30 838 62261
    klauentierklinik@vetmed.fu-berlin.de

    Abstract / Zusammenfassung

    Die vorliegende Studie hatte zum Ziel, die Beziehungen zwischen Eigenschaften der Wirtstiere (Alter, Körpermasse, Tränkeaufnahme), klinischen Befunden, Ergebnissen virologischer, bakteriologischer und biochemischer (Haptoglobin) Untersuchungen und dem Verlauf des Bovine Respiratory Disease Complex in einem landwirtschaftlichen Betrieb zu untersuchen, der auf die Aufzucht von Kälbern spezialisiert ist. Zu diesem Zweck stand ein umfangreiches Datenmaterial zur Verfügung, das im Zeitraum von Oktober 2010 bis März 2011 im Rahmen einer klinischen Arzneimittelprüfung unter GCP (Good Clinical Practice) Bedingungen generiert wurde. In das Versuchsvorhaben wurden 104 Kälber im Alter von 12 bis 56 Tagen einbezogen, die mit dem Zeitpunkt der Einstallung beginnend permanent unter Beobachtung standen. Sofern die Kälber klinische Symptome einer Atemwegserkrankung zeigten, die im Vorfeld formulierte Einschlusskriterien erfüllten (Körpertemperatur ≥ 40 °C und Respiratorischer Score ≥ 1 und Habitus Score ≥ 1), wurden sie in die Studie eingeschlossen und einer umfangreichen Diagnostik, bestehend aus klinischer Untersuchung in regelmäßigen Intervallen, Probenentnahmen zwecks bakteriologischer, serologischer und biochemischer Untersuchungen, unterworfen, deren Ergebnisse in der vorliegenden Arbeit mithilfe geeigneter statistischer Verfahren ausgewertet und interpretiert wurden. Von insgesamt 104 Tieren, die die Einschlusskriterien der klinischen Studie erfüllten, wurden die klinischen Symptome erfasst und anhand eines Benotungssystems bewertet. Aus den verschiedenen Teilnoten wurde ein Klinischer Gesamtscore berechnet. Zudem wurden vor der Behandlung transtracheale Spülproben entnommen, die der bakteriologischen Untersuchung dienten sowie Blutproben für die Bestimmung spezifischer, gegen verschiedene Virusspezies (BHV-1, BRSV, BPIV-3, BVDV) und M. bovis gerichtete Antikörper in Serumpaaren und für die Untersuchung auf das akute Phase Protein ß-Haptoglobin. Nach der initialen Probenentnahme wurden die Tiere gemäß der Herstellerinformation einmalig mit einem Antibiotikum aus der Gruppe der Makrolide behandelt und nachfolgend 22 Tage lang beobachtet. Auch Tiere, die im Studienverlauf eine zusätzliche Erkrankung entwickelten, die zum Ausschluss aus der Studie führte und Tiere mit persistierenden oder rezidivierenden respiratorischen Symptomen, wurden in die Betrachtungen einbezogen. Letztgenannte Tiere wurden zum Zeitpunkt des Studienausschlusses einer zweiten TTL unterzogen. Von jedem Tier wurde die aufgenommene Tränkemenge über den gesamten Studienzeitraum erfasst. Die Datenaufbereitung und Analyse erfolgte mit dem Statistikprogramm SPSS für Mac, Version 19. Die bakteriologische Untersuchung der TTL-Flüssigkeit verlief bei 69,2% (72/104) der Tiere mit einem positiven Ergebnis. P. multocida konnte mit einem Anteil von 31,7% (33/104) am häufigsten nachgewiesen werden. M. haemolytica wurde bei 18,3% (19/104) der Tiere am zweithäufigsten isoliert. Der Nachweis von H. somni gelang im Probenmaterial eines Kalbes, während M. bovis aus keiner Probe kultiviert wurde. Aus 25% (26/104) des Probenmaterials wurden Bakterien (v.a. Umweltkeime) isoliert, die nicht als respiropathogen bekannt sind, und bei 30,8% (32/104) der Tiere gelang kein Nachweis von Bakterien mittels Kultur. Wiederholte TTL bei 22 Kälbern mit persistierenden oder rezidivierenden Symptomen des BRDC resultierten in 54,5% (12/22) der Fälle in einem Nachweis von Bakterien. Am häufigsten gelang in diesen Fällen der Nachweis von P. multocida bei 31,8% (7/22). Bei einem dieser sieben Tiere wurde zusätzlich M. haemolytica isoliert. Bei der bakteriologischen Untersuchung von Lungengewebe eines an Pneumonie verendeten Tieres wurden P. multocida und M. haemolytica isoliert. Am Einschlusstag der Studie waren Kälber, bei denen M. haemolytica in der TTL nachgewiesen wurde, schwerer erkrankt und wiesen eine geringere Körpermasse auf, als Kälber mit P. multocida Nachweis. Die aufgenommene Tränkemenge lag am Einschlusstag der Studie bei mit P. multocida und M. haemolytica koinfizierten Tieren signifikant unter derjenigen von Tieren, bei denen nur eine der beiden Spezies nachgewiesen wurde. Die serologische Untersuchung ergab bei 93,3% (97/104) der Kälber Antikörper gegen BHV-1, bei 81,7% (85/104) gegen BPIV-3, bei 77,9% (81/104) gegen BRSV und bei 73,1% (76/104) gegen BVDV. Es handelte sich offensichtlich um kolostrale Antikörper. Die Untersuchungsergebnisse des Antikörper-ELISA in paarweise entnommenen Serumproben erfüllten nur für ein einziges Tier die Kriterien der Serokonversion gegenüber BRSV. Von 104 Kälbern wiesen 4,8% (5/104) gegen M. bovis gerichtete (maternale) Antikörper auf. Kälber mit persistierenden oder rezidivierenden Symptomen des BRDC waren am Einschlusstag der Studie schwerer erkrankt und wiesen eine signifikant geringere Körpermasse auf, als im Studienverlauf genesene Kälber. Im Beobachtungszeitraum von drei Monaten nach Ankunft benötigten 56,4% (53/94) der Studientiere eine Nachbehandlung aufgrund rezidivierender BRD. Bei 13,8% (13/94) der Kälber waren im selben Zeitraum drei oder mehr antibiotische Behandlungen nötig. Einmalig behandelte Kälber waren bei Studieneinschluss signifikant älter als Kälber, die Rezidive aufwiesen. Zudem erkrankten Tiere, die nur einmal behandelt werden mussten, signifikant später nach Ankunft im Aufzuchtbetrieb als Tiere, die zwei oder mehr Behandlungszyklen unterworfen waren. Die Körpermasse von Kälbern, die im besagten Zeitraum mindestens drei Behandlungszyklen benötigten, lag am Einschlusstag der Studie signifikant unter der Körpermasse von Kälbern, die maximal ein Rezidiv aufzeigten. Die Serumhaptoglobinspiegel lagen am Einschlusstag der Studie, einem Tag, an dem alle Studientiere Symptome des BRDC aufwiesen, bei nur knapp 60% der Tiere oberhalb der Detektionsgrenze. Zudem waren zwischen dem Schweregrad der klinischen Symptome und den Serumhaptoglobinkonzentrationen in der vorliegenden Studie keine Zusammenhänge nachweisbar. Einen und zwei Tage nach Behandlung wiesen die genesenen Tiere jedoch signifikant geringere Haptoglobinwerte auf, als ihre Artgenossen mit persistierenden oder rezidivierenden Symptomen des BRDC. Tiere, die ein oder zwei Behandlungen erfuhren, wiesen am Einschlusstag geringere Serumhaptoglobinkonzentrationen auf als Tiere mit drei oder mehr Behandlungen. Die aufgenommene Tränkemenge lag am Tag vor dem Studieneinschluss bei genesenen und rezidivfreien Tieren signifikant unter der von Tieren, die im Studienverlauf persistierend oder rezidivierend Atemwegserkrankungen aufwiesen. Die vorliegende Studie bestätigt die prominente Rolle von P. multocida und M. haemolytica in der Pathogenese des BRDC. Wie aus den Ergebnissen dieser Studie hervorgeht, richtet M. haemolytica gemessen am Schweregrad der klinischen Symptome einen größeren Schaden an, als P. multocida. Der Serumhaptoglobinspiegel ist unseren Untersuchungen zufolge nicht zur Detektion behandlungswürdiger Erkrankungen sowie zur Einschätzung des Schweregrades der Erkrankung geeignet, möglicherweise jedoch ein geeigneter prognostischer Indikator, was den Behandlungserfolg betrifft sowie die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Rezidiven. Weitere Untersuchungen zu dieser Fragestellung sind jedoch erforderlich. Die Assoziationen zwischen der Körpermasse mit dem Behandlungserfolg und der Rezidivrate unterstreichen die Bedeutung nicht infektiöser Faktoren im Rahmen der polyfaktoriellen Pathogenese des BRDC. Viren haben im Umfang dieser Untersuchungen eine untergeordnete Rolle gespielt. Daraus kann geschlussfolgert werden, dass nicht infektiöse Faktoren, darunter Stress durch Transporte und Neuzusammenstellungen sowie Management und Stallklima, die physikalischen und immunologischen Abwehrmechanismen insofern schädigen, als dass Bakterien, die den oberen Atmungstrakt besiedeln, das Vordringen und die Besiedelung des unteren Atmungstraktes ermöglicht wird.