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Fachbereich Veterinärmedizin


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    Publikationsdatenbank

    Anatomische, histologische und morphometrische Vergleichsstudie des Herz-Kreislaufapparates von kommerziellen BUT Big 6 Puten und Wildputen (2015)

    Art
    Hochschulschrift
    Autor
    Kattanek, Maria (WE 1)
    Quelle
    Berlin: Mensch und Buch Verlag, 2015 — 178 Seiten
    ISBN: 978-3-86387-664-7
    Verweise
    URL (Volltext): https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/3919
    Kontakt
    Institut für Veterinär-Anatomie

    Koserstr. 20
    14195 Berlin
    +49 30 838 75784
    anatomie@vetmed.fu-berlin.de

    Abstract / Zusammenfassung

    Der Herz-Kreislaufapparat einer modernen, schnell wachsenden Putenlinie (BUT Big 6 n=40), sowie ihrer entsprechenden Wildform, den Wild Canadian Turkeys (WCT n=40), wurde anatomisch und lichtmikroskopisch verglichen, um den Einfluss von Alter (8 und 16 Wochen), Geschlecht und Genetik auf bestimmte morphologische Parameter zu bestimmen. In der vorliegenden Studie wurden erstmals alters- und geschlechtsspezifische morphometrische Daten zum Myokard und der Aortenwand einer domestizierten, fleischbetonten Putenlinie sowie einer ursprünglichen Putenlinie erhoben und ausgewertet. Zwar stimmt die makroskopische Anatomie des Herzens und der großen Arterien bei beiden Putenlinien weitestgehend überein, es existieren jedoch Unterschiede, die für das vermehrte Auftreten kardiovaskulärer Erkrankungen bei schnellwüchsigen, domestizierten Puten verantwortlich sein könnten: \- Die Hausputen besitzen in Bezug zu ihrer genetisch bedingt höheren Körpermasse, bei gleichzeitig stark ausgeprägtem Geschlechtsdimorphismus, ein relativ kleineres Herz (0,487 %) als die Wildputen (0,613 %) beider Geschlechter in der 8. Lebenswoche, sowie (0,447 % bzw. 0,575 %) in der 16. Lebenswoche. \- Die relative Herzmasse sinkt mit zunehmendem Alter bei den männlichen Tieren stärker als bei den weiblichen. Die sinkende Wachstumsgeschwindigkeit des Herzens in Verbindung mit dem vermehrten Wachstum der Skelettmuskulatur führt bei den Hausputern zu einer reduzierten relativen Herzmasse. Die signifikant geringere relative Herzmasse der Hausputen bedingt, dass ihr relativ kleineres Herz den entsprechend größeren Körper durch vermehrte Leistung versorgen muss. \- In Relation zur Körpermasse sind die linke Ventrikelwand, sowie das Ventrikelseptum bei den Wildputen 3 mal, die rechte Ventrikelwand sogar 4 mal so stark wie bei den Hausputen. Bei beiden Zuchtlinien sinken die relativen Ventrikelwandstärken mit dem Alter. \- Die mikroskopische Architektur des Myokards und der myokardialen Kapillaren unterscheiden sich bei beiden Putenlinien kaum. \- Der Durchmesser der Kardiomyozyten beträgt in dieser Studie durchschnittlich 8 µm. \- Während der Durchmesser der Kardiomyzyten bei der domestizierten Putenlinie mit dem Alter signifikant steigt, zeigt sich bei den Wildputen keine Veränderung. Es existiert kein signifikanter geschlechtsspezifischer Unterschied des Kardiomyozytendurchmessers. \- Die Massenzunahme der Hausputenherzen erfolgt hauptsächlich durch eine Hypertrophie der Kardiomyozyten, die Masse der Wildputenherzen nimmt im Alternsgang hingegen durch eine Hyperplasie der Kardiomyozyten zu. \- Die Kapillaranzahl im Myokard des linken Ventrikels steigt bei den Wildputen von ca. 2400 im Alter von 8 Wochen signifikant auf ca. 3000 pro mm² im Alter von 16 Wochen. Bei den BUT Big 6 Tieren ist schon im Alter von 8 Wochen die hohe Kapillaranzahl von 3000 Kapillaren pro mm² erreicht. \- Bei beiden Putenlinien nimmt das Verhältnis der Kardiomyozytenanzahl zu ihren versorgenden Kapillaren mit dem Alter signifikant ab. \- Während also der Durchmesser der Kardiomyozyten der Hausputen im Alternsgang signifikant steigt, bleibt die Kapillaranzahl jedoch konstant. Im Gegensatz dazu bleibt der Durchmesser der Kardimyozyten bei den Wildputen konstant, wohingegen sich die Kapillaranzahl signifikant erhöht. \- Die Wildputen zeigen eine höhere relative Herzmasse als die Hausputen, sowie einen gleichbleibenden Kardiomyozytendurchmesser bei steigender Kapillaranzahl pro mm² Myokard und einer damit verbundenen Reduktion der interkapillären Distanz, was durch die somit verminderte Diffusionsstrecke für Sauerstoff und Nährstoffe zu einer höheren kardialen Kapazität der Wildputen in Bezug auf körperliche Belastungen bzw. zu einer besseren Perfusion des Myokards führt. \- Geschlechtsspezifische Unterschiede des myokardialen Kapillaranteils zeigen in der vorliegenden Studie lediglich die 16 Wochen alten Hausputen, bei denen die männlichen Tiere einen geringeren Kapillaranteil besitzen als die weiblichen. Diese männlichen Puten fallen darüber hinaus durch die geringste relative Herzmasse, die größten Kardiomyozyten, sowie eine signifikante negative Wechselbeziehung von Herzmasse und Kapillardichte auf. \- Die signifikant größere Querschnittsfläche der Kardiomyozyten der 16 Wochen alten Hausputen führt, insbesondere bei den männlichen Tieren, im Zusammenhang mit der gleichbleibenden Kapillaranzahl pro mm² Herzmuskelgewebe zu einem geringeren kapillären Flächenanteil und somit zu einer verlängerten Distanz für den Gas- und Nährstoffaustausch, was die geringere kardiale Kapazität der domestizierten Puten erklärt. \- Die für die 16 Wochen alten männlichen Hausputen bestimmten Parameter wie niedrigere relative Herzmasse und hypertrophierte Kardiomyozyten bei gleichbleibendem Kapillaranteil kommen, insbesondere unter Belastung, als mögliche Ursache für belastungsbedingte Herz-Kreislaufprobleme der Mastputen in Betracht. \- Die Struktur der Aortenwand unterscheidet sich mikroskopisch bei beiden Putenlinien nur gering. Es wurden jedoch quantitative Unterschiede bezüglich äußerem Gefäßdurchmesser, Wandstärke, der Anzahl der elastischen Faserpakete und Gesamtflächenanteil der elastischen Fasern in der Tunica media gefunden. \- Die Hausputen zeigen eine höhere absolute Aortenwandstärke als die Wildputen. \- Die Puten der WCT-Linie besitzen jedoch eine signifikant größere bzw. mehr als doppelt so große relative Aortenwandstärke als die Tiere der BUT Big-6-Linie. Die relative Wandstärke sinkt im Alternsgang bei beiden Putenlinien auf ein Drittel der jeweiligen Stärke, so dass die jüngeren Puten eine signifikant höhere relative Aortenwandstärke als die älteren aufweisen. \- Im proximodistalen Verlauf sinkt die relative Aortenwandstärke bei beiden Putenlinien und ist am Abgang der A. ischiadica 35 % so stark wie am Aortenbogen. \- Bei beiden Putenlinien wandelt sich die Aorta zwischen dem Abgang der A. coeliaca und den Abgängen der A. ischiadica vom elastischen zum muskulären Typ, denn der Anteil elastischer Fasern nimmt von proximal mit ca. 75 % nach distal auf ca. 30 % ab. \- Bei den Wildputen zeigen sich pro mm Aortenwandandstärke mehr elastische Faserbündelpakete als bei den Hausputen und junge Puten besitzen in Bezug zur Aortenwandstärke mehr Pakete elastischer Fasern als ältere. \- Das Lumen der Aorta ist relativ zur Körpermasse bei den Wildputen an allen drei Messpunkten 2-3 mal größer als bei den Hausputen. Der Lumendurchmesser der Aorta reduziert sich in seinem proximodistalen Verlauf geschlechtsunabhängig. \- Durch den größeren Gefäßinnenradius der Wildputen sinkt der Strömungswiderstand innerhalb der Aorta exponentiell, was zum niedrigeren Blutdruck der Wildputen beiträgt. Diese festgestellten Unterschiede zwischen Haus- und Wildputen könnten als ursächliche Grundlage für die geringere kardiale Kapazität und den höheren Blutdruck der Hausputen angesehen werden. Es ist zu vermuten, dass die makro- und mikroskopischen Parameter wie höhere Körpermasse bei geringerer relativer Herzmasse, geringere Myokardperfusion, geringere relative Aortenwandstärke und geringerer relativer Lumendurchmesser der hochselektierten, fleischbetonten Puten im Vergleich zu ursprünglichen Wildputen für das verstärkte Auftreten kardiovaskulärer Erkrankungen bei domestizierten Puten mitverantwortlich sind. Eine Integration der Parameter relative Herzmasse und relative Aortenwandstärke in die Zuchtziele fleischbetonter, domestizierter Putenlinien könnte die Inzidenz von kardiovaskulären Erkrankungen reduzieren.