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Die Regulation der Nahrungsaufnahme ist vielschichtig und seit Jahrzehnten im Fokus der Forschung, da die Erfolge einer Pharmakotherapie bei Störungen des Nahrungsaufnahmeverhaltens bisher unzureichend sind. Die Komplexität der beteiligten regulatorischen Systeme und deren enge Verzahnung untereinander bedingen, dass die genauen Mechanismen bisher nicht bis ins Detail geklärt werden konnten. Obwohl gesichert ist, dass das zentrale serotonerge System einen Einfluss auf die Regulation der Nahrungsaufnahme ausübt, ist die Wirkungsweise des 5-HT1A-Rezeptors nicht vollständig aufgeklärt. Durch die vorliegende Arbeit sollen die Kenntnisse zur Beteiligung des serotonergen Systems und insbesondere des 5-HT1A-Rezeptors an der Regulation der Nahrungsaufnahme bei der Maus durch mehrere Untersuchungen erweitert werden. Die beiden Mausstämme NMRI und C57BL/6 und die transgene Mauslinie L35, die sich durch eine Überexpression des postsynaptischen 5-HT1A-Rezeptors auszeichnet, wurden nach Gabe des 5-HT1A-Rezeptoragonisten 8-OH-DPAT untersucht. Die Experimente wurden unter verschiedenen Versuchsbedingungen durchgeführt: (1) ad libitum-Fütterung, der Test erfolgte während der Hellphase, (2) nach 16h Futterdeprivation, der Test erfolgte wiederum während der Hellphase und (3) unter ad libitum-Fütterung, der Test erfolgte während der Dunkelphase. Dabei wurden beide Geschlechter in zwei Altersstufen durch Verwendung verschiedener Dosierungen bzw. isotonischer Kochsalzlösung untersucht. Mit Hilfe des 5-HT1A-Rezeptorantagonisten WAY100635 sollen die 8 -OH-DPAT-Wirkungen am 5-HT7- und alpha2-adrenergen Rezeptor als Ursache für die beobachteten Effekte ausgeschlossen werden. Zunächst wurde jeweils die Menge an aufgenommener Nahrung in bestimmten Zeiträumen (0-30min, 30min-60min, 60min-120min; nach 24h) nach einer systemischen Injektion von 8-OH-DPAT bestimmt. Parallel dazu wurden die aufgenommene Wassermenge und die motorische Aktivität im Haltungskäfig ermittelt. Anschließend erfolgte eine nähere Charakterisierung der beobachteten Effekte mit Hilfe der Mikrostruktur des Fressens. Neben der Bestätigung einer unter bestimmten Voraussetzungen durch 8 -OH-DPAT induzierten Hyperphagie bei der Maus, wurde ein Einfluss von 8-OH- DPAT auf die Futteraufnahme in Abhängigkeit vom Mausstamm, Geschlecht, Fütterungsstatus, Altersstufe und Tagesphase dargestellt. Durch den 5-HT1A- Rezeptorantagonisten WAY100635 konnte eine Aktivierung des 5-HT1A-Rezeptors als Ursache für die beobachteten Effekte auf die Menge an aufgenommenem Futter identifiziert und eine 8-OH-DPAT-Wirkung am 5-HT7 und alpha2-adrenergen Rezeptor ausgeschlossen werden. Bei ad libitum-gefütterten männlichen NMRI- Mäusen konnte während der Hellphase 60min-120min nach einer 8-OH-DPAT-Gabe eine Hyperphagie beobachtet werden. Bei C57BL/6-Mäusen gelang dies nur in der adulten Altersstufe und nach einer initialen Hypophagie. Denkbar für die Diskrepanz könnten Stammesunterschiede sein. Beim Vergleich der Wirkungen der Wildtyp-Tiere vom NMRI-Stamm und der transgenen Mäuse der Linie L35, die durch eine Überexpression des postsynaptischen 5-HT1A-Rezeptors charakterisiert sind, konnte erstmals ein Einfluss des postsynaptischen 5-HT1A-Rezeptors auf die Regulation der Futteraufnahme gezeigt werden. Für alle getesteten Gruppen der transgenen Mäuse war nach der Gabe des 5-HT1A-Rezeptoragonisten 8-OH-DPAT ein Einfluss des postsynaptischen 5-HT1A-Rezeptors auf die Futteraufnahme nachweisbar. Der Umfang der Beeinflussung variierte in Abhängigkeit vom Geschlecht und der Altersstufe. Erstmals konnte eine 8-OH-DPAT-induzierte Hyperphagie auch bei weiblichen Mäusen nachgewiesen werden. Bei adulten ad libitum-gefütterten Tieren war jedoch in beiden Geschlechtern kein Hyperphagie-Effekt mehr nachweisbar. Weitere Untersuchungen müssen zeigen, ob und inwiefern sich der postsynaptische 5-HT1A-Rezeptor während der Individualentwicklung und Reifung verändert. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit lassen somit Schlüsse auf die Relevanz des serotonergen Systems im Allgemeinen und des 5-HT1A-Rezeptors im Speziellen für die Regulation der Nahrungsaufnahme zu. Der dargestellte Einfluss des postsynaptischen 5-HT1A- Rezeptors zeigt dabei die Vielschichtigkeit der Regulation der Nahrungsaufnahme und verdeutlicht, dass bei der Entwicklung von Pharmaka mit Wirkung auf die Nahrungsaufnahme das serotonerge System mitberücksichtigt werden sollte.