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Fachbereich Veterinärmedizin


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    Die Bedeutung der Angiopoietine-1 und -2 und ihres Rezeptors Tie2 in der Pneumokokkenpneumonie (2015)

    Art
    Hochschulschrift
    Autor
    Neuhauß, Anne-Kathrin (WE 7)
    Quelle
    Berlin: Mensch und Buch Verlag, 2015 — VIII, 107 Seiten
    ISBN: 978-3-86387-653-1
    Verweise
    URL (Volltext): https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/1756
    Kontakt
    Institut für Mikrobiologie und Tierseuchen

    Robert-von-Ostertag-Str. 7-13
    14163 Berlin
    +49 30 838 51843 / 66949
    mikrobiologie@vetmed.fu-berlin.de

    Abstract / Zusammenfassung

    Trotz einer adäquaten antimikrobiellen Therapie kommt es bei einer Pneumonie häufig zu überschießenden Entzündungsreaktionen und endothelialer Hyperpermeabilität, was zu akutem Lungenversagen und Tod führen kann. Der Grund hierfür liegt zumeist in einer inadäquaten Pathogen-Wirts-Interaktion. Eine Therapie des akuten Lungenversagens ist derzeit nur supportiv möglich. Zur Entwicklung neuer Therapiemöglichkeiten und zur frühzeitigen Identifikation von Risikopatienten mit erhöhter Mortalität ist ein tieferes Verständnis der zugrundeliegenden Pathomechanismen bei der Pneumonie unverzichtbar. Ang-1 und Ang-2 sind Liganden der Rezeptortyrosinkinase Tie2 mit weitreichender Bedeutung für die Angiogenese und Tumorvaskularisation. Weiterhin sind sie an der Entstehung von endothelialer Permeabilität und Inflammation zentral beteiligt, denn Ang-1 erzeugt durch Tie2-Aktivierung ein inaktives, ruhendes Endothel, wohingegen Ang-2 als kompetitiver Antagonist Endothelaktivierung, erhöhte Permeabilität und eine Initiierung von Entzündungskaskaden bewirkt. Es wird u.a. durch inflammatorische Stimuli aus den endothelialen Weibel-Palade bodies frei gesetzt. Es wurde bereits gezeigt, dass bei Sepsis und insbesondere bei Sepsis mit Lungenversagen die Ang-2-Konzentration im Blut und das Ang-2/Ang-1-Verhältnis erhöht sind. Die Rolle des Ang/Tie2-Systems in der schweren Pneumonie wurde bisher noch nicht untersucht. Ziel dieser Arbeit war es daher, die Bedeutung des Ang/Tie2-Systems in der Pneumokokkenpneumonie zu untersuchen und zu evaluieren, ob Ang-2 als möglicher Biomarker zur Risikostratifizierung bei der schweren Pneumonie geeignet ist. In differenziellen experimentellen Ansätzen auf unterschiedlicher Komplexebene sollte die Rolle des Ang/Tie2-Systems beim Pneumonie-induzierten akuten Lungenversagen und sein Potential für mögliche therapeutische Ansätze geprüft werden. In einer initialen Messung wurden verringerte Ang-1- und erhöhte Ang-2-Serumkonzentrationen bei Pneumoniepatienten im Vergleich zu gesunden Blutspendern ermittelt (n = 20). In einer nachfolgenden Studie konnten diese Ergebnisse verifiziert werden. Weiterhin zeigte sich hier ein signifikanter Unterschied in der Ang-2-Serumkonzentration zwischen Pneumoniepatienten mit letalem (innerhalb von 28 Tagen verstorben, n = 64) vs. nichtletalem (n = 64) Verlauf. Dieser Unterschied konnte jedoch bei einer Wiederholungsstudie (n = 74 pro Gruppe) zur Prüfung der statistischen Validität der bereits erhobenen Ergebnisse nicht bestätigt werden. Für Rückschlüsse auf die Dynamik des Ang/Tie2-Systems wurden Serumproben (VALID Studie) von Patienten mit einem Pneumonie-induziertem ARDS zu drei verschiedenen Zeitpunkten im Verlauf der intensivmedizinischen Behandlung untersucht (n = 38). Zu den Zeitpunkten 0 h und 24 h nach Aufnahme auf die Intensivstation wurden erhöhte Ang-2- und verringerte Ang-1-Serumkonzentrationen im Vergleich zu gesunden Blutspender-kontrollen gemessen. Patienten, die das ARDS überlebten, hatten sieben Tage nach dem intensivmedizinischen Behandlungsbeginn nahezu normale Ang-1- und Ang-2-Werte. Um weitere Aussagen über die Kinetik der Ang-2-Freisetzung bei einer akuten Inflammation treffen zu können, wurden in einer prospektiven Studie Blutproben von Läufern des Berlin-Marathons (n = 18, Studie RUNINFLAME) auf verschiedene Entzündungsparameter hin untersucht, da ein Marathonlauf als ein proinflammatorischer Stimulus auf den Körper zu wirken scheint. Der CRP-Wert aller Läufer stieg erst 24 h nach dem Lauf an. Die Ang-2-Serumkonzentration war hingegen unmittelbar nach dem Lauf erhöht und sank 24 h später wieder auf die Ausgangskonzentrationen ab. Ang-2 könnte somit ein sehr frühzeitiger Marker für Inflammation sein. Zur Lokalisation von Ang-1, Ang-2 und ihres Rezeptors Tie2 in der Lunge wurden Lungenproben von gesunden und an Pneumonie erkrankten Menschen immunhistochemisch untersucht. Dabei zeigte sich, dass Ang-1 von verschiedenen Zelltypen exprimiert wurde, wohingegen eine Ang-2- und Tie2-Expression ausschließlich in Endothelzellen detektiert wurde. In vitro konnte beobachtet werden, dass eine Pneumolysinstimulation (PLY) zu einer Ang-2-Freisetzung aus Endothelzellen (HUVECs) führte, nicht aber zu einer Freisetzung von IL-6. Eine Stimulation von HUVECs mit Ang-2 bewirkte bei der höchsten Konzentration einen kurzen, reversiblen Permeabilitätsanstieg. Zur Ermittlung einer möglichen Beteiligung von Ang-2 an der PLY-induzierten pulmonalen Permeabilität wurden Mäuse mit spezifischer siRNA gegen Ang-2 (Atuplex) behandelt und anschließend ihre isolierten, perfundierten und ventilierten Lungen (IPML) mit PLY stimuliert. Diese siRNA-Vorbehandlung führte zu einer Reduktion der PLY-induzierten alveolokapillären Barrierestörung. Abschließend wurde die Rolle des Ang/Tie2-Systems in vivo im Modell der murinen Pneumokokkenpneumonie untersucht. Die pulmonale Ang-2-mRNA- Expression stieg im Pneumonieverlauf an, während die von Ang-1 und Tie2 reduziert war. Eine Ang-1-Therapie, beginnend 22 h nach einer Infektion mit S. pneumoniae, führte bei den Tieren zu einer verminderten Zytokinfreisetzung, verringerter Rekrutierung neutrophiler Granulozyten und einer reduzierten Lungenpermeabilität 48 h nach der Infektion. Zusammengefasst deuten die Ergebnisse dieser Arbeit darauf hin, dass das Ang/Tie2-System eine zentrale Bedeutung in der Pneumokokkenpneumonie hinsichtlich Inflammation und pulmonaler Hyperpermeabilität hat. Ein zuvor diskutierter Einsatz von Ang-2 als alleiniger prognostischer Biomarker für die schwere Pneumonie ist nach dieser Arbeit eher abzulehnen. Die Ergebnisse der experimentellen Untersuchungen geben jedoch Hinweise darauf, dass eine Veränderung des Ang-1/Ang-2-Verhältnisses einen möglichen therapeutischen Ansatz in der schweren Pneumonie darstellen könnte.