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Die ambulant erworbene Pneumonie ist die häufigste tödlich verlaufende Infektionskrankheit weltweit. Streptococcus pneumoniae (S. pneumoniae) ist der mit Abstand häufigste Erreger der ambulant erworbenen Pneumonie. Trotz spezifischer antimikrobieller Therapien und stetiger Bemühungen, die Behandlung von Risikopatienten zu verbessern, wird die Mortalität bei immunkompetenten, antibiotisch adäquat therapierten Patienten mit schwerer Pneumonie auf Intensivstationen weiterhin mit über 20 % angegeben. Die unkontrollierte Aktivierung des Immunsystems scheint bei der schweren Pneumonie eine zentrale Rolle in der Entstehung eines akuten Lungenversagens sowie von Sepsis und Multiorganversagen zu spielen. Daher könnte die gezielte Limitierung überschießender Entzündungsreaktionen kombiniert mit einer effektiven antimikrobiellen Therapie den Verlauf der schweren Pneumonie begünstigen. Chinolone könnten neben ihren gut untersuchten antimikrobiellen Eigenschaften auch antiinflammatorisch wirksam sein. Besonders Moxifloxacin, das unter anderem in der Behandlung der Pneumonie eingesetzt wird, hemmte in vitro die Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen aus humanen Monozyten und humanen Alveolarepithelzellen nach Stimulation mit hitzeinaktivierten Pneumokokken oder Lipopolysacchariden, jedoch gibt es wenig Evidenz aus Untersuchungen mit lebenden Bakterien. Klinische Untersuchungen zeichnen ein weniger eindeutiges Bild. Während in einer retrospektiven klinischen Studie ein besseres Überleben von Patienten mit schwerer ambulant erworbener Pneumonie unter Moxifloxacin-Therapie, verglichen mit Laktam-Monotherapie, beobachtet wurde, konnte prospektiv kein klinischer Nutzen für Patienten mit Sepsis nachgewiesen werden, die zusätzlich zu einer Carbapenem-Therapie Moxifloxacin erhielten. Ziel der vorliegenden Dissertationsarbeit war es daher experimentell zu prüfen, ob für Moxifloxacin immunmodulatorische Eigenschaften in Modellen der Pneumokokkenpneumonie nachweisbar sind. Hierfür wurden in einem ex vivo Modell vitale humane Lungenproben mit TNF- oder S. pneumoniae stimuliert und mit Ampicillin, Moxifloxacin oder Lösungsmittel behandelt und der Einfluss von Moxifloxacin im Vergleich zu Ampicillin, einer der Standardtherapien der ambulant erworbenen Pneumonie, auf die ausgelöste Entzündungsreaktion bestimmt. Für Ampicillin sind keine auf das Immunsystem wirkenden Eigenschaften bekannt. Nach der Stimulation mit TNF- wurde vermehrt IL-6 und IL-8 produziert. Die Behandlung mit Moxifloxacin resultierte in einer verminderten Bildung von IL-6 im Gegensatz zur Behandlung mit Ampicillin. Die Infektion mit S. pneumoniae führte ebenfalls zu einer gesteigerten Produktion der untersuchten Zytokine, die jedoch durch Behandlung mit Moxifloxacin oder Ampicillin nicht reduziert wurde. Darüber hinaus wurde die Moxifloxacin- Therapie in der murinen Pneumokokkenpneumonie im Vergleich zu einer Behandlung mit Ampicillin hinsichtlich Parametern der Entzündungsreaktion, der Erregerelimination, pulmonalvaskulärer Schrankenstörung, histopathologischer Lungenveränderungen und klinischem Verlauf der Infektion untersucht. Mäuse wurden mit S. pneumoniae infiziert und beginnend 24 Stunden nach der Infektion in 12 Stunden-Intervallen mit Ampicillin, Moxifloxacin oder Lösungsmittel behandelt. Zusätzlich dienten Mäuse als Kontrolltiere, die mit Lösungsmittel scheininfiziert und behandelt wurden. Die infizierten Mäuse entwickelten innerhalb von 24 Stunden eine schwere Pneumonie. Alle antibiotisch behandelten Tiere erholten sich im Beobachtungszeitraum fast vollständig von klinischen Zeichen der Pneumonie. Die Behandlung mit Moxifloxacin führte zu einer effektiveren pulmonalen Erregerelimination ab 36 Stunden nach der Infektion sowie zu einer besseren Reduktion von Bakteriämien im Gegensatz zu Ampicillin. Mit Ampicillin behandelte Mäuse zeigten eine erhöhte pulmonalvaskuläre Permeabilität 36 Stunden nach der Infektion im Gegensatz zu Moxifloxacin behandelten Mäusen. Dabei war die verminderte Erregerlast in den mit Moxifloxacin behandelten Tieren nicht ursächlich für die niedrigere pulmonalvaskuläre Permeabilität, was durch Untersuchungen an einer zusätzlichen Versuchsgruppe gezeigt werden konnte, die gleichzeitig mit Ampicillin und Moxifloxacin behandelt wurde. Die kombinierte Behandlung führte zu einer mit der Ampicillin-Monotherapie vergleichbaren Permeabilität. Auch die Effekte beider Antibiotika bezüglich aller weiteren untersuchten Parameter waren vergleichbar. Insbesondere war die pulmonale und systemische Inflammation trotz geringerer Erregerdichte unter Moxifloxacin-Therapie im Gegensatz zur Ampicillin-Therapie nicht reduziert. Zusätzlich wurde der direkte Einfluss von Moxifloxacin und Ampicillin auf die Integrität eines Endothelzellmonolayers mit oder ohne Thrombin-Stimulation durch Messung des transzellulären elektrischen Widerstands getestet. Moxifloxacin erhöhte in vitro weder die basale Integrität des Monolayers, noch reduzierte es die durch Thrombin verursachte Störung der interzellulären Kontakte. Auch Ampicillin hatte keinen Einfluss auf die Stabilität der Barriere. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigten, dass Moxifloxacin die TNF-induzierte Inflammation in humanem Lungengewebe im Gegensatz zu Ampicillin reduzierte. Jedoch ließen sich weder in humanem Lungengewebe, noch in der schweren murinen Pneumonie nach Infektion mit S. pneumoniae antiinflammatorische Eigenschaften von Moxifloxacin im Vergleich zu Ampicillin nachweisen. Moxifloxacin war Ampicillin bezüglich der Eliminierung pulmonaler Erregerlast und Bakteriämien überlegen. Ampicillin-behandelte Tiere wiesen allerdings eine erhöhte pulmonalvaskuläre Permeabilität in der akuten Phase der Pneumonie auf und diese Beobachtung war unabhängig von Effekten des Moxifloxacin.