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Die Kolik gehört beim Pferd zu einer der am häufigsten vorkommenden Erkrankungen. Bei der Behandlung wird das Tier verschiedenen Stressoren ausgesetzt, welche gleichzeitig dafür bekannt sind, Magenschleimhautveränderungen zu begünstigen. Magenschleimhautläsionen kommen beim Pferd, abhängig von Nutzung und Rasse, mit einer Prävalenz von 53-93 % vor. Oftmals zeigen die betroffenen Tiere keine klinischen Symptome oder nur sehr unspezifische Anzeichen. Ziel dieser Arbeit war es herauszufinden, wie häufig Pferde mit einer Kolikerkrankung auch Magenschleimhautläsionen aufweisen, welche Auswirkung die Kolik auf diese hat sowie ob und in welchem Ausmaß durch ein Kolikgeschehen Magenschleimhautveränderungen induziert werden. Dazu wurden in einer prospektiven Studie 30 Pferde untersucht, welche aufgrund einer Koliksymptomatik in die Klinik für Pferde der FU Berlin eingeliefert wurden. Hinzu kamen 10 weitere Pferde, die aus einem anderen medizinischen Grund in die Klinik eingestallt wurden. Diese wurden als Kontrollgruppe genutzt. Das Patientengut hatte ein Alter von 3-32 Jahren und wurde entweder im Offenstall oder in der Box mit täglich mehrstündigem Auslauf gehalten. Die Patienten wurden zwei Mal im Abstand von drei Tagen gastroskopisch untersucht. Am Tag 1 fand die erste Untersuchung ca. 12-17 Stunden nach Einlieferung statt. Dabei wurde sich ein Bild über den Ausgangszustand der Magenschleimhaut gemacht. Hintergrund dafür war die in der Literatur beschriebene Annahme, dass sich Magenschleimhautläsionen erst innerhalb von 48 Stunden nach dem Einwirken einer Noxe entwickeln. Gleichzeitig wurde eine gründliche Anamnese erhoben und Blutproben entnommen. Die zweite gastroskopische Untersuchung erfolgte am Tag 4 nach stationärer Aufnahme in die Klinik. Im Anschluss wurden die Befunde der beiden endoskopischen Untersuchungen sowie die Blutuntersuchungen verglichen. Die Befundung der Mägen erfolgte auf Grundlage eines von der Equine Gastric Ulcer Council empfohlenen, 1995 durch LUNDBERG modifiziertem Scoringsystems von MAC ALLISTER. Dabei wurden die Magenbefunde in vier Schweregrade eingestuft. Dieses System berücksichtigt den Schweregrad und die Anzahl der Läsionen. Weiterhin wurden die beiden Schleimhauttypen getrennt voneinander bewertet. Im Ergebnis der vorliegenden Arbeit konnte eine signifikante Verschlechterung der Magenbefunde innerhalb der drei Tage gezeigt werden. Pferde, die am Tag 1 eine intakte Schleimhaut des Magens aufwiesen, entwickelten bis zum Tag 4 Magenschleimhautläsionen. Bei Pferden, bei denen am Tag 1 bereits Veränderungen der Schleimhaut festgestellt wurden, verschlechterten sich diese Befunde bis zum Tag 4 signifikant. Hinsichtlich der Lokalisation der Magenschleimhautveränderungen zeigte sich die Pars nonglandularis deutlich häufiger betroffen als die Pars glandularis. Am Tag 1 zeigte sich bei 54 % der Patienten ausschließlich die Pars nonglandularis verändert. Bei 19 % der Patienten war zusätzlich die Pars glandularis geschädigt. Nur 27 % der Patienten zeigten bei der Erstuntersuchung eine physiologische Magenschleimhaut. Bei der zweiten gastroskopischen Untersuchung am Tag 4 nach Beginn der Kolik zeigten 38 % der Kolikpferde Veränderungen in der kutanen Schleimhaut und bei 54 % waren beide Schleimhauttypen betroffen. Nur noch 8 % der Patienten zeigten eine intakte Magenschleimhaut. Die Befunde an der Magenschleimhaut verschlechterten sich bezüglich des Schweregrades innerhalb der drei Tage ebenfalls. So zeigten 55 % der Kolikpferde am Tag 1 in der Pars nonglandularis einen Schweregrad von I oder II und 14 % einen Schweregrad von III. Die Pars glandularis war zu diesem Zeitpunkt in 15 % der Fälle mit Grad I und in 4 % der Fälle mit Grad II betroffen. Am Tag 4 nach Einstallung in die Klinik zeigte die Pars nonglandularis bei 53 % der Patienten Magenläsionen mit dem Schweregrad I oder II und bei 40 % den Schweregrad III und IV. Die Pars glandularis war mit 42 % mit Grad I oder II und mit 12 % mit Grad III betroffen. Bei den operierten Pferden entwickelte sich in der glandulären Magenschleimhaut während des Untersuchungszeitraumes im Gegensatz zu den konservativ behandelten Kolikpferden häufiger bzw. stärkere Läsionen. Aufgrund der kleinen Patientengruppe der chirurgisch versorgten Pferde sollte dieses interessante Ergebnis in weiteren Studien an einer größeren Patientenzahl überprüft werden. In der Kontrollgruppe konnten am ersten Untersuchungstag bei 70 % der Pferde eine physiologische Magenschleimhaut beobachtet werden. Die übrigen zeigten lediglich Veränderungen vom Grad I und II. Bei der zweiten gastroskopischen Untersuchung am Tag 4 konnten keine Veränderungen in der Pars nonglandularis im Vergleich zur Erstuntersuchung festgestellt werden. Die routinemäßig bei den Kolikpferden erhobenen Blutwerte Hämatokrit und Gesamteiweiß ergaben keinen signifikanten Zusammenhang mit den Magenbefunden. Die Leukozytenzahl am Tag 1 korrelierte mit dem Magenbefund, dabei waren bei Pferden mit bestehenden Magenläsionen auch höhere Leukozytenzahlen nachweisbar, welche den Referenzbereich aber nicht überschritten. Die Messung von Gastrin ergab keine Auffälligkeiten. Die Konzentration des Akute-Phase- Proteins Haptoglobin stieg im Schnitt um das 1,53-fache seines Ausgangswertes, was auf eine Entzündungsreaktion hinweist. Somit stellt das Haptoglobin einen nützlichen Parameter dar, um einen Entzündungsverlauf zu beurteilen. Die Serum-Amyloid-A-Konzentration befand sich bereits bei der ersten Messung oberhalb des in der Literatur beschriebenen Referenzbereichs. Dies beweist ein akutes Entzündungsgeschehen im Rahmen einer Kolikerkrankung. Nach den hier gewonnenen Informationen, können Magenschleimhautläsionen durch ein Kolikgeschehen in Verbindung mit der Hospitalisierung der Pferde induziert werden bzw. bereits bestehende Magenschleimhautläsionen können sich im Zuge dessen verschlechtern. Inwieweit diese Veränderungen einer medikamentösen Behandlung bedürfen, muss in weiteren Untersuchungen geklärt werden.