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Fachbereich Veterinärmedizin


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    Untersuchungen zur pathophysiologischen Bedeutung muskarinerger Acetylcholinrezeptoren in Dystonie-Modellen (2013)

    Art
    Hochschulschrift
    Autor
    Kuschka, Jagoda Karolina (WE 14)
    Quelle
    Berlin: Mensch und Buch Verlag, 2013 — V, 270 Seiten
    ISBN: 978-3-86387-311-0
    Verweise
    URL (Volltext): https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/4143
    Kontakt
    Institut für Pharmakologie und Toxikologie

    Koserstr. 20
    14195 Berlin
    +49 30 838 53221
    pharmakologie@vetmed.fu-berlin.de

    Abstract / Zusammenfassung

    Dystonien sind schwer therapierbare Bewegungsstörungen, deren Pathophysiologie nahezu ungeklärt ist. Anticholinergika mit Wirkung am muskarinergen Acetylcholinrezeptor vom Subtyp 1 (mAChR1) bewirken zwar bei einigen Dystoniepatienten eine Besserung, rufen jedoch eine Vielzahl schwerwiegender Nebenwirkungen hervor. Für die Entwicklung von Anticholinergika mit einem günstigeren Wirkungsprofil könnte der mAChR4 eine interessante Zielstruktur sein. Ziel dieses Promotionsvorhabens war es daher die pathophysiologische Bedeutung des cholinergen Neurotransmittersystems in zwei anerkannten Dystoniemodellen mittels verschiedener Methoden zu untersuchen, um damit einen Beitrag zur Verbesserung der Therapie von Dystonien zu leisten. Der dtsz- Hamster ist ein Tiermodell für die primäre paroxysmale Dystonie. In vorgegangenen Untersuchungen führte die akute systemische Applikation des mAChR1-Antagonisten Trihexyphenidyl (THP) oder des relativ selektiven mAChR4-Antagonisten Tropicamid nur zu moderaten antidystonen Effekten beim dtsz-Hamster (Löscher und Fredow, 1992; Smiljanic, 2010). Daher sollte untersucht werden, ob stärkere Effekte erzielt werden können durch (1) die akute kombinierte Verabreichung von THP plus Tropicamid, (2) eine Verlängerung des Behandlungszeitraums oder (3) die lokale Manipulation striataler mAChR1 und mAChR4. Die Applikation des nur peripher wirksamen mAChR1-Antagonisten Pirenzepin sollte zudem zeigen, inwiefern die bekannte antidystone Wirkung von mAChR1-Antagonisten über periphere Effekte vermittelt wird. Mittels Rezeptorautoradiographie wurde untersucht, ob regionale Veränderungen einzelner mAChR-Subtypen im Gehirn dystoner Hamster bestehen. Die akute kombinierte Verabreichung von THP und Tropicamid führte in der vorliegenden Studie erwartungsgemäß zu einer stärkeren Effektivität als die alleinige Applikation der beiden Substanzen. Dies konnte allerdings nicht durch eine chronische Gabe potenziert werden. Die wesentlich schwächeren Effekte nach striataler Applikation der beiden Substanzen sowie des allosterischen Modulators VU0152100 am mAChR4 lassen eine Beteiligung extrastriataler Gehirnregionen vermuten. Fehlende Effekte von Pirenzepin sprechen gegen eine Beteiligung peripherer mAChR1 an der antidystonen Wirksamkeit von klinisch eingesetzten mAChR1-Antagonisten. Insgesamt stützen die hier vorliegenden Resultate die Hypothese einer kritischen Beteiligung der (striatalen) cholinergen Neurotransmission am Dystoniegeschehen im dtsz-Hamster nicht, was zudem durch die nahezu unveränderte Dichte von mAChR1, 2 und 4 in verschiedenen Gehirnregionen unterstrichen wird. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass bislang nicht verfügbare Substanzen mit einer höheren Selektivität gegenüber verschiedenen mAChRSubtypen stärkere Effekte hervorgerufen hätten. Verschiedene transgene Mauslinien, die das humane Defektgen (DYT1) der Early-onset- Torsionsdystonie tragen, zeigen keine Dystonie-Symptomatik (Sharma et al., 2005; Shashidharan et al., 2005; Grundmann et al., 2007). Diese Mäuse können zum Verständnis beitragen, warum nur ca. 30-40% der humanen DYT1-Genträger Dystonien entwickeln und welche Faktoren zur Manifestation führen. Vorangehende in-vitro Untersuchungen der in dieser Arbeit verwendeten DYT1-Mäuse lassen vermuten, dass die DYT1-Mutation eine Überaktivität des cholinergen Systems bewirkt (Martella et al., 2009; Pisani et al., 2006). Mit Hilfe der hier durchgeführten pharmakologischen in- vivo Untersuchungen sollte der funktionellen Relevanz der vorherigen in-vitro Befunde nachgegangen werden, wobei besonderes Augenmerk auf die mögliche Provokation dystoner Symptome gelegt wurde. Weiterhin sollte durch immunhistochemische Untersuchungen geklärt werden, ob der zuvor ermittelten cholinergen Überaktivität eine erhöhte Dichte striataler cholinerger Interneurone zugrunde liegt. Westernblot-Analysen sollten zudem klären, ob eine durch die DYT1- Mutation verursachte erhöhte Expression des für die ACh- Synthese wichtigen Enzyms Cholinacetyltransferase (ChAT) vorliegt. Durch die akute und chronische Applikation des Cholinomimetikums Pilocarpin konnte keine Dystonie bei DYT1-Mäusen provoziert werden. Allerdings zeigten DYT1-Mäuse nach chronischer Gabe ein tendenziell stärkeres Auftreten von Nebenwirkungen, was auf eine Störung des cholinergen Systems bei diesen Tieren hindeuten könnte. Durch die leicht erhöhte Inzidenz von epileptischen Anfällen nach wiederholter intrastriataler Applikation von Pilocarpin könnte über eine veränderte synaptische Plastizität bei DYT1-Mäusen spekuliert werden. Insgesamt unterstützen diese Befunde, eine nahezu unveränderte Dichte striataler cholinerger Interneurone sowie eine zu Wildtyp-Mäusen vergleichbare Expression der ChAT in verschiedenen Gehirnregionen nicht die Hypothese einer funktionellen Relevanz der zuvor mittels in-vitro Untersuchungen ermittelten striatalen cholinergen Überaktivität in DYT1- Mäusen. Durch die Verwendung des unspezifischen Cholinomimetikums Pilocarpin und eine Beschränkung auf systemische und intrastriatale pharmakologische Manipulationen kann bislang jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass nur bestimmte mAChR-Subtypen bzw. extrastriatale Gehirnregionen pathophysiologisch involviert sind. Dieser Frage sollte durch weiterführende rezeptorautoradiographische Untersuchungen nachgegangen werden.