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Das Ziel vorliegender Arbeit ist die Darstellung der Rolle des Tierschutzes in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Neben der Untersuchung ideologischer und politischer Einflussfaktoren erfolgen die Analyse der rechtlichen Situation und die Erklärung der Bedeutung des Tierschutzes als Ausbildungsinhalt. Thematisiert wird weiterhin die Organisation des Tierschutzes in der DDR. Eine zentrale Fragestellung ist die Haltung der Tierarten Rind und Schwein und die Bewertung der Produktionsverfahren unter Tierschutzgesichtspunkten. Es wird der Versuch einer Darstellung der sozialistischen Mensch-Nutztier-Beziehung vorgenommen. Als Quellen der Arbeit dienten Archivalien des Bundearchivs Berlin-Lichterfelde, des Landesarchivs Berlin, Akten des Beauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, Dokumente von Zeitzeugen sowie Artikel aus veterinärmedizinischen und landwirtschaftlichen Zeitschriften des Landes. Außerdem wurden diverse Zeitzeugen sowohl schriftlich als auch mündlich zur Thematik befragt. Im ersten Teil der Dissertation werden die gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen im Zeitraum von 1949-1989 geschildert, die die Entwicklung der Landwirtschaft, des Veterinärwesens und somit auch den Tierschutz maßgeblich beeinflussten. Dabei kristallisiert sich bereits heraus, dass der Tierschutz als eigenständige Disziplin keine Rolle spielte. Anschließend erfolgt eine Darstellung des Stellenwertes des Tierschutzes in der Ausbildung. Es wird klar, dass Tierschutz kein Vorlesungs- oder Prüfungsfach in der Ausbildung veterinärmedizinischer Fachkräfte war. Deutlich wird schon hier, dass der sozialistische Tierarzt nicht als berufener Tierschützer gefragt war, sondern dass er vielmehr Aufgaben der Förderung und Organisation der Produktion in der zunehmend intensivierten Landwirtschaft zu erfüllen hatte. Bei der anschließenden Aufstellung der in der DDR geltenden tierschutzrelevanten Rechtsvorschriften wird belegt, dass ein zusammenhängendes Tierschutzgesetz fehlte. Offiziell hatte bis zum Ende der DDR das Reichstierschutzgesetz von 1933 noch Gültigkeit. Diese Tatsache war aber selbst Tierärzten kaum bekannt. Daneben existierten zahlreiche Einzelregelungen, die den Tierschutz mehr oder weniger tangierten. Jahrelang wurde über die Neuregelung der Tierschutzgesetzgebung erfolglos debattiert. Ähnlich zäh verliefen die über die gesamte Zeit der DDR verlaufenden Diskussionen um eine organisierte Form des Tierschutzes. In der DDR gab es keinen organisierten Tierschutz. Die Bildung selbstorganisierter, demokratischer Bewegungen wurde durch die Staatsführung verhindert. In einzelnen Gemeinden konnten Tierschutzinteressierte ihre Aufnahme in staatliche Massenorganisationen wie den Verband der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter oder Kulturbund durchsetzen. In den achtziger Jahren bildeten sich innerhalb der kirchlichen Umweltgruppen vereinzelt Tierschutzgruppen, in denen Tierschützer unter dem Schutz der Kirche zumindest Gedankenaustausch betreiben konnten. Im Bereich der privaten Tierhaltungen der Bürger waren offiziell die Beiräte für Tierschutz und Tierhygiene für die Einhaltung des Tierschutzes verantwortlich. Diese existierten jedoch nur vereinzelt in größeren Städten. In den übrigen Gemeinden war das örtliche Veterinärwesen für Tierschutzbelange zuständig. Im zweiten Teil der Arbeit werden die Haltungs- und Fütterungsmethoden von Rindern und Schweinen in der DDR untersucht. Es wird aufgezeigt, dass abhängig von der landwirtschaftlichen Entwicklung verschiedene tierschutzrelevante Probleme auftraten. Eine der wichtigsten Ziele der DDR-Regierung war die Eigenversorgung des Landes mit Lebensmitteln tierischer Herkunft. Der Stellenwert des Einzeltieres sank mit fortschreitender Intensivierung der Landwirtschaft stetig. Bei der Einführung industriemäßiger Produktionsmethoden wurde in erster Linie darauf geachtet, dass die Produktivität verbessert und Kosten minimiert werden konnten. Arteigene Verhaltensmuster der Nutztiere wurden dabei kaum berücksichtigt. Speziell die Bewegungs- und Beschäftigungsbedürfnisse konnten in den meisten landwirtschaftlichen Tierhaltungen nicht ausreichend befriedigt werden. Es wurden verschiedene neue Methoden direkt am Tier getestet, wobei nicht selten vermeidbare Leiden für Tiere entstanden. Die von der Partei diktierten Planvorgaben mussten unabhängig von den in der Praxis gegebenen Möglichkeiten umgesetzt werden. Als problematisch aus Sicht des Tierschutzes war vom Zeitpunkt der Kollektivierung an vor allem die Haltung zu vieler Tiere, für die das erforderliche Futter oft nicht beschafft werden konnte. Um Futterreserven zu erschließen, war man sehr erfinderisch. Nicht selten kam es durch die Erprobung von Reservefuttermitteln zu Erkrankungen und Todesfällen bei den Tieren. Der Mangel an Futter, Baumaterial, Kapital und schließlich auch ein Mangel an qualifiziertem und motiviertem Personal waren wichtige Ursachen dafür, dass vor allem im Jungtierbereich bis zum Ende der DDR massive Verluste entstanden. Die Bürger der DDR wurden über die Abläufe in den landwirtschaftlichen Betrieben kaum informiert. Tierschutz und Tierhygiene wurden in der industriemäßigen Tierhaltung als fixe Einheit verstanden, die hinter ökonomischen Interessen zurückzustehen hatte. In der DDR hatte ethischer Tierschutz, der das Tier als leidensfähiges Mitgeschöpf in den Mittelpunkt stellt, kaum eine Bedeutung.