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Seit mehreren Jahren spielen bei der Behandlung von Krebserkrankungen neue Medikamente eine wachsende Rolle. Dabei handelt es sich um Toxine, die zielgerichtet gegen Merkmale, die ausschließlich verstärkt bei Tumorzellen vorkommen, wirken. Zwar schädigt auch die klassische Chemotherapie Tumoren stärker als gesundes Gewebe, jedoch treten oft schwerwiegende Nebenwirkungen auf. Bei den tumorspezifischen Merkmalen, an die die neuen Substanzen binden, handelt es sich insbesondere um den humanen epidermalen Wachstumsfaktor- Rezeptor. Die verstärkte Expression dieser Rezeptoren auf Tumorzellen führt dazu, dass sich die Zellen unkontrolliert vermehren. Bindet aber ein Toxin gezielt an die Rezeptoren und veranlasst die Apoptose der Krebszelle, kann das Tumorwachstum unterbunden werden. Fusioniert man die Ribosomen inaktivierenden Proteine (RIP’s) Dianthin und Saporin mit dem epidermalen Wachstumsfaktor (EGF) entstehen die zielgerichteten Toxine SE und DE. Die Freisetzung der internalisierten RIP’s ins Cytosol (Endosomal Escape) kann durch die gleichzeitige Anwesenheit von triterpenoiden Saponinen (SO1861, GS16 und SA1641) unterstützt werden. Dadurch lässt sich eine Toxizitätssteigerung bei gleichzeitiger Dosisreduzierung des RIP’s erreichen. Zunächst wurde für diese Forschungsarbeit eine nähere Charakterisierung von DE und SE durchgeführt. Die Ausbeute der beiden RIP’s nach identischer Expression erwies sich bei DE deutlich als höher als bei SE (0,375 mg/ml im Vergleich zu 0,15–0,225 mg/ml). Darüber hinaus zeigte sich DE bei einer Exposition von 30 min bei 24°C deutlich stabiler. Der Vergleich der enzymatischen Aktivität von DE und SE ergab eine höhere NGlykosidase Aktivität von DE gegenüber SE (115,7 zu 79,9 pmol Adenin/pmol Toxin/h). Untersuchungen der beiden RIP’s im Zirkulardichroismus-Spektrometer bestätigten die bereits bekannte, große Homologie der beiden Toxine, denn die Graphen dieser Untersuchungsmethode wiesen auch nach Zugabe von Saponin (SO1861) in gleichmolarer Konzentration (11,3 nM) enorme Ähnlichkeit auf. Die Untersuchung der Schmelzpunkte beider RIP’s zeigte einen Unterschied von nur 1°C. Im Rahmen der späteren Anwendung unterschiedlicher Ziellinien am Tier wurde auch die Expression des humanen EGFRezeptors (EGFR) auf der Oberfläche der Tumorzelllinien überprüft, welche für die Tierexperimente vorgesehen waren. Alle verwendeten Zelllinien zeigten im Westernblot EGFR-positive Banden. Auch nach Anwendung der Ziellinien am Tier konnte eine immunhistochemische Färbung des Tumorgewebes weiterhin das Vorhandensein von EGFR durch massive Braunfärbung nachweisen. Auf die Charakterisierung der RIP’S und den Nachweis von EGFR auf den Zielzellen folgte die genauere Analyse der Saponine. Die Untersuchung der prozentualen hämolytischen Aktivität ergab, dass alle drei ausgewählten Saponine (SO1861, GS16 und SA1641) bis zu einer Konzentration von 15,65 μg/ml, die deutlich oberhalb der Konzentration liegt, die für den Einsatz am Tier angewendet wurde, nicht hämolytisch wirkten. Auch in den mit DE kombinierten Untersuchungen zeigte sich keine Zunahme der hämolytischen Aktivität. Hervorzuheben ist, dass das Saponin SO1861 im Vergleich die am wenigsten toxischen Eigenschaften aufwies. Diese Beobachtung konnte auch bei den in- vitro-Untersuchungen mittels impedanzbasierter Echtzeit-Messungen (xCelligence-Gerät) bestätigt werden. Weitere in-vitro-Experimente wurden durchgeführt, bei denen die toxische Wirkung der RIP’s in Kombination mit der effektsteigernden Wirkung der Saponine ebenfalls durch impedanzbasierte Echtzeit-Messungen und den Einsatz eines Endpunkt-Zytotoxizitätsassays (MTT) getestet wurde. Im MTT-Assay lag die IC50 der Zellen die mit SE allein behandelt wurden bei einer Konzentration von 10 nM, bei SE in Kombination mit Saponin (GS16) hingegen bei 0,0001 nM. Bei den Echtzeit-Messungen zeigte sich, neben ähnlich stark ausgeprägter Effektivität der Kombination aus RIP’s und Saponinen, darüber hinaus eine hohe Rezeptorspezifität. Die kombinierte Applikation von DE und SE mit unterschiedlichen Reinsaponinen wurde ferner in vivo in syngenen Mausmodellen untersucht. Nach Injektion der Tumorzellen (z. B. 1,25 × 105 TSA-EGFR Zellen) und erfolgter Therapie (z. B. 15 μg/Injektion GS16 in Kombination mit 0,3 μg/Injektion SE, 30 μg/Injektion GS16 in Kombination mit 0,1 μg/Injektion von SE, insgesamt 28 Tage, 8 Dosen) konnte ein massiver Tumorrückgang über 95 % (p < 0.05) bei den behandelten Tieren nachgewiesen werden. Erstmalig wurde ein ähnlich konzipiertes Experiment erfolgreich an Nacktmäusen mit humanen Kolonkarzinomzellen (2 × 106 Zellen, HCT116) durchgeführt. Die Tumorregression betrug hierbei für die therapierten Tiere 96 % (p < 0.05). Nach Abschluss der Therapien wurden die entnommenen Organe histologisch begutachtet, um den Zustand der eventuell durch Nebenwirkungen beeinträchtigten Organe zu erfassen und den Erfolg der Kombinationstherapie zu untermauern. Bei den unbehandelten Tieren im disseminierten Tumormodell konnten in 75% der Fälle neben dem Primätumor auch Lungenmetastasen nachgewiesen werden. Die Resultate dieser Arbeit können als eine gute Basis für die Weiterentwicklung bestehender Kolonkarzinomtherapien dienen und den Grundstein für präklinische Studien mit dieser Art der zielgerichteten, saponingestützten Tumorbehandlung setzen.