Oertzenweg 19 b
14163 Berlin
+49 30 838 62299 / 62300
pferdeklinik@vetmed.fu-berlin.de
In den letzten Jahren kann man bei der Ausbildung, im Training, aber auch bei Wettkämpfen immer häufiger den Einsatz der Hyperflexion, der sogenannten „Rollkur“ bei Reitpferden beobachten. Ziel der vorliegenden Studie war es, zum einen, in der Voruntersuchung, die Anwendbarkeit der Bewegungsendoskopie unter natürlichen Trainingsbedingungen zu testen und zum anderen, in der Hauptstudie, die Auswirkungen von verschiedenen Kopf-Hals-Positionen auf endoskopische Befunde der oberen Atemwege und Stressparameter beim Reitpferd zu untersuchen. In der Voruntersuchung wurden insgesamt 30 Pferde unterschiedlicher Nutzungsarten untersucht. Bei jeweils einem Drittel hat es sich um Galopprennpferde, Trabrennpferde und Reitpferde gehandelt. Die Pferde wurden in ihrer natürlichen Umgebung unter realen Trainingsbedingungen mit einem Videoendoskop untersucht. Dabei wurde das Verhalten während des Anbringens des Geräts und während der Untersuchung dokumentiert und die endoskopischen Aufnahmen aufgezeichnet. Später wurden diese in Bezug auf ihre Auswertbarkeit und Bildqualität bewertet. Insgesamt war die Untersuchung bei den meisten Pferden gut durchführbar. Vier Pferde zeigten starke Abwehrbewegungen beim Einführen des Geräts und bei drei dieser Pferde musste die Untersuchung deshalb abgebrochen werden. Die restlichen Pferde waren alle mit dem eingeführten Gerät belastbar, lediglich ein Pferd hat während der Belastung geringgradiges Kopfschütteln gezeigt. Zwei Pferde haben im Verlauf der Untersuchung geringgradiges Nasenbluten entwickelt. Die Bildqualität, die das Gerät geliefert hat, war qualitativ hochwertig genug, um Befunde der oberen Atemwege auswerten zu können. Die Voruntersuchung hat ergeben, dass mit der neuen Technik der „Overground-Endoskopie“ nun eine Möglichkeit zur Verfügung steht, Pferde unter natürlichen Trainingsbedingungen endoskopisch zu untersuchen. Die Anwendung hat sich als im Feld durchführbar erwiesen und die meisten Pferde haben die Untersuchung gut toleriert. IV. Zusammenfassung Des Weiteren war es das Ziel der vorliegenden Studie, den Einfluss von verschiedenen Kopf-Hals-Positionen auf die Befunde der oberen Atemwege von Reitpferden zu untersuchen. Zu diesem Zweck wurden mittels des vorher schon verwendeten Videoendoskopes Aufnahmen des Larynx von 14 Pferden gemacht. Die Videos wurden in Ruhe und während drei verschiedener Kopf-Hals-Positionen beim Reiten angefertigt: Erstens in Dehnungshaltung, zweitens in normaler Anlehnung und drittens in Hyperflexionshaltung. Beim Vergleich von normaler Anlehnung und Hyperflexion hat die Analyse eine signifikante Verringerung (p=0,001) der laryngealen Öffnungsfläche um 8,2 ± 5,0 % ergeben. Des Weiteren haben, bis auf die Kehlkopfhöhe, auch die anderen untersuchten Parameter des Larynx eine signifikante Verkleinerung aufgezeigt. Diese Veränderungen haben keine Korrelation mit dem Alter oder Ausbildungsstand der Pferde ergeben und waren unabhängig von den individuellen anatomischen Verhältnissen der Kopf-Hals- Region. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Hyperflexion zu einer beträchtlichen Kompression des Larynx geführt hat. In der vorliegenden Studie wurden auch die Auswirkungen von verschiedenen Kopf-Hals-Positionen auf Stressparameter untersucht. Bei 18 Pferden wurden die Herzfrequenz, die Herzfrequenzvariabilität (HRV) und der Blutcortisolspiegel gemessen. Die Werte wurden in Ruhe, beim Reiten mit normaler Anlehnung und beim Reiten mit Hyperflexionshaltung aufgenommen. Des Weiteren wurden die Rittigkeit und das Verhalten während der verschiedenen Untersuchungsstadien durch den Reiter und durch einen Beobachter bewertet. Die Herzfrequenz und die HRV haben keinen signifikanten Unterschied zwischen normaler Anlehnung (HR=105±22/min; LF/HF=3.89±5.68; LF=37.28±10.77%) und der Hyperflexionshaltung (HR=110±18; LF/HF=1.94±2.21; LF=38.39±13.01%) ergeben. LF und HF sind energieabhängige Komponenten der frequenzbereichsabhängigen Messung der HRV, die das Verhalten der beiden Teile des autonomen Nervensystems aufzeigen (Task Force of the European Society of Cardiology and the North American Society of Pacing and Electrophysiology, 1996). Mit diesen Parametern soll die aktuelle Aktivität von Sympathikus und Parasympathikus im Sinne von Stressparametern bewertet werden können. Der Blutcortisolspiegel hingegen hat beim Vergleich von normaler Anlehnung (158±60nmol/l) und Hyperflexion (176±64nmol/l, p=0.01) einen signifikanten Anstieg gezeigt. Dies kann als Hinweis für Stress gewertet werden. Die Befragung und Bewertung von Reiter und Beobachter haben eine signifikante Verschlechterung der Rittigkeit bei allen erhobenen Parametern von normaler Anlehnung zur Hyperflexion ergeben. Es haben sich dadurch auch Hinweise auf Stress und eine Beeinträchtigung des Wohlbefindens gezeigt. Diese Studie hat ergeben, dass der Einsatz der „Overground-Endoskopie mit wenig Personal vor Ort bei den meisten Pferden gut einsetzbar war und qualitativ hochwertige Bilder geliefert hat. Abschließend lässt sich sagen, dass die Ergebnisse der vorliegenden Studie aufgezeigt haben, dass die Hyperflexion zu einer signifikanten Kompression des Larynx geführt hat und dies unabhängig von der individuellen Ausprägung der Kopf-Hals-Region des einzelnen Pferdes stattgefunden hat. Des Weiteren hat die Hyperflexion zu einem signifikanten Anstieg des Cortisolspiegels geführt, was als Zeichen für Stress gewertet werden kann. Auch die Befragung von Reiter und Beobachter hat ergeben, dass die Pferde während der Hyperflexion Zeichen von Stress aufgewiesen haben und ihr Wohlbefinden beeinträchtigt erschien. Nichts desto trotz lassen sich viele Parameter in einer klinischen Studie mit Pferden, die unter natürlichen Bedingungen geritten werden, nicht optimal objektivieren und standardisieren. Weitere Studien, auch mit größeren Tierzahlen, sind nötig, um die Auswirkungen der Kopf-Hals-Position noch tiefergehend zu untersuchen. Interessant wäre dabei der Fokus auf die Auswirkungen der Kopf-Hals-Position und der Hyperflexion im speziellen auf die oberen Atemwege. Weiterführende Studien könnten die Luftströme mittels Drucksonden messen und Rückschlüsse darauf ermöglichen, ob die Hyperflexion und die damit einhergehende Verengung des Kehlkopfes zu starken Turbulenzen führt, durch die die Atemfrequenz und möglicherweise der gesamte Druck steigen. Ob dadurch unter Umständen Lungenkrankheiten sowie chronisch obstruktive Veränderungen begünstigt werden, könnte zukünftig ebenfalls untersucht werden. Des Weiteren sind die Auswirkungen der Verengung der oberen Atemwege auf die arteriellen Blutgasparameter zu untersuchen. Solche Studien könnten abklären, ob es durch die Hyperflexion zu einem verringerten Sauerstoffpartialdruck und damit unter Umständen zu einer Leistungsminderung kommen könnte bzw. diese erklären könnte. Insgesamt könnten solche Studien in der Zukunft helfen, wissenschaftlich zu belegen, ob die Hyperflexion das Wohlbefinden und die Gesundheit unserer Reitpferde beeinträchtigt oder nicht.